Koch und Kellnerin

Die Bundes-CDU hält an Roland Koch fest. Unterstützt wird sie darin von der hessischen FDP: Die Aufklärung geht weiter.

Wer Rechte in Deutschland bricht, muss damit rechnen, das Land zu verlassen«, hatte Roland Koch bei seinem ersten Auftritt als hessischer Ministerpräsident vor einem Jahr verkündet. Freilich waren damit die so genannten ausländischen Straftäter gemeint, nicht etwa er selbst und sicherlich auch nicht sein politischer Ziehvater Manfred Kanther. Denn ansonsten müssten Koch und Kanther längst in Abschiebehaft: Dass Kanther in seinen Jahren als Chef der Hessen-CDU notorisch das Recht gebrochen hat, indem er erst Millionen illegal ins Ausland schaffen ließ, um die Bestände dieser Kriegskasse dann bei Bedarf wieder nach Deutschland zurückzuschleusen, ist längst bekannt.

Seit letzter Woche hat sich nun auch Koch als Lügner geoutet: Er gab zu, dass er bei einem Pressetermin am 10. Januar einen angeblichen Kredit des ehemaligen hessischen CDU-Schatzmeisters Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein als reguläres Darlehen deklariert hatte, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits davon wusste, dass das Geld in Wirklichkeit aus einem schwarzen Konto der CDU stammte. Die 1,2 Millionen flossen in den Landtagswahlkampf der CDU, um unter anderem die ausländerfeindliche Kampagne gegen das neue Staatsbürgerschaftsrecht zu finanzieren. Doch Koch ist nicht nur ein Lügner: Weil er wissentlich den gefälschten Rechenschaftsbericht der Partei für 1998 samt dem darin enthaltenen falschen Darlehen unterzeichnete, steht er nun auch im Verdacht des Betrugs.

Auch wenn sich Koch in den vergangenen Wochen gern als Weißwäscher gerierte, der »brutalstmögliche Aufklärung« versprach - dass ausgerechnet er mit der ganzen Affäre nichts zu tun haben sollte, hat ohnehin niemand mehr geglaubt. Doch Kochs Geständnis erscheint angesichts all der Enthüllungen um die Auslandsmillionen der CDU, um Leuna-Deal und Panzergeschäfte eigentlich eher wie ein Treppenwitz der ganzen Affäre. Er könnte die CDU mehr als teuer zu stehen kommen: Auf die ohnehin schon haushoch verschuldete Bundes-CDU kommen nun weitere Rückzahlungsforderungen und Geldstrafen in Millionenhöhe zu.

Da der falsche Rechenschaftsbericht der hessischen CDU in den der Bundespartei einfließt, ist nun auch der umgeänderte Rechenschaftsbericht der Bundes-CDU nicht korrekt. Sollte die Bundestagsverwaltung, die bei derartigen Vergehen für die Verhängung der Strafe zuständig ist, ihren Ermessensspielraum ausnützen, dann könnte es für die Partei sogar ganz dicke kommen: Weil die hessische CDU seit 1984 schwarze Konten in der Schweiz unterhielt und damit alle CDU-Rechenschaftsberichte der vergangenen 15 Jahre falsch sind, könnte auf die Partei eine Geldstrafe von über einer halben Milliarde Mark zukommen. Es wird also spannend, wenn Bundestagspräsident Wolfgang Thierse diese Woche die Höhe der Strafe bekannt gibt - auch wenn kaum zu erwarten ist, dass Thierse es tatsächlich wagen wird, der CDU den finanziellen Super-Gau zu bereiten.

Doch nicht nur die finanziellen Folgen von Kochs Geständnis treffen die CDU schwer. Der Senkrechtstarter aus dem im Norden von Frankfurt gelegenen Main-Taunus-Kreis - seine Karrierestationen: mit 20 Jahren Kreisvorsitzender, mit 29 Landtagsabgeordneter, mit 32 erstmals Fraktionsvorsitzender und mit 40 schließlich Ministerpräsident - war einer der letzten Hoffnungsträger der Christdemokraten, nicht nur in Hessen, sondern bundesweit: Eine rhetorisch gewandte Integrationsfigur, einer, der sich als fortschrittlicher junger Wilder gerieren konnte, um gleichzeitig mit ausländerfeindlicher Hetze Stimmen zu sammeln, einer, der sich gern als liberal und weltoffen darstellte, während er gleichzeitig einen Rechtsaußen wie Karlheinz Weimar als Staatssekretär berief. Weimar wurde bekannt durch seine Beschimpfungen von mit Ausländern verheirateten deutschen Frauen und rühmte sich in seiner Zeit als Landrat des Main-Taunus-Kreises stets damit, das härteste Ausländeramt in ganz Hessen zu führen. Doch nun hat sich Koch selbst desavouiert, obwohl es zunächst tatsächlich so aussah, als könne er sich einigermaßen glimpflich aus der Affäre ziehen.

Dass die hessische CDU weiter auf Koch als Ministerpräsidenten setzt, liegt wohl vor allem daran, dass die Partei keine Alternativen vorzuweisen hat. Nicht nur die Kanther-Generation der hessischen CDU steckt bis zum Hals im Sumpf: Wie die Enthüllungen der letzten Woche an den Tag brachten, gibt es kaum jemanden in der Partei, der nicht von den schwarzen Kassen profitierte. So haben alle drei Frankfurter Direktkandidatinnen und -kandidaten der Partei - Heinz Riesenhuber, Nikolaus Burggraf und die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach - vor der Bundestagswahl 1998 fünfstellige Beträge aus der Schweiz erhalten. Auch an die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth soll eine Million für den Bürgermeisterwahlkampf überwiesen worden sein. Und natürlich gehörte Ex-Ministerpräsident Walter Wallmann ebenfalls zu den Profiteuren der schwarzen Kassen. So wie Koch selbst, der zwischen 1998 und 1999 1,1 Millionen Mark »Wahlkampfhilfe« erhalten hat.

Die Bundes-CDU hält an Koch fest, damit ihr nicht vollkommen der Boden unter den Füßen wegrutscht. Und auch aus Bayern gab es in der vergangenen Woche große Unterstützung für den »Ehrenmann Koch« (CSU-Landesgruppenchef Michael Glos), der zur Freude von Stoiber und Konsorten ja stets seine Orientierung am »bayerischen Modell« betont hatte. Wie die CSU setzte auch Koch auf eine »unternehmerfreundliche Politik«, gepaart mit restriktiver Innen- und Justizpolitik. Er wolle für Hessen »den konsequentesten und härtesten Strafvollzug« in Deutschland, war eines seiner Lieblingsstatements. Mit solchen Aussagen wird er sich demnächst wohl lieber zurückhalten, auch wenn es wenig wahrscheinlich ist, dass der des Betrugs verdächtige Lügner Koch demnächst selbst in den Genuss des hessischen Strafvollzugs kommt. Da bleibt er doch lieber Ministerpräsident.

Dass er sich weiterhin Hoffnungen machen kann, die Staatskanzlei nicht so schnell mit der Justizvollzugsanstalt zu tauschen, hat Koch vor allem der hessischen FDP zu verdanken. Die Wiesbadener Liberalen stehen in Treue fest zu ihren Posten und ihrem Ministerpräsidenten. Hessens FDP-Chefin Ruth Wagner setzte sich am Wochenende auf einer eiligst einberufenen Sitzung des Landesvorstands im nordhessischen Lich durch: Obwohl es an der Basis längst rumort und nun auch die FDP Gefahr läuft, in den Strudel der CDU-Spendenaffäre gezogen zu werden, stimmte der Landesvorstand für eine Fortführung der schwarz-gelben Koalition in Wiesbaden. Zum Entsetzen der Bundes-FDP: Parteichef Wolfgang Gerhardt hatte zuvor noch interveniert, um die hessische FDP davon zu überzeugen, nicht mehr mit Koch zusammenzuarbeiten.

In Umfragen hat die FDP stark von der CDU-Affäre profitiert. Ausgerechnet die Liberalen standen plötzlich als Saubermänner da. Bei den kommenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen konnte sich die FDP nach Jahren des Niedergangs endlich mal wieder Hoffnungen auf einen Stimmenzuwachs machen. Doch damit dürfte es nun vorbei sein. Und Gerhardt steht endgültig als Depp da, der es nicht einmal fertig bringt, seinen eigenen hessischen Landesverband zur Raison zu bringen.

Fragt sich außerdem, ob sich Hessens FDP-Landeschefin Ruth Wagner und der restliche Landesvorstand nicht verspekuliert haben. Denn schon am 3. März will das hessische Wahlprüfungsgericht entscheiden, ob die Landtagswahlen vom 7. Februar 1999 für ungültig erklärt werden. Nach der hessischen Verfassung kann das Gericht die Wahlen annullieren, sofern es »Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren und strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen« gegeben hat. Und es ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass das Gericht die Wahlen für nichtig erklärt - angesichts des denkbar knappen Wahlausgangs und der Millionenzahlungen aus schwarzen Kassen der CDU.

Sollte es aber tatsächlich zu Neuwahlen kommen, droht Schwarz und Gelb der Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Denn wie hatte Roland Koch noch Mitte Januar verkündet: »Die, die an der gesamten Affäre beteiligt waren, haben keine politische Zukunft mehr, das gilt für alle. Sie dürfen auch nicht mehr für die CDU reden, man glaubt ihnen sowieso kein Wort mehr.«