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Es musste so kommen. Es kommt immer so, wenn Linke versuchen, gemeinsame Sache Sache zu machen: Die Situation eskaliert. Der Aufruhr findet ganz im Geheimen statt. Auf dem hübschen Kohl-Plakat, das die Kollegen vom Inland-Ressort zum Zeichen der Sympathie mit dem Dicken an die Tür gehängt haben, werden Schmierereien entdeckt. »Innenpolitik heißt Klappe halten!« Keiner will es gewesen sein. Was nun? Sollte das Klassenziel - Einheitsfront! - doch nicht mehr erreicht werden?

Auch von draußen war Schlimmes zu hören. Gerüchte gingen um, nach denen Helmut Kohl am Freitagabend gegenüber dem Kollegen Deppendorf sein Schweigen gebrochen hätte - was freilich schnell als Propagandalüge entlarvt wurde. Dennoch: Eine kurzfristige Stärkung für die Gegner. Und das, wo sich die Genossen und Genossinnen auf der Straße sowieso schon viel zu viel mit Nebensächlichkeiten beschäftigen, etwa mit diesem ständig grinsenden Ösi-Faschisten.

War also alles umsonst? Die zähe Überzeugungsarbeit auf nächtlichen Partys, die Versuche, im Ausland über befreundete Redaktionen internationale Solidarität einzuklagen, das mühsame Ringen um die richtige Losung?

Eines ist sicher: Die Geschichte wird uns Recht geben. Aber wo genau verlaufen die innerredaktionellen Frontlinien? Keiner will es wissen. Im Feuilleton, das ist unübersehbar, hält man sich an die Absprachen: mindestens einen doppelseitigen Aufmacher wöchentlich. Diesmal: der junge Helmut, sozusagen die Geburt des Systems Kohl, Essgewohnheiten und anderes. Auch in der Gestaltung ist von Einbrüchen nichts zu erkennen. Im Gegenteil, Bücher stapeln sich auf dem Tisch des Produktionsleiters: »Helmut Kohl - Leben mit Macht«, »Helmut Kohl - Die Biographie«, »Helmut Kohl - der deutsche Kanzler«, »Helmut Kohl - Kanzler des Vertrauens«, »Helmut Kohl - eine politische Biographie« usw. usf. In der Euro-Redaktion, so gehen die Gerüchte, bereitet man derzeit einen Schwarzdruck von Kohls »Bilanzen und Perspektiven - Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert« vor. Eine richtige Volksausgabe.

Bleiben also nur wenige, die hinter den geheimnisvollen Schmierereien stecken könnten. Eine Verschwörung? Angst geht um. Wann werden die Renegaten wieder zuschlagen? Schweigen auf der Redaktionssitzung. Schweigen auch hinter den Schreibtischen. Und am Telefon sowieso. Die Taktik ist offensichtlich: Der Gegner versucht, die aufstrebende Solidaritätsbewegung mit den eigenen Waffen zu schlagen: »Innenpolitik heißt Klappe halten!« Es wird ihnen nicht gelingen!