Patrioten auf CD

Eine Neuerscheinung über die Strukturen des Blood & Honour-Netzwerkes sorgt für Unruhe. Der Betreiber eines Plattenversands versucht die Auslieferung des Buchs »White Noise« zu verhindern.

Der Titel des Videos ist unmissverständlich: »Kriegsberichter«. Sein Inhalt ist es auch: Unterlegt mit Musik, werden Aufnahmen eines Mordes gezeigt. Die Kamera zoomt auf das schmerzverzerrte Gesicht eines Afroamerikaners, Männer in den weißen Roben des Ku-Klux-Klan zerren den Mann beiseite. Dann fallen Schüsse. Die letzte Kameraeinstellung zeigt die am Boden liegende Leiche.

Schnitt. Vor Fernseh-Bildern des brennenden Vertragsarbeiter-Wohnheims in Rostock-Lichtenhagen singt die britische Neonazi-Band No Remorse ihren bekanntesten Hit: »Barbecue in Rostock«. Die Botschaft ist klar: Die Kamera schwenkt über Hunderte von Skinheads, die bei einem Konzert begeistert den Refrain mitgrölen. Im Hintergrund hängen Transparente der Veranstalter mit stilisierten Hakenkreuzen und der Aufschrift »Blood & Honour«.

Das in mehreren Tausend Kopien in Deutschland zirkulierende »Kriegsberichter»-Video stammt aus dem Umfeld von »Blut und Ehre«, der deutschen Sektion des internationalen Blood & Honour-Netzwerkes. Seinen Ursprung hat der Name in den Nürnberger Gesetzen »zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« der Nationalsozialisten.

Eine jetzt veröffentlichte Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der PDS-Bundestagsfraktion macht deutlich, dass rund ein Drittel der im vergangenen Jahr vom Bundesamt für Verfassungsschutz registrierten 105 rechtsextremen Konzerte vom Blood & Honour-Netzwerk organisiert wurden. Mehr als die Hälfte der Konzerte (59) fand in Ostdeutschland statt. Allein in Sachsen waren es 33 Konzerte.

Doch auch wenn die Zahl der registrierten Konzerte im Vergleich zum Jahr 1998 nach Verfassungsschutz-Angaben um 23 zurückgegangen sein soll, gibt es keinen Grund zu Erleichterung. Denn die Besucherzahlen bei den Konzerten sind gestiegen - bei acht Konzerten wurden jeweils mehr als 1 000 BesucherInnen registriert - , und auch der Organisationsgrad innerhalb der Szene hat zugenommen. So reisten beispielsweise am 13. November 1999 über 1 000 Rechtsextreme aus ganz Deutschland in das thüringische Dorf Schorba, um ein Konzert der US-amerikanischen Band Max Resist sowie der deutschen Gruppen Radikahl und Stahlgewitter zu besuchen. Angemietet worden war der Saal für die Faschingsfeier eines Jugendclubs; eine Vorwarnung durch die Sicherheitsbehörden gab es nicht. Erst nachdem Konzertbesucher am Ende des Abends randalierten, schritt die Polizei ein.

Bereits im September 1999 war Blood & Honour ein ähnlicher Coup in Sachsen-Anhalt gelungen: Unter dem Vorwand, einen Nachwuchs-Wettbewerb auszurichten, wurde das Kulturhaus in Garitz angemietet. Rund 2 000 Rechte bejubelten die Bands. Nach Angaben des Verfassungsschutzes war dies das größte rechtsextreme Konzert des letzten Jahres - organisiert von Blood & Honour.

Ähnlich wie bei der Anzahl der Konzerte ergibt sich auch aus der Zahl rechtsextremer Bands und Vertriebe ein im Vergleich zum Vorjahr fast gleichbleibendes Bild: Auf 93 Bands und 50 Vertriebe, die die rechtsextreme Szene bundesweit bedienen, kamen die Sicherheitsbehörden. Auch wenn diese sich nach jahrelanger Verharmlosung mittlerweile dazu durchgerungen haben, Musik als »wichtigste identitätsstiftende Klammer der rechten Skinhead-Szene« zu bezeichnen, bleiben die staatlichen Rezepte gegen die sich aus dem rechtsextremen Milieu rekrutierenden Blood & Honour-Strukturen die alten: akzeptierende Jugendarbeit, punktuelle Repression durch Indizierung und Beschlagnahme rassistischer und antisemitischer CDs sowie unpolitische Aufklärungsschriften.

Anders das nun erscheinende Buch »White Noise - Rechts-Rock, Skinhead-Musik, Blood & Honour - Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene«. Die HerausgeberInnen - das Antifaschistische Infoblatt, die schleswig-holsteinische Antifa-Zeitung Enough is Enough und die »reihe antifaschistischer texte« im Unrast Verlag - bieten fundierte Recherchen auch über den deutschen Tellerrand hinaus. Schon vor der Auslieferung an den Buchhandel sorgte »White Noise« in der Neonaziszene und insbesondere bei den Strukturen des Blood & Honour-Netzwerkes für Unruhe: Per Einstweiliger Verfügung versucht Ulrich Großmann, Betreiber des in Coburg ansässigen Versandes und Labels DIM-Records, die Auslieferung des Buches zu verhindern. Großmanns Anwalt Klaus Kunze, bekannt u.a. als Verteidiger des bekannten Neonazis Torsten Heise, behauptet, das Label seines Mandanten stelle - im Gegensatz zu den Erkenntnissen der »White Noise»-Autoren - keineswegs eine Schnittstelle der Neonazi-Skinhead-Szene dar. Auch mit Blood & Honour habe Großmann nichts zu tun, denn »die örtliche Blood & Honour-Organisation« stehe ihm »aus ideologischen Gründen« feindselig gegenüber. Dass Großmann noch Ende 1999 Postkarten und CDs von bekannten Blood & Honour-Bands anbot und Gruppen wie die hessischen »Chaoskrieger« bei DIM-Records ihre CD veröffentlichen konnten, spricht jedoch gegen Kunzes Behauptung.

Die Bemühungen, das Buch von den Ladentischen fernzuhalten, machen nach Ansicht der »White Noise»-HerausgeberInnen vor allem zwei Aspekte deutlich: Wegen drohender Verbote versuchen einzelne Blood-Honour-Aktivisten sich von dem ins Visier der Strafverfolger geratenen Netzwerk zu distanzieren. Zum anderen setzen Anwälte wie Kunze nach wie vor darauf, dass die rassistischen und antisemitischen Botschaften rechter Songs vor Gericht unter der Rubrik »Jugendsubkultur« abgehandelt werden. So verwundert es auch nicht, dass das Landgericht Münster Kunzes Antrag auf eine Einstweilige Verfügung gegen den Unrast-Verlag ohne Nachfragen stattgab.

Dabei geht es der mit 250 Mitgliedern zahlenmäßig eher kleinen Gruppierung Blood & Honour Deutschland mit ihren Ortsverbänden in allen Bundesländern längst nicht mehr nur um Profite und Entertainment für die rechte Jugend. Das Ziel gab der Berliner B & H-Aktivist Stefan Lange - Pseudonym »Pinocchio« - schon vor längerem vor: Aufgabe von Blood & Honour sei es, so Lange, »Patrioten verschiedener Stilrichtungen zu sammeln und zu einen, nicht nur in der Musik, sondern im Kampf«.