Alternative Lebensformen

Ämter irren nie

Jemand musste Katja verwechselt haben. Denn ohne, dass sie etwas Böses getan hätte, bekam sie eines Morgens einen Abschiebebescheid. Katja wohnt erst seit einem halben Jahr in Berlin, und nun soll sie nach Serbien abgeschoben werden. Katja ist noch nie in Serbien gewesen. Sie kennt noch nicht einmal Serben. Weder in ihrem Freundeskreis noch in der Verwandtschaft hat es je einen Serben gegeben.

Katja wurde vor 25 Jahren in Hamburg geboren, eine Geburtsurkunde kann das belegen. Und auch ihre Eltern haben nie woanders gelebt. Sie konnte sich das gar nicht erklären. Dabei wollte sie sich nur einen Nebenjob in Berlin suchen. Ein bisschen Geld verdienen fürs Studium.

Ihr fehlte nur der Sozialversicherungsausweis. Ihrem Arbeitgeber gab sie die gewünschten Unterlagen und wartete auf eine Antwort. Und als sie dann eines Tages die Zusage bekam, dachte sie: »Jetzt geht's los.« Es ging los: Die flexiblen Arbeitszeiten führten zu idealen Studienbedingungen. Katja konnte sich in aller Ruhe auf ihr Examen vorbereiten und brauchte sich keine Sorgen mehr zu machen. Bis eines Morgens ihr Arbeitgeber bei ihr anrief und ihr mitteilte, dass es mit der Sozialversicherung Probleme gebe, weil die Arbeitserlaubnis abgelaufen sei.

Katja hielt das für einen Scherz. Und lachte. Ihr Chef lachte nicht. Er gab einen Ratschlag: Am besten, vermutete er, sei es, den Antrag noch einmal auszufüllen und den Personalausweis zu kopieren, dann werde sich das Missverständnis schon aufklären.

Katja hatte nie Bafög bezogen und bis vor kurzem bei ihren Eltern gelebt. Mit Ämtern wurde sie nur alle fünf Jahre konfrontiert, um ihren Personalausweis verlängern zu lassen. Und in Hamburg hatte es damit auch nie Probleme gegeben. Erst in Berlin zickte die zuständige Sachbearbeiterin bei ihrer Anmeldung rum: »Sie wissen hoffentlich, was es bedeutet, den Zweitwohnsitz in der Hauptstadt anzumelden?« Katja wusste es nicht. Woher auch, sie kam ja aus Hamburg. Die Sachbearbeiterin klärte sie auf: Mit Jobs sei es dann viel schwieriger, wenn man sich ab einer gewissen Zeit nicht zu einer Stadt bekenne, müsse sie eine Strafe zahlen, und überhaupt, wo lebe sie denn? In Hamburg oder Berlin?

»Wäre ich bloß nicht nach Berlin gezogen«, sagt Katja heute, »dann wäre mir einiges erspart geblieben.« Z.B. der Brief vom Amt: »Sehr geehrte Frau Katja B. Bei der Eingabe in unsere Datenverarbeitungsanlage wurden wir unsicher, ob Ihre Angaben zutreffen. Bitte überprüfen Sie Ihre Identität. Sonst erfolgt mit sofortiger Wirkung die Abschiebung in Ihre Heimat Serbien. Dieser Brief ist ohne Unterschrift gültig.«

Sie ging zum Amt, um ihr Deutschtum amtlich zu beweisen. Aber es half nichts. Erst nach einem wochenlangen Briefwechsel musste das Amt den Fehler eingestanden haben, denn Katja bekam ihren Sozialversicherungsausweis und konnte endlich offiziell arbeiten.

Sie machte ihr Examen und ein Volontariat in einem Verlag. Danach bekam sie keinen Job in Berlin und meldete sich arbeitslos. Was sie denn gemacht habe, wollte man nun auf dem Amt wissen. »Lektoratsassistenz«, sagte Katja wahrheitsgemäß. »Das finde ich hier nicht«, sagte die Sachbearbeiterin hinter ihrem PC und machte ein trauriges Gesicht: »Dann können wir Sie leider nicht vermitteln.«

Tortzdem bekommt sie Arbeitslosengeld. Für einen Job, den es nicht gibt.