»Es gibt keinen Kompromiss«

»Es gibt keinen Kompromiss«

Hohle Worte, viel Unverbindliches und ein neues Polizeigesetz. Wie lange will die PDS die SPD-Regierung in Sachsen-Anhalt noch tolerieren? Ein Interview mit Matthias Gärtner, dem stellvertretenden Fraktionschef im Magdeburger Landtag

Das Magdeburger Tolerierungsmodell funktioniert so gut wie jede andere Länderregierung: Die PDS hat seit April 1998 jedem Gesetzesvorhaben der SPD zugestimmt. Warum sollte es diesmal anders sein?

Weil es bei der Verschärfung des Polizeigesetzes nicht um eine Einzelgesetzgebung geht, sondern um den Abbau von Grundrechten - und um die Form der weiteren Zusammenarbeit mit der SPD überhaupt. Deswegen ist natürlich auch das Magdeburger Modell stark belastet.

Die Vorschläge von Innenminister Manfred Püchel sind seit September vergangenen Jahres bekannt. Warum reagiert die PDS erst jetzt?

Es gibt einen Landesvorstandsbeschluss von November, in dem steht, dass die PDS einem Grund-rechtsabbau nicht zustimmen wird. Auch in den Beratungen mit dem Ministerpräsidenten haben wir das seit dem Frühsommer 1999 immer wieder signalisiert. Aber Teil der SPD-Strategie in Magdeburg ist es eben auch, das Thema so zu problematisieren, dass es zum Stolperstein wird.

Die PDS-Basis steht in weiten Teilen hinter dem SPD-Innenminister Püchel.

Seit Monaten wird in unseren Kreisverbänden über das Polizeigesetz diskutiert. Dabei geht es natürlich auch um Aufklärung; die Kluft zwischen dem Programm der PDS und unserer Wählerschaft ist ja bekannt. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass 40 Jahre DDR tief im Denken der Menschen hier verankert sind: Nicht du hast Grundrechte als Bürger, sondern der Staat gibt dir Grundrechte - und nimmt sie dir wieder. Ich finde es ziemlich frappierend, dass Leute wie Höppner und Püchel diese Mentalität, die sie ja eigentlich ablehnen, benutzen, um das Gesetz durchzubekommen.

Sie haben das Gesetz letzte Woche als »polizeilichen Ermächtigungsparagrafen« bezeichnet. Was müsste sich denn ändern, damit Sie dem Gesetz zustimmen?

Durch das SOG werden einzig und allein Scheinaktivitäten gefördert, mehr Sicherheit wird es dadurch nicht geben. Deshalb werde ich diesem Gesetz in keiner Form zustimmen.

SPD-Fraktionschef Rüdiger Fikentscher hat vorgeschlagen, die umstrittene Video-Überwachung zunächst nur als Modellprojekt einzuführen.

Das ändert für mich nichts. Da alle drei Punkte in dem Gesetz in die völlig falsche Richtung gehen, gibt es für mich keinen Kompromiss - und ich hoffe, dass auch für niemanden in der PDS einen Kompromiss geben wird. Es kann nicht Sinn und Zweck von PDS-Politik sein, Bürgerrechte abzubauen.

Und was ist, wenn die Partei Ihre Hoffnungen enttäuscht? Wird es dann in Magdeburg keinen stellvertretenden PDS-Fraktionsvorsitzenden Gärtner mehr geben?

Es geht hier nicht um persönliche Dinge, sondern um Grundrechte. Diese zu erhalten, ist weiterhin Teil der Geschäftsgrundlage des Magdeburger Modells. Alles andere steht zur Zeit nicht zur Diskussion - für mich zumindest nicht.

Was heißt das? Die Tolerierung geht weiter?

Ja, aber unter erheblichen Belastungen. Wenn die SPD im Bund mit den Bürgerrechtsabbauern aus CDU und DVU das Gesetz verabschiedet, stellt sie doch nur unter Beweis, dass man mit ihr nicht seriös zusammenarbeiten kann.

Tolerieren kann man sie aber schon?

Ich habe zur Kenntnis zu nehmen, dass eine Mehrheit in der PDS weiter mit der SPD zusammenarbeiten will. Doch ich gebe zu bedenken, dass die SPD nicht nur in Magdeburg, sondern auch in Schwerin versucht- dort in einer eher marginalen Frage -, die Kooperation mit uns zu beenden. Die SPD verfolgt diese Strategie ja nicht nur in Sachsen-Anhalt.

Während die PDS hier noch enger kooperieren will.

Ja, aber in einer verbindlicheren Form als bisher. In wichtigen Fragen darf künftig einfach nicht mehr gegeneinander gestimmt werden. Das waren bislang wohl nur hohle Worte der SPD.

Ansonsten könnten die Absprachen zwischen Ihnen doch nicht verbindlicher sein. Ein Arbeitsplan für den Rest der Legislaturperiode steht, in über 60 Vorhaben soll Konsens herrschen. Da wird die PDS es doch auf ein Gesetz nicht ankommen lassen ...

Zum einen sind diese 60 Punkte noch nicht zu Ende verhandelt. Das soll erst auf einer Klausurtagung Mitte April geschehen. Zum andern muss der Umgang mit dem Polizeigesetz geregelt werden. Wie, das werden wir in den nächsten Tagen und Wochen diskutieren.

Liberaler wird es dadurch sicherlich nicht.

Deshalb wird es auch keinen Kompromiss mit der SPD geben.

Wieso wollen Sie denn dann enger mit ihr zusammenarbeiten? Nach der Tolerierung kann doch nur noch die Koalition kommen.

Ich bin kein Anhänger einer Koalition. Schließlich hat die SPD schon in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt, dass sie sich selbst an eindeutig geregelte Vorhaben des Koalitionsvertrages nicht hält. Das ist doch das Grundproblem.

Warum suchen Sie sich dann nicht einfach neue Partner?

Man könnte natürlich sagen, das Tolerierrungsmodell in der bisherigen Form ist gescheitert - und wir kommen zu einem Zustand zurück, wie wir ihn 1994/95 schon einmal hatten: freie Mehrheitssuche im Landtag. Ob das ein Konzept ist, bis 2002 weiterzumachen, halte ich allerdings für fraglich.