Päsidentschafts-Vorwahlen in den USA

Der Kampf um die Köpfe

Gore gegen Bush: Die Vorentscheidung bei den US-Primaries ist gefallen. Nun wird der Kampf gegen die Kriminalität verschärft.

Ein einziger Tag hat für Klarheit gesorgt. Die Präsidentschafts-Vorwahlen in den USA sind entschieden: Albert Gore gegen George Bush, der Stellvertreter des derzeitigen gegen den Sohn des früheren Präsidenten - so lautet das Finale im November.

Wie erwartet, haben der Demokrat Gore und der Republikaner Bush ihre jeweiligen Halbfinal-Spiele am 7. März, dem so genannten Super Tuesday, gewonnen. Zwar sind erst in etwa der Hälfte aller 50 US-Bundesstaaten Primaries abgehalten worden, aber Gore und Bush haben bereits genügend Delegiertenstimmen für die Nominierungsparteitage im August hinter sich. Die verbleibenden Vorwahlen sind nur noch Formsache.

Bei den Demokraten verlief alles planmäßig. Gore, der schon seit seiner ersten Wahl zum Vizepräsidenten vor acht Jahren als William Clintons Kronprinz gilt, hatte Ende Januar die erste Abstimmung in Iowa mit deutlichem Vorsprung vor seinem Herausforderer Bill Bradley gewonnen - und alle anderen Abstimmungen seither auch. Als Bradley am Dienstag letzter Woche nicht mal in New York - wo er früher als Basketball-Profi tätig war und deswegen bis heute sehr populär ist - vorne lag, zog er seine Kandidatur zurück.

Spannender verliefen die ersten sechs Vorwahl-Wochen bei den Republikanern. Hier galt Bush als unangefochtener »Front Runner« - aber weder sein hoher Bekanntheitsgrad noch seine volle Wahlkampfkasse konnten ihn vor einzelnen peinlichen Niederlagen gegen seinen Konkurrenten John McCain bewahren. Erst Bushs klare Erfolge am 7. März - unter anderem in den beiden größten Staaten Kalifornien und New York - sicherten ihm die Nominierung.

Dabei ist die Wahlkampfstrategie der Republikaner gründlich durcheinander geraten. Schon vor einem Jahr hatten die Parteiführung, ihre Geldgeber sowie die wichtigsten Prediger der religiösen Rechten den texanischen Gouverneur George Bush zu ihrem Favoriten gekürt. Der Ex-Präsidenten-Sohn galt als relativ moderat und sollte den Demokraten von Clinton und Gore die politische Mitte streitig machen. Die diversen rechts stehenden Missionare und andere Sonderlinge, die bei den Vorwahlen gegen Bush antreten wollten, wurden als ungefährlich eingestuft. Dennoch gelang es Bush zunächst nur schleppend, die republikanische Parteibasis zu mobilisieren. Also rückte der Gouverneur immer weiter nach rechts.

In die frei werdende Lücke stieß John McCain, ein US-Senator aus Arizona, der noch vor einem halben Jahr als chancenlos gegolten hatte. Der frühere Bomberpilot, der fünf Jahre in nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft verbracht hatte, gilt als knallharter Militarist. Er wechselte jedoch vom rechten Flügel in die Mitte, polemisierte gegen die Parteiführung und gegen die herrschende Parteispenden-Praxis. Vor allem aber legte er sich mit den protestantischen Fundamentalisten an - ein Sakrileg für einen Republikaner. McCain warf den reaktionären Fernsehpredigern Jerry Falwell und Pat Robertson »Intoleranz« und einen »bösen Einfluss auf die Partei« vor. Damit gewann McCain die Sympathien der Massenmedien, von gemäßigten und von nicht-parteigebundenen Wählern, verprellte aber den harten Kern seiner Partei.

Bush hat seine Vorwahl-Siege teuer erkauft, denn für die Stichwahl gegen Gore muss er sich nun wieder aus der Umarmung der Fundamentalisten befreien und in der Mitte Wechselwähler gewinnen. Wie schwer das wird, zeigt beispielsweise Bushs vergebliches Werben um die Stimmen von Latinos (Jungle World, 10/00). In Kalifornien unterlag er am Super Tuesday in dieser Wählergruppe gegen Gore im Verhältnis von eins zu drei.

Hinzu kommt, dass Bush beim Geldsammeln nun fast von vorne anfangen muss. Denn seine Rekordsumme von 70 Millionen Dollar ist bis auf einen kleinen Rest verbraucht. Somit fehlt ihm ein entscheidender Startvorteil gegen den demokratischen Kandidaten. In landesweiten Umfragen hat Bush seinen ursprünglich satten Vorsprung gegenüber Gore eingebüßt. Die beiden Präsidentschaftskandidaten liegen jetzt gleichauf.

Aber bis zum November kann noch viel passieren. Bush wird weiter um Wähler der Mitte und der Rechten werben, zahlreiche Fettnäpfchen stehen schon bereit. Ein Börsen-Crash könnte Gores erfolgreichstes Wahlkampf-Argument - die gute Konjunktur - wertlos werden lassen. Und die Kandidaten kleinerer Parteien können wahlentscheidende Prozente abschöpfen: etwa der Verbraucherschützer Ralph Nader für die Grünen und der Rechtsradikale Pat Buchanan für die so genannte Reformpartei. Beide Parteien werden ihre Kandidaten erst im Sommer benennen.

Ebenfalls Anfang November wird auch der US-Kongress neu gewählt. Im Repräsentantenhaus mit 435 Sitzen würde den Demokraten ein Zugewinn von sechs Mandaten reichen, um wieder die Mehrheit im Parlament zu erhalten. Auch um die Sitze im US-Senat - hier haben die Republikaner eine relativ sichere Mehrheit - wird es heftige Wahlkämpfe geben: einen besonders zugespitzten wohl im Bundesstaat New York, wo Hillary Clinton gegen den New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani antritt.

Ein beherrschendes Thema wird dabei die Kriminalitätsbekämpfung sein. Der frühere Staatsanwalt Giuliani wird zu Recht für die mörderische Hemmungslosigkeit verantwortlich gemacht, mit der die New Yorker Polizei für »Law and Order« sorgt. Dazu geht allmählich auch das liberale Bürgertum auf Distanz, wie die weit verbreitete Kritik an der Erschießung des Immigranten Amadou Diallo durch eine Polizei-Sondereinheit vor einem Jahr zeigt. Die Täter waren Ende Februar von einem Geschworenengericht frei gesprochen worden.

Mit vorsichtiger Kritik an der Brutalität der Polizei versuchen die Demokraten, die Empörung zu besänftigen. Aber in der Sache sind auch sie knallhart. So befürwortet die als »linksliberale Hoffnungsträgerin« stilisierte Hillary Clinton selbstverständlich die Todesstrafe, deren Anwendung ihr Ehemann schon während seiner Amtszeit als Gouverneur von Arkansas in den achtziger Jahren tatkräftig gefördert hat. Und als Präsident setzte Clinton durch, dass die Berufungsmöglichkeiten von zum Tode Verurteilten stark eingeschränkt wurden.

Auch George Bush profiliert sich als Henker. In seiner gut fünfjährigen Amtszeit als Gouverneur hat er in Texas bereits etwa 120 Menschen hinrichten lassen - nur in einem Fall wurde eine Begnadigung ausgesprochen. Ganz anders sein republikanischer Amtskollege aus dem Bundesstaat Illinois: Der dortige Gouverneur setzte im Januar die Vollstreckung von Todesurteilen bis auf weiteres aus. Begründung: Das System sei so fehlerhaft, dass auch Unschuldige hingerichtet werden könnten.

Dies ist leider eine Ausnahme in der allgemeinen Kriminalitäts-Hysterie. Eine weitere Verschärfung droht jetzt in Kalifornien. Dort stand am Super Tuesday auch ein »Gesetz gegen Bandengewalt und Jugendkriminalität« zur Volksabstimmung, es wurde mit Zweidrittel-Mehrheit angenommen. Das Gesetz sieht vor, dass selbst 14jährige künftig nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden können - sogar zur Todesstrafe. Außerdem wird das so genannte Three-Strikes-Gesetz ausgeweitet. Danach erhält ein Mehrfach-Straftäter beim dritten Mal automatisch mindestens 25 Jahre Haft - auch wenn die vorherigen Strafen abgesessen sind und das dritte Vergehen nur eine Bagatelle ist.

Die systematische Verlängerung von Haftstrafen hat dazu geführt, dass landesweit mittlerweile mehr als zwei Millionen Menschen in Knästen einsitzen. Das sind doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Etwa die Hälfte der Gefangenen sind Afro-Amerikaner, die jedoch nur ein Achtel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Dieses Missverhältnis ist vor allem ein Ergebnis des »War on Drugs« - ein Krieg, der sich vor allem gegen die »nutzlosen Esser« richtet, für die es selbst nach acht Jahren Aufschwung keine Perspektive gibt.