Der »Club 88« in Neumünster

Im T-Hemd an den Tresen

Der »Club 88« in Neumünster ist nicht nur ein überregionaler Nazi-Treff. Die Betreiber versuchen auch, Jugendliche aus der Umgebung zu rekrutieren.

Der Name ist Programm: »Heil Hitler - der allerletzte Ausweg«. Beim »Club 88 - the very last resort« in Neumünster steht trotz des undeutschen Labels deutsche Kultur hoch im Kurs: Komasaufen, Fußball, Skinhead-Bands.

Vor über drei Jahren hat das Nazi-Zentrum seine Pforten geöffnet. Die Szene suchte nach einem Ersatzobjekt, nachdem die rechte Kneipe »Zum Kelten« in Itzehoe wegen Protesten dichtmachen musste. Da bot sich der Laden im Stadtteil Gadeland des rund 30 Kilometer entfernten Neumünster geradezu an: Das Quartier galt bereits in den achtziger Jahren als rechte Hochburg.

Weil man sich in Gadeland so richtig wohl fühlt, hat der Club auch fast jedes Wochenende geöffnet. Sind die Betreiber mal nicht in Hamburg-Bergedorf oder in Kiel bei den Aufmärschen des Nationalen Widerstandes, treffen sich die Neumünsteraner Kameraden bei Rechtsrock und Skinhead-Musik zum Bierchen im Hitler-Club. Schön ist es, wenn dann auch mal ein Anwohner vorbeischaut.

Die richtige Stimmung kommt aber erst bei den Konzerten im Clubhaus auf: Mit »einer schönen Ballade zu Ehren der Waffen-SS« begann der Rostocker Liedermacher André Lüders seinen Live-Auftritt im letzten September. Die Kameraden waren begeistert.

Nicht allein der Geist, auch der Körper will gestählt werden: Hin und wieder trifft sich der Verein ETSV Gut Heil auf dem Sportplatz zum gemeinschaftlichen Fußballspielen. Mehr als 100 begeisterte Teilnehmer konnten für das erste Skinhead-Fußball-Turnier im August 1999 mobilisiert werden.

Der Club hat noch mehr zu bieten: Hier können die Kameraden auch ihren täglichen Bedarf an CDs und Fanzines, Schirmmützen und T-Hemden - wie T-Shirts dort genannt werden - befriedigen. Bei diesem umfangreichen Kultur- und Politikangebot ist es kaum verwunderlich, dass der Club mittlerweile zu einem Zentrum der norddeutschen Neonazi-Szene geworden ist.

Die Konzession für den Laden besitzt seit 1996 Christiane Dolscheid. Sie fungiert auch als Ortsgruppenleiterin des Skingirl-Freundeskreises Deutschland und schreibt für das Skingirl-Fanzine Walküre. Zu Beginn des Projekts kümmerte sich neben Dolscheid, die auch bei der Sanitätsgruppe Braunes Kreuz für die Kampfgefährten sorgt, der Nazi-Schläger Tim Bartling um die Club-Geschäfte.

Bartling wurde später von dem Hamburger Jan Steffen Holthusen abgelöst. Holthusen ist Mitarbeiter bei dem Neonazi-Fanzine Hamburger Sturm (HS) und hält die Kontakte der Club-Szene zum Aktionsbündnis Norddeutschland um das Hamburger Nazi-Duo Thomas Wulff und Christian Worch. Gemeinsam mit Peter Borchert aus Flensburg, der wegen schwerer Körperverletzung und versuchtem Totschlag vorbestraft ist, wurde Holthusen auch häufiger bei NPD-Wahlkampf-Veranstaltungen gesehen.

Die anfangs lose Skinhead- und Hooliganszene um den Club tritt mittlerweile als Sturm Neumünster auf, der fest in die regionalen Neonazi-Strukturen eingebunden ist. Gut erkennbar an den Schriftzügen »Club 88« oder »The very last resort« auf ihren »T-Hemden«, nehmen die Neumünsteraner Nazi-Skins bei den Aufmärschen der Freien Nationalisten ebenso gerne teil wie bei Konzerten der militanten Blood & Honour Sektion Nordmark oder Veranstaltungen der aggressiven Hammerskins.

Man kennt die Kameraden aus Neumünster und weiß deren Engagement zu schätzen: Die Herausgeber des HS preisen den Club als »unser Sturmlokal« und die Bremer Naziband Aussetzer lobt in dem antisemitischen Hetzblatt Zentralorgan den Treff: »Nette Wirtsleute, leider etwas klein.«

Bei der Feier zum dreijährigen Bestehen des Clubs im Oktober 1999 kamen Skinheads und Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet nach Neumünster. »Es wurde kräftig gepogt und gefeiert«, erzählten Christoph und Jonny von der Blood & Honour-Sektion Nordmark im Hamburger Sturm. »Die 100 Liter Freibier waren viel zu schnell alle«, wussten die beiden Besucher über die Feier zu berichten, »aber das war ja auch kein Wunder, bei knapp 200 anwesenden Kameraden (die auch aus) den Niederlanden und der Schweiz« angereist waren.

Doch nicht nur Rechtsextreme sollen sich in dem Club wohlfühlen, gezielt werden auch Jugendliche aus dem Stadtteil angesprochen. Mit Erfolg: »Wo soll man denn sonst hingehen?« fragt eine junge Frau, »hier ist doch sonst nichts los.« »Die sind okay«, fügt ein anderer Jugendlicher auf Nachfrage hinzu.

»Der Club wird eigentlich akzeptiert«, warnt Andrea Storke, die für Bündnis 90/Die Grünen im Rathaus sitzt. Auch die Schulleitung und der Elternrat der Grund- und Hauptschule in unmittelbarer Nähe des Nazi-Treffs sind besorgt. Sie weisen darauf hin, dass von den »Aktivisten der Kneipe Einfluss auf Jugendliche an der Schule oder im benachbarten Jugendheim« ausgeübt wird.

Um an die Jugendlichen besser heranzukommen, sind die Betreiber des Clubs durchaus zu Konzessionen an das verhasste System bereit: Mit dem Hinweis, man wolle keine »Argumentationshilfe für rechte Gewalt« geben, wird in der Club-Szene in Neumünster explizit auf »militante Aktionen« verzichtet. Dieses Zugeständnis lohnt sich: Die Aktivitäten der Club-Szene seien »nicht mit polizeilich relevanten Auswirkungen verbunden«, verharmloste zuletzt auch SPD-Stadtrat Günter Humpe-Waßmuth die rechtsextremen Rekrutierungsversuche unter Jugendlichen im Stadtteil. Er musste dennoch einräumen, »dass aus der rechten Szene Kontakte zu Jugendlichen gesucht werden«.

Deutlicher wird Andrea Storke: »Die Stadt tut nichts.« Früher schon hatte die Grünen-Politikerin versucht, den Club zu einem Politikum in der Stadt zu machen. »Es mangelt bei den Funktionsträgern am Bewusstsein.« Denn diese meinen, die Besucher des Clubs »trinken dort nur Bier und spielen Fußball«.