Wirtschaftspolitik von FPÖVP

Freiheitlich fürs Kapital

In der Wirtschafts- und Sozialpolitik setzt die schwarz-blaue Koalition in Österreich auf beschleunigte Deregulierung.

Sie selbst beschreibt sich gerne als »Partei des kleinen Mannes«. Die Mehrheit der österreichischen Öffentlichkeit gibt ihr Recht: Ja, sie sei die neue Arbeiterpartei. Und tatsächlich wählten bei der Nationalratswahl im Oktober 1999 große Teile der traditionellen Kernschichten der ArbeiterInnenklasse die FPÖ. Soweit der erste Blick.

Auf den zweiten Blick, und das ist der auf die faktische Politik, verkehrt sich das Bild ins Gegenteil. Die wirtschaftspolitische Ausrichtung der FPÖ ist, wie bei vielen rechtsextremen Parteien, neoliberal und deckt sich durchaus mit den Interessen der Unternehmen.

Es verwundert nicht, dass die ersten blau-schwarzen Schritte in der Wirtschaftspolitik auf eine Umverteilung von unten nach oben abzielen, ganz so, wie es sich etwa die Unternehmer, Freiberufler und Manager, die neben den abhängig Beschäftigten die Wählerschaft der Haider-Partei hauptsächlich bilden, vorgestellt hatten.

So betreibt die neue Regierung den schon unter Rot-Schwarz begonnenen Sozialabbau weiter: Die Unternehmen wurden durch die Senkung der Beiträge zu Unfall- oder Arbeitslosenversicherung von zahlreichen Lohnnebenkosten befreit und konnten so insgesamt rund 20 Milliarden Schilling (1,4 Milliarden Euro) einsparen. Die privaten Haushalte müssen hingegen vermehrte Kosten tragen: Erhöht wurden bisher die Energie-, die Kfz- sowie die Tabaksteuer; zugleich wurden die Arbeitslosenunterstützung und die Zivildienstgelder verringert. Über diese Steuererhöhungen und Leistungskürzungen wurden dem Fiskus wieder 14 Milliarden Schilling zugeführt.

Obwohl die Partei wegen ihres extremen Nationalismus von Teilen der Wirtschaft immer noch vorsichtig betrachtet wird, ist innerhalb der FPÖ und in ihrem Umfeld ein Netzwerk bedeutender österreichischer Industrieller entstanden.

An vorderster Stelle steht dabei Thomas Prinzhorn, Papier-Industrieller und zweiter Nationalratspräsident für die FPÖ, der immer wieder in der Öffentlichkeit durch seine Statements auffällt (»Wenn ein Asylant in dieses Land kommt, kriegt er vom Sozialamt Medikation, die der Inländer nicht bekommt, und zwar alles gratis ...«). Als neoliberaler Hardliner beeinflusst er auf wirtschafts- und sozialpolitischer Ebene die Politik der FPÖ, vor allem die von FPÖ-Finanzminister Karl-Heinz Grasser.

Auf viel Widerstand in der Partei stößt Prinzhorn dabei nicht, kommen doch die meisten FPÖ-Abgeordneten aus den oberen Gesellschaftsklassen - Unternehmer, Manager, Rechtsanwälte. Schließlich war es auch innerhalb der ÖVP in erster Linie der Unternehmerflügel, der sich für die Koalition mit der FPÖ eingesetzt hatte.

Mit ihrer Wirtschaftspolitik bricht Schwarz-Blau mit dem bisherigen korporatistischen Gesellschaftsmodell in Österreich. Weit stärker als in Deutschland zielte hier die institutionelle Einbindung der Gewerkschaften darauf ab, zu verhindern, dass die gesellschaftlichen Konflikte in organisierter Form ausgetragen werden - und das mit Erfolg. Es war unter anderem dieser gesellschaftliche Konsens - seit 1950 kam es zu keinem Streik mehr -, der der österreichischen Wirtschaft zu ausgezeichneten Wachstumsraten verhalf, von denen auch die Lohnabhängigen profitierten. Offensichtlich ist heute aber diese Form der Sozialpartnerschaft nicht mehr adäquat, um die gewünschte Deregulierung durchzusetzen.

Zuerst wird versucht, die institutionelle Verankerung der Sozialpartnerschaft auszuhebeln, also die Bedeutung der Arbeiterkammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) einzuschränken und den sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Einfluss auf den immer noch starken staatlichen Sektor zu mindern. In den letzten Wochen wurde zum Beispiel ein Großteil des Managements der ÖIAG (Holding für die staatliche Industrie) abgesetzt und durch Parteigänger der FPÖ ersetzt. Zusätzlich sollen die gesetzlichen Beitragszahlungen an die Arbeiterkammern reduziert werden.

Schließlich sollen nicht nur Gewerkschaften und Arbeiterkammer geschwächt werden, sogar das Arbeitsministerium wurde zum ersten Mal nach 1945 in das Wirtschaftsministerium überführt.

Die neue Regierung deutet schon an, was folgen könnte: Angriffe auf das zentrale gewerkschaftliche Arbeitsfeld, den Flächenkollektivvertrag, wie bereits im Programm von 1997 gefordert. Von »zentralistisch-bürokratischen Kollektiv-Verträgen« war da die Rede, die tendenziell durch »Betriebsverfassungen« und »betriebliche Partnerschaft« ersetzt werden sollten.

Herbert Schui, Autor mehrerer Bücher über die extreme Rechte, beschreibt diese Wirtschaftspolitik so: »Das Ziel ist insgesamt, arbeitsrechtliche, arbeitszeitliche und lohnpolitische Standards abzuschaffen, um die abhängig Beschäftigten vom 'Gewerkschaftsmonopol' zu befreien und dem freien Markt als rechtlose beziehungsweise wehrlose Individuen zuzuführen.«

Ob sich die FPÖ damit auch weiterhin als Partei der abhängig Beschäftigten präsentieren kann, scheint zumindest zweifelhaft. In den letzten Monaten musste sie bei den in einigen Bundesländern abgehaltenen Betriebsrats- bzw. Arbeiterkammerwahlen zum Teil sehr empfindliche Einbußen hinnehmen, während die SPÖ deutlich zulegen konnte. Je mehr sich die wirtschafts- und sozialpolitischen Hardliner in der FPÖ durchsetzen, desto stärker werden ihr vermutlich bei den kommenden Wahlen die Stimmen aus den unteren Schichten verloren gehen. Es sei denn, der FPÖ gelingt es, diese drohenden Verluste durch eine verschärfte nationalistische Mobilisierung zu kompensieren. Viel wird deshalb davon abhängen, ob die durch Proteste und Demonstrationen begonnene Repolitisierung der österreichischen Gesellschaft sich fortsetzt.