»Kein Problem«

Gefährliche Orte XCI: Wer in Berlin einen Gebrauchtwagen kaufen will, kriegt viele geschäftstüchtige Verkäufer zu Gesicht, aber bestimmt kein Auto.

Garantiert unfallfrei, kriegste auch schriftlich - überhaupt in einem Topzustand das Auto: gut gepflegt, Garagenwagen, nur Langstrecke gefahren, Tüv und Asu sind neu.« Das sagt Walter über fast jede Karre, die er verscheuern will. Kein Wunder, denn das ist sein Job. Und er versteht was davon: Walter kann einem sogar ohne mit der Wimper zu zucken erklären, warum das unfallfreie Auto vorne und hinten verbeult, schlecht nachlackiert und außerdem die Beifahrertür verzogen ist: »Kennst doch diese Radfahrer: Wenn die sich über einen Autofahrer ärgern, treten sie gleich gegen die Karosse. Eigentlich sollte man die alle überfahren.« Und warum rostet der angebliche Garagenwagen? »Hey, ich sag': Wenn ich dir einen guten Preis mache, dann siehste die paar Rostflecken doch gar nicht mehr.« Und wichtig ist doch vor allem das Fahrgefühl. Das leuchtet ein.

Walter hat den zehn Jahre alten Renault schon so gut wie verkauft. Für 4 000 Mark. Gekostet hat die Karosse seinen Chef gerade einmal die Hälfte, aber das wird den Kunden ja nicht gleich auf die Nase gebunden. Kein schlechtes Geschäft, aber durchaus üblich in der Gebrauchtwagenbranche. André, der Chef auf dem Autoplatz in Nord-Schöneberg, ist mit dem Deal nicht zufrieden. Ein Tausender mehr darf es ruhig sein.

»An dem Auto haben wir ja auch was gemacht.« Was? »Na, wir haben es ausführlich gecheckt.« Und was ist dabei herausgekommen? »Alles in Topzustand.« Öl oder Ölfilter gewechselt? »Nein.« Bremsflüssigkeit und -scheiben erneuert? »Nein.« Zündkerzen oder Batterie ausgetauscht? »Nein.« Motorverschleißteile ausgetauscht? »Nein.« Was dann? »Frostschutzmittel in Kühler und Scheibenwaschanlage eingefüllt.« Und sonst? »Nichts weiter, war ja alles in Topzustand.« André ist kurz in der Defensive. Dann zieht er seinen Joker: »Ich habe auch noch einen anderen Interessenten dafür.« Ganz plötzlich. »Aber fünf Mille ist ein Superpreis.« Zu teuer? »Gut, ich mach dir noch neuen Tüv - und Zulassung ist auch inklusive.« Hat Walter nicht vorhin gesagt, der Tüv sei ohnehin neu? »Nee, das hat er mit dem anderen Renault verwechselt. Wir haben ja so viele Autos hier.«

Kein Wunder also, dass Walter das öfter passiert. Und andere Interessenten gibt es öfter. Meistens dann, wenn die Kunden mit dem Feilschen anfangen. Für heute haben die beiden Dealer es aber vergeigt: Der Interessent zieht ab, der Renault bleibt stehen, die Kasse leer.

»Der Wagen ist einwandfrei, setz' dich doch gleich mal rein.« Wenn der Kunde erst im Auto sitzt, hat Yilmaz schon fast gewonnen. Dann muss der Interessent Yilmaz zwangsläufig zuhören, wenn er auf seinem Kreuzberger Autoplatz alle Vorteile aufzählt: »Seat ist eine gute Marke, mit VW-Motor, sehr zuverlässig. Und Ausstattung ist super, Kofferraum riesig, Fahrgefühl luxuriös.« Nobler Innenraum, okay, aber 5 000 Mark für ein Auto, das nicht mal Zentralverriegelung und elektrische Fensterheber hat? »Kein Problem, kann man nachrüsten.« Kostet aber. »Wir haben auch Autos mit Zentral und Elektrofenster.«

Hat Yilmaz tatsächlich und will dann auch prompt ein paar Tausender mehr dafür haben - Extra-Ausstattung kostet eben extra. Also soll es doch lieber der Seat sein: Was ist mit dem technischen Zustand? »Kein Problem, Tüv und Asu sind neu.« Und sonst? »Zustand Eins-A. Ist ein VW-Motor. Seat gehört zu VW.« Gibt's Gebrauchtwagen-Garantie? »Kein Problem, ein oder zwei Jahre, kostet aber extra.« Ohne Garantie gibt's die Autos aber auch von privat zu kaufen - und zwar billiger. »Kein Problem, ich mache denselben Preis inklusive Garantie. Als Freundschaftspreis sozusagen.« Zwei Jahre? »Ein Jahr.« Anderthalb? »Okay.« Und Probefahrt? »Kein Problem.« Jetzt sofort? »Kein Problem.«

Doch. Erst muss ein halbes Dutzend anderer Autos auf die Straße gefahren werden, damit der Weg frei ist für den Seat. Und dann reagiert der Motor nur mit kläglichem Ächzen auf das Herumdrehen des Zündschlüssels. Der Wagen springt nicht an. »Da müssen neue Zündkerzen rein.« Probefahrt also ein anderes Mal? »Kein Problem, ich besorge neue Zündkerzen.« Sicher, dass der Motor sonst in Ordnung ist? »Der ist von VW, ist gute Qualität.«

Yilmaz gibt sich zwar noch Mühe, aber er ist lang genug im Geschäft, um selbst zu wissen: Ein Auto, das bei der ersten Vorführung kläglich versagt, kann er diesem Kunden nur noch schlecht verkaufen. Er sagt zwar: »Kein Problem, ich mache einen besseren Preis«, aber insgeheim hat er sich längst darauf eingestellt, den Wagen an jemand anderen abzustoßen - den nächsten Interessenten beispielsweise.

»Ein besseres Preis-Leistungsverhältnis kriegen's als bei uns in der ganzen Stadt net.« Ausgerechnet in einer Wilmersdorfer Parallelstraße zum Ku'damm soll der Gebrauchtwagenkauf am günstigsten sein? Der schlaksige Verkäufer ist sich da absolut sicher. Ihn nennen alle nur »den Bayer« - auch seine Kollegen und Peter, der Chef. »Des hört ja jeder scho' gleich am Anfang, dass i ka Berliner bin.« Ist ja auch egal, wenn man ein Auto kaufen will - solange das Versprechen mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. »Bei uns sind alle Angebote Sonderangebote.«

Einen zehn Jahre alten Mercedes gibt es tatsächlich schon ab 10 000 Mark. Wer möchte, kann dem Bayer aber auch bis zu 42 000 Mark für einen Gebrauchten auf den Tisch legen. Aber wie wäre es mit einer anderen Marke? »Italiener und Franzosen legen an größ'ren Wert auf Fahrkomfort, da kommen selbst BMW und Mercedes net mit.« Tja, die Südländer mit ihrem Temperament. »Und billiger san's auch.«

Einen Citroën zum »Schleuderpreis« preist der Bayer an. »Schleuderpreis« meint meist, dass der Wagen schon ewig herumsteht und Chef Peter ihn endlich verscheuert sehen will. Also wirft der Verkäufer sich ins Zeug: »Federung, Motor, Ausstattung - is alles tipptopp«. Federung? »Ah, die von Citroën machen do die beste Federung der Welt.« Aber ist der Motor nicht wichtiger? »Isser scho', aber der is ja auch gut.« Was denn vom Händler repariert und geändert worden ist? »Ham da a paar Teile erneuert.« A paar Teile? »Was mer halt so mache, an nem gebrauchte Auto.« Wann laufen Tüv und Asu aus? »Da muss i selber nachschaun.« Und warum ist der Kilometerstand nicht angegeben? »Sagen mer mal, der is so um die 100 000. Vielleicht a bisserl mehr, vielleicht weniger.« Und Erstzulassung? »Vielleicht so neun Jahre her.« Unfallfrei? »I glaub' scho.« Was ist mit Garantie? »Da wer'n mir uns scho einig.« Was kostet denn die Versicherung für die Karre? »Wohl so ähnlich wie a Golf.« Kriegt der Kunde auch irgendwann einmal eine konkrete Antwort? »Was wolln's denn hören?«

Der Bayer plaudert lieber über Ledersitze, Alufelgen und Heckspoiler als über interessante Details. Das Wichtigste ist: als Fachmann erscheinen, obwohl man gar nichts sagt. Er versagt damit nicht oft, aber wenn, dann richtig. Chef Peter bleibt wohl noch länger auf dem Citroën sitzen. Ein Auto zu verkaufen ist eben schwerer, als es nur zum »Schleuderpreis« feilzubieten. Aber das alleine bringt dem Autohändler nichts.