Expo-No-Kampagne

Widerstand blockiert

Emanzipierte Verantwortungslosigkeit und Visionen globalisierter Bewegung im Hannoveraner Expo-Widerstand.

Wer zur Aktionswoche nach Hannover kommt, sollte dem angekündigten Konzept folgen und sich tatsächlich auf eigene Strukturen verlassen. Weil die anstehende Woche nicht nur politisch ein Desaster zu werden droht, sondern um die Sicherheit der in mangelhaft organisierte Strukturen anreisenden FreundInnen und GenossInnen gefürchtet werden muss, sehen wir uns als Teil der revolutionären, undogmatischen radikalen Linken gezwungen, über den Zustand des autonomen Expo-Widerstands in Hannover aus unserer Sicht aufzuklären - und das nicht als Entsolidarisierung oder gar Denunziation, sondern in Solidarität zum Expo-Widerstand und Anti-Expo-Plenum.

Seit Anfang 2000 existiert in Hannover das Anti-Expo-Plenum. Es bildet den Rahmen für eine Hand voll etablierte AktivistInnen und eine weit größere Zahl an widerständischem Nachwuchs. Die drängende Zeit zwingt das Plenum zur Eile und verhindert Aufklärung wie Diskussion. Pragmatisch wird sich ausschließlich auf die Bewältigung der Aktionswoche vorbereitet, das aber mit Begeisterung. Nichtsdestotrotz mangelt es an Personal und Erfahrung. Ein gesellschaftspolitisches Ziel findet sich in keiner der bisher angekündigten Aktionen wieder. Der Expo-Widerstand hätte eigentlich seinen Bankrott zu erklären.

Die Kampagne gegen die Expo ist die dauerhafteste aller autonomen Kampagnen. Seit 1989 haben verschiedenste hannoversche Gruppen an ihr teilgenommen. Im Lauf der Neunziger veränderte sich jedoch mit abnehmendem öffentlichem Interesse und positiv gewendeter Meinung zur Expo der Widerstand inhaltlich wie personell. Ende 1998 ließ sich bereits feststellen, dass der Expo nur noch innerhalb bestimmter Teilbereichskämpfe höhere Bedeutung beigemessen wurde. Schon in dieser Phase wurde über die gesellschaftspolitische Einordnung der Ausstellung und die davon abhängige Praxis für das Jahr 2000 konträr diskutiert. Eine erneute Etablierung des Expo-Widerstands scheiterte trotz teilweise verzweifelten Anstrengungen, aber letztlich nicht an den Konflikten, sondern an Interesselosigkeit und Ablehnung durch die hannoverschen Restlinken. Das Potenzial der Expo, die einzelnen notwendigen gesellschaftlichen Kämpfe der Linken zu verknüpfen, hatte keine ausreichende Ausstrahlungskraft mehr. Wir sind an unserer Kraftlosigkeit gescheitert. Eine demonstrativ zur Schau gestellte Stärke ist Theater und unverantwortlich.

Das anvisierte Ziel, gesellschaftlich relevante Kämpfe zusammenzuführen, in denen sich die Betroffenen selbst repräsentieren, hätte erfahrungsgemäß einen organisatorisch-politischen Vorlauf von mindestens einem Jahr gebraucht. Über eine subkulturelle Geste hinaus mit MigrantInnen, Lohnabhängigen, Erwerbslosen, SozialhilfeempfängerInnen, Flüchtlingen, Obdachlosen und »Behinderten« zusammenarbeiten und -kämpfen zu wollen, war einmal gesetztes Ziel. Stattdessen werden diese Gruppen einmal mehr bloß zitiert. Die substanzielle Unfähigkeit der undogmatischen radikalen deutschen Linken für ein solches Vorhaben wurde 1999 in Köln bestätigt. Das weitgehende Ignorieren des Nato-Krieges gegen die BR Jugoslawien bekräftigte eindrucksvoll den Entschluss, in einem solchen Zustand zu verharren.

Zwei Dinge ergaben sich für uns daraus: Erstens, eine Zäsur, ein Innehalten ist allgemein notwendig. Und zweitens sollte die Linke die Expo vor allem als Kristallisationspunkt für Reflexion und Debatte nutzen und auf überstürzte Massenaktionen verzichten - will sie sich nicht an den Verhältnissen blamieren. Eine einmalige Großdemonstration hätte die Ausnahme bilden können.

Die Mobilisierungszeitung Expo-No! titelt mit Worten wie: »Seattle hat gezeigt, dass Widerstand machbar ist.« (s.o.) Die Ereignisse in Seattle werden als anleitendes Spektakel vereinnahmt, als seien sie ein ortloses, transferierbares Phänomen, das den US-AmerikanerInnen nur zufällig als Erste in den Schoß gefallen ist. Es wird eine entgrenzte Widerstands-Globalität gefeiert, die sich in ihrer Fiktionalität in nichts von der halluzinierten Eine-Welt-Globalisierungs-Ideologie des neoliberalen Kapitalismus unterscheidet. Widerstand wird imitiert. Wir haben ihn ja im Fernsehen gesehen und wissen wie er aussieht.

Man benötigt nicht einmal ein Dutzend entschlossene Leute, um mehrere entscheidende Bahnen lahm zu legen. Eine schöne direkte Aktion erfreut das Herz. Bindungslos und freischwebend bleibt sie aber politisch folgenlos.

Kommt am 27. Mai ganz eigenverantwortlich zur Demo. Den Rest überlegt euch gut.

m.a.d., mamba und rote kornstrasse

Der Text wurde von der Redaktion gekürzt und leicht überarbeitet.