»Dogma«

Gott spielt Minigolf

In »Dogma« predigt Kevin Smith Katholizismus und beißt sich dabei auf die Zunge.

Zwei Engel passieren einen Flughafenterminal. Bartleby und Loki wurden aus dem Himmel verstoßen. Vor einigen Tausend Jahren. Nach Wisconsin. Sie plaudern über ihre grandiose Auslöschung von Sodom und Gomorra, wie Gott sie verbannte, weil sie das Strafen leid waren, und wie sie nun endlich nach Tausenden von Jahren durch ein Schlupfloch wieder in den Himmel heimkehren könnten. Während die beiden derart Gewichtiges erörtern, hüpft im Hintergrund ein Mann mit einem Plastikkäse auf dem Kopf hinter einem Wagen voller Käse umher und streckt grinsend die Käsescheiben in seinen Händen den Fluggästen entgegen.

»Dogma« ist ein Kevin-Smith-Film, und deshalb ist der »Käsemann« noch einer der leichteren Gags. Es gibt da auch noch den Scheiß-Dämonen aus den Exkrementen der auf Golgatha Gekreuzigten und einen Gott, der eine Frau ist und das Minigolfspiel liebt. Derart Skurriles ist man von Smith bereits gewöhnt. In seinem Debütfilm »Clerks«, den Smith 1994 für knapp 30 000 Dollar drehte, hat ein Mädchen auf einer Toilette Sex mit einem Toten. Sie hält die Leiche für ihren Freund, weil auf dem Klo des Supermarkts das Licht kaputt ist. Der tote alte Mann hatte ein paar Pornohefte mit auf Klo genommen, was ihn überforderte und in entsprechendem Zustand zurückließ.

Der Käsemann ist typisch für »Dogma«. Hier sind die Gags zurückgenommen. Während die Slacker in »Clerks« ohne Unterbrechung über Oralsex, »Rückkehr der Jedi Ritter« und die Neun am Ende aller Preise reden, geht es in »Dogma« um Comics, Gott und Glauben. Die gefallenen Engel Bartleby und Loki können ins Himmelreich zurückkehren, indem sie durch die geweihten Pforten einer Kirche in New Jersey schreiten, was die Vergebung aller Sünden verspricht. Nur würde das auch das Ende der Welt bedeuten, denn das Dogma besagt die Unfehlbarkeit Gottes. Kehren die beiden verstoßenen Engel also ins Paradies zurück, fällt die Menschheit vom Glauben ab. Das soll Bethany Sloane, die letzte Blutsverwandte Christie, die heute in einer Abtreibungsklinik arbeitet, verhindern. Maria und Josef hatten nicht nur ein Kind, sondern viele andere befleckte Geburten, und Bethany ist eine der vielen Schwestern von Jesus. An ihrer Seite kämpft der dreizehnte Apostel, Rufus. Er wurde von religiösen Dogmatikern aus der Bibel gestrichen, weil er schwarz ist. Beide haben den Auftrag Gottes, das Schlimmste zu verhindern.

Zwei aus »Clerks« bekannte Figuren kämpfen Seite an Seite mit der Verwandten Christie und dem Apostel für die Errettung der Welt: Die Drogendealer Jay und Silent Bob. Und noch etwas hat sich Smith aus alten Tagen bewahrt: einfache Bilder. »Clerks« zeigt Leute, die reden, frontal gefilmt, in Schwarz-Weiß. »Dogma« fehlt diese Kevin-Smith-typische Lässigkeit. Wir sehen Engel Loki frontal gefilmt seine Schwingen ausbreiten. Engelsflügel, geschaffen von denselben Effektdesignern, die auch »From Dusk Till Dawn« aufpeppten. Man sieht tolle Flügel und denkt: Engel. Aber so einfach ist das nicht. Engelsflügel, die wackeln und sogar bluten, wenn man draufschießt, nackte Apostel, die vom Himmel fallen, Dämonen, die aussehen und riechen wie welche. Sinnhaftigkeit durch Special Effects, aufgepeppt durch den einen oder anderen Gag. Das funktioniert nicht.

In »Clerks« war das Slackertum der Generation X verkörpert, weil die Kamera einfach entspannt und direkt draufhielt. Aber wenn in »Dogma« Bethany ernsthaft erzählt, wie schwer es für sie ist zu glauben, weil Gott es ihr verwehrte, Kinder zu bekommen, aber sie dann eigentlich doch glaubt; wenn der dreizehnte Apostel bedeutungsschwer den Gemeinplatz ausplaudert, dass nicht Gott, sondern die Kirche schlimm ist, weil sie den Glauben zum Dogma gemacht hat - da fühlt man sich doch an einen alternativen Kindergottesdienst erinnert.

Allerdings ist Smith ein Prediger der besonderen Art, was den Film davor bewahrt, richtig peinlich zu werden. Während der Regisseur sein Glaubensbekenntnis vorbetet, beißt er sich ständig auf die Zunge. Konkret wird das in der Figur des Kardinal Glick, der zu Beginn des Films seine Kampagne »Katholizismus - Wow!« startet. Er enthüllt einen neuen »hoffnungsvoll stimmenderen« Christus. Statt am Kreuz zu hängen, steht dieser lässig herum, schiebt seinen Daumen hochgestreckt vor und grinst kumpelhaft mit zugekniffenem Auge. Die Ironie im realen Leben ist, dass ausgerechnet die mächtige, amerikanische Catholic League Smiths »Katholizismus - Wow!»- Film missverstand und Disney dazu zwang, ihn aus dem Verleih zu nehmen.

»Dogma«, USA 1999. R: Kevin Smith; D: Ben Affleck, Matt Damon, Linda Fiorentino. Start: 20. April