Finanzierungsmodelle für die Hochschulen

Mit CHE fürs Kapital

Studiengebühren fordert nicht nur der Grüne Matthias Berninger. Ein kleiner Leitfaden durch die verschiedenen Finanzierungsmodelle.

Die Ersten wollen ihn schon aus der Partei ausschließen. »Ich denke, wir sollten es nicht immer nur bei Protestmails etc. belassen«, beschwerte sich Ende April ein Werner Schmidt aus Mittelfranken im Mail-Verteiler der Grünen-Dissidenten-Gruppe Basisgrün »über die neoliberalen Ideen einiger MdBs«. In Kürze schon werde er ein Parteiausschlussverfahren gegen die Exponiertesten der Marktradikalen einleiten, drohte der Grüne. Ganz oben auf seiner Liste: Matthias Berninger. Dessen Vergehen: die Forderung nach der Einführung von Studiengebühren.

Anfang April hatte sich der bildungspolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion im Focus erstmals für den Bruch des bisherigen grünen Tabus ausgesprochen. Doch was für das studentische Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) »ein Schlag ins Gesicht« war, ist für Berninger schlicht konsequent. Schließlich ist seit Herzogs bildungspolitischer »Ruck»-Rede 1998 allen klar: Es muss sich etwas ändern in der deutschen Hochschullandschaft.

Im Kern geht es bei der so genannten Bildungsdebatte um die Durchkapitalisierung der Hochschulen, wie eine vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) jüngst vorgelegte Studie zeigt, in der die Rendite einzelner Studiengänge errechnet wurde. Verdienstausfällen während des Studiums sind in dem Papier erwartbare Mehreinnahmen nach dem Studium gegenübergestellt. Als Vergleichsgröße wurden die Einnahmen von AbiturientInnen ohne anschließendes Studium herangezogen.

Berninger gehörte zu den Ersten, die seiner Partei eine Rendite-orientierte Neugestaltung des deutschen Hochschulwesens schmackhaft machen wollten. So übernahm und modifizierte er im Bereich der individuellen Bildungsfinanzierung (Bafög, Kindergeld, Ausbildungsfreibeträge) schon Mitte der neunziger Jahre das Modell »Ausbildungskasse« des damaligen Oldenburger Uni-Präsidenten Michael Daxner. Unter dem Namen Baff (Bundesausbildungsförderungsfonds) propagiert er seither ein verzinstes Volldarlehen, das alle StudentInnen beanspruchen können sollen. Unter einer - einschneidenden - Bedingung: Auf gezielte Förderung von StudentInnen aus unteren Einkommensschichten - dem mit der Einführung des Bafög 1972 verfolgten Ziel - wird dafür verzichtet.

Im innerparteilichen Streit um die Studienförderung verweisen Kritiker Berningers immer wieder auf die Nähe seines Baff-Modells zum Konzept des Centrums für Hochschulentwicklung. Dessen Leiter, Detlev Müller-Böling, hatte gemeinsam mit dem Deutschen Studienfonds zur Qualitätssicherung der Hochschulen (DSF) schon frühzeitig für Studiengebühren plädiert. Doch während Berninger noch 1997 im Bundestag mit einem Antrag gegen Studiengebühren für seine Prinzipienfestigkeit werben wollte, erweist sich sein Nein im Rückblick als rein taktisch motiviert: Er wollte sein Studienfinanzierungsmodell innerparteilich durchsetzen. Dabei war Berningers Ablehnung schon 1997 äußerst verdächtig: Studiengebühren trügen nicht zur Wettbewerbsfähigkeit und zur Qualität der Lehre bei, argumentierte er damals.

Kein Wunder, dass sich die Vorstellungen Berningers mit dem Modell »Studienkonto« des rheinland-pfälzischen Bildungsministers Jürgen Zöllner gut vertragen. Demnach sollen so genannte Langzeit-StudentInnen nach Überschreiten der Regelstudienzeit zur Kasse gebeten werden; das CHE-Modell hingegen sieht eine generelle Zahlungspflicht schon vom ersten Semester an vor. Allen Konzepten gemein ist der Wunsch nach einer grundsätzlich marktorientierten Restrukturierung der Hochschulen. Auch die inzwischen vom CHE und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft vorgeschlagene Kombination von individueller Investitionsförderung (InvestiF) als Bafög-Ersatz und einer institutionellen Finanzierung namens »Geld folgt Studierenden« (GefoS) folgen den bündnisgrünen Ansätzen.

Doch ebenso wie die Erzieher-Gewerkschaft GEW, das Deutsche Studentenwerk (DSW) und der freie zusammenschluß von studentInnenschaften (fzs), die Gebühren ablehnen, weil sie nicht zur gerechteren Finanzierung der Hochschulen beitrügen und zudem Studierwillige aus unteren Einkommensschichten vom Studium abschreckten, argumentieren auch die BefürworterInnen sozialpolitisch. So halten der CHE-Vorsitzende Müller-Böling ebenso wie der Ex-Chef der Erfurter Universität, Peter Glotz (SPD), den KritikerInnen entgegen, dass es viel ungerechter sei, wenn junge Facharbeiter oder Jungverkäuferinnen die Studienkosten für gleichaltrige Mediziner-Söhne oder Manager-Töchter bezahlten. Eine im Auftrag des Studentenwerks erstellte Studie hält diese Verteilungswirkung »von unten nach oben« jedoch für »nicht belegt und nicht belegbar«.

Schuld an der Bildungsmisere sei vielmehr, widersprechen dem die Gebühren-Freunde, ein veraltetes Leitbild, das Universitäten entweder als nachgeordnete Behörde des Staates oder als Gruppeninstitution behandele. In beiden Fällen mangele es an Selbstverantwortung sowohl der Institution als auch der StudentInnen, appellieren sie zugleich an die deutsche Standortgemeinschaft, für die schließlich alle Verantwortung zu tragen hätten.

»Die Universitäten müssen sich als Dienstleister und die Studenten als Kunden verstehen«, outete sich denn auch Berninger im Focus als Anhänger des neuen universitären Leitbilds. Für Torsten Bultmann, Geschäftsführer des Bundes demokratischer WissenschaftlerInnen (BdWi), ist ebenfalls klar, was Berninger und seine Partei wollen: die »standortgerechte Dienstleistungshochschule«.

StudentInnen würden künftig, so Bultmann, eine Art Vertrag mit den Hochschulen schließen, der ihnen gegen Gebühren eine Ausbildung garantierte. Damit sich die Geldleistungen auch rentierten, können sich die künftigen AkademikerInnen ihre Hochschulen selbst aussuchen - und Leistung gegen Bares fordern. Da die Hochschulen aber im Rahmen von Globalhaushalten vom Staat alimentiert würden, dürfte dieser auf ein Mitspracherecht bei der Auswahl der StudentInnen pochen - was neben dem Abitur auf eine weitere Zugangsbeschränkung hinausliefe. Die Autonomie der Hochschulen wäre dann endgültig auf die KonsumentInnen-Souveränität beschränkt.