Deutsche Konjunktur und der Euro-Sturz

Goldlegierter Export-Joker

Von Jubelstürmen war seine Einführung begleitet worden, er war das Geldsymbol der Europäischen Einigung. Nun kränkelt er, der Euro: um gut 20 Prozent hat die Währung in den letzten 16 Monaten gegenüber dem Dollar an Wert verloren und sorgt damit für Ratlosigkeit und verletzte Eitelkeiten.

»Eine Währung riskiert ihren Ruf« titelt die Süddeutsche Zeitung und beschreibt damit die Befindlichkeiten der deutschen Bourgeoisie. Die Ursachen an der Misere sind schnell gefunden: Hohe Sozialleistungen, mangelnde Flexibilisierung, hohe Löhne - die objektiven Interessen der Lohnabhängigen also.

Ein tolles Argument. Doch inzwischen hat sich eine zweite Front aufgetan: Seit jeher steht und fällt die deutsche Konjunktur mit dem Wachstum ihrer Exporte. Und nun bilden gerade die Exporte den Motor der sich langsam erholenden Konjunktur. Einigkeit herrscht darüber, dass der schwache Euro die Basis dieses Erfolges bildet.

Peinlich für die Wortführer des so genannten Strukturumbaus. Schließlich forderten diese immer Deregulierung und Sozialabbau und machten mangelhaften Fortschritt in diesen Bereichen für die Schwäche des Euro verantwortlich. Genau diese Schwäche bedingt nun das Erstarken der deutschen - und der europäischen - Konjunktur. Wenn diese sich aber nun erholt, und wenn der schwache Euro der wichtigste Grund dafür ist: Warum dann das Geschrei?

Fast die gesamte deutsche Industrie exportiert einen Teil ihrer Waren und hat deshalb Interesse an unterbewerteten Währungen. Solange die Inflation nicht zum Problem wird, ist sie deshalb an niedrigen Zinsen interessiert. Einzelne Branchen sind aber zugleich stark von Importen abhängig, was ihre Neigung zu unterbewerteten Währungen wiederum etwas schälert.

Auf der anderen Seite steht das Finanzgeschäft: Die Banken, die Versicherungen, die großen Investitionsfonds, die Summe der Geldbesitzer also, deren Interesse in einer möglichst harten Währung liegt. Sie fordern kräftige Zinserhöhungen, um so die Nachfrage nach Euro zu steigern und dessen Außenwert zu erhöhen. Zugleich führt diese Trennung in Industriekapital einerseits, Finanzkapital andererseits in die Irre, weil vor allem die großen Konzerne sich in beiden Bereichen bewegen.

Diese vielschichtigen Strukturen und Interessenslagen bilden den eigentlichen Hintergrund beim Streit um die »richtige« Wirtschaftspolitik. So gesehen ist es kein Zufall, wenn das keynesianistisch orientierte Deutsche Wirtschaftsinstitut (DIW) Zinssenkungen verlangt, weil es sich davon industrielles Wachstum und dadurch Jobwachstum erwartet, während die Chefökonomen der Banken höhere Zinsen einfordern - und sie wohl auch bekommen. Sie vertreten ihre Interessen, mehr nicht.

Der Vorteil an der gegenwärtigen Situation von fallendem Euro und sich erholender Konjunktur liegt in der Tatsache, dass es den Verantwortlichen nun etwas schwerer fallen wird, den mangelnden Sozialabbau für eventuelle wirtschaftliche Schwierigkeiten verantwortlich zu machen.

Im übrigen sind die Ursachen des schwachen Euro nur sehr bedingt im mangelnden Deregulierungseifer zu finden. Schließlich fällt der Euro vor allem in Relation zum Dollar, der einerseits durch die Unsummen an Kapital, die in die amerikanischen Aktienmärkte fließen, andererseits durch seine Funktion als Quasi-Weltgeld enorm gestärkt wird. Andererseits fällt der Euro auch in Relation zum japanischen Yen, der Währung einer stockenden und geschützten Wirtschaft, deren Aufwertung Folge riesiger Handelsbilanzüberschüsse und nicht von Deregulierung ist.