Zum Tod von Werner Pfeifenberger

Fehltritt mit Folgen

Der antisemitische Professor Werner Pfeifenberger ist vom Berg gefallen. Die rechtsextreme Presse wittert eine Verschwörung.

Wenn Werner Pfeifenberger das geahnt hätte, wäre er wohl zufrieden gewesen: Der Verschwörungstheoretiker ist tot, doch die Verschwörungstheorie lebt! War es Selbstmord aus Verzweiflung oder hat ein bloßer Fehltritt beim Bergwandern den FPÖ-nahen Professor in den österreichischen Alpen das Leben gekostet?

Zunächst wurde Pfeifenbergers Tod auf Drängen seines Anwalts Werner Tomanek verheimlicht. Über eine Woche später ließ Tomanek, der gute Kontakte in die österreichische Neonazi-Szene unterhält, verlauten, er habe bereits im Vorfeld die schlimmsten Befürchtungen gehegt. »Politologe verübte vor NS-Prozess Selbstmord«, meldete daraufhin die Nachrichtenagentur APA und spekulierte, Pfeifenbergers Tod stünde in Zusammenhang mit einer drohenden Anklage wegen NS-Wiederbetätigung. Ein Großteil der österreichischen und deutschen Tagespresse berichtete, dass sich Pfeifenberger am Untersberg nahe seinem Geburtsort Salzburg das Leben genommen habe. Vor allem aber die rechtsextreme Presse nahm die Meldung dankbar auf.

»Der unbescholtene Professor, der jahrelang anstandslos an verschiedenen Universitäten gelehrt hat, geriet ins Fadenkreuz, nachdem er einen Beitrag im Jahrbuch der FPÖ veröffentlicht hatte«, beschwerte sich die Junge Freiheit. »Tödlicher Tugendterror« titelte ihr österreichisches Äquivalent, die rechtsextreme Wochenzeitung Zur Zeit. Und der Pressespiegel der Deutschland-Bewegung um Alfred Mechtersheimer sah gar eine »Menschenjagd bis in den Tod«. »Liberalistische Totalitaristen« hätten »einen, der wider das internationale Kapital den Stachel löckt«, mit »Existenzvernichtung« bestraft, wusste auch Manfred Rouhs, der Herausgeber von Europa Vorn.

Dabei hatte Pfeifenberger sich den Schlamassel selbst zu verdanken. Der antisemitische Verschwörungstheoretiker hatte 1995 seinen Aufsatz »Internationalismus gegen Nationalismus« in dem FPÖ-Jahrbuch für politische Erneuerung veröffentlicht. Darin witterte Pfeifenberger hinter nahezu allen größeren historischen Konflikten das Zersetzungswerk jüdisch beeinflusster Geheimgesellschaften: »Nicht Deutschland, sondern die internationalistischen Kapitalisten« hätten den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen, behauptete er in seinem Machwerk.

Der Journalist Karl Pfeifer schrieb wegen dieser Ausfälle in der Mitgliederzeitung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien über die »Nazi-Töne« des Professors. Pfeifenberger versuchte daraufhin auf Unterlassung und Schadensersatz gegen Pfeifer zu klagen, ohne Erfolg. Ein Wiener Gericht bestätigte den Vorwurf der »Nazi-Diktion« und die Staatsanwaltschaft ermittelte nun gegen Pfeifenberger wegen Wiederbetätigung. Pfeifenberger musste nach dem Urteilsspruch als FH-Dozent in Münster abdanken, durfte aber fortan in Bielefeld »Forschung« betreiben (Jungle World, 51/99).

Die FPÖ-nahe Zur Zeit wittert jedoch eine Verschwörung: »Der Glaube, daß ein Mitarbeiter der Israelitischen Kultusgemeinde aber von einem österreichischen Gericht in dieser Causa verurteilt werden würde, erwies sich als Illusion.«

Die Drahtzieher dieser Verschwörung und die Hauptschuldigen am Tod des Professors will Zur Zeit auch festgestellt haben. Das Blatt veröffentlichte unlängst einen Steckbrief mit den Porträts und Namen einer so genannten Jagdgesellschaft. Ganz oben auf der Liste steht Karl Pfeifer. Auch Wolfgang Neugebauer, Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes und der Politologe Anton Pelinka, der verurteilt wurde, weil er Jörg Haiders Verharmlosungen des NS-Regimes thematisiert hatte, sollen zum Tod des Professors beigetragen haben. Selbst den Gutachter im Strafverfahren gegen Karl Pfeifer haben die rechtsextremen Hobby-Kriminalisten nicht vergessen. Der Steckbrief nennt auch zwei grüne und zwei SPÖ-Abgeordnete, die im Parlament Anfragen zur strafrechtlichen Relevanz des Jahrbuchs gestellt hatten.

Neben dieser Liste publizierte ZurZeit auch die komplette Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien gegen Pfeifenberger. Diese wurde der Wochenzeitung wohl von Anwalt Tomanek zugespielt. In dem Schriftstück findet sich ein pikantes Detail, das die Zeitung vielleicht besser verschwiegen hätte: Wegen des Verdachts »gröblichster« Verharmlosung des NS-Terrors war auch gegen Zur Zeit-Herausgeber Andreas Mölzer ermittelt worden. Mölzer, der Kulturberater von Jörg Haider, war gemeinsam mit Brigitte Sob und dem Historiker Lothar Höbelt für das Jahrbuch 1995 verantwortlich. Die mittlerweile von ihren Aufgaben entbundenen RedakteurInnen des FPÖ-Organs zogen sich aus der Affäre, indem sie ihren Autor regelrecht denunzierten: Ausschließlich »renommierte Personen« wolle man als Autoren gewählt haben, daher sei auf eine inhaltliche Überprüfung der Beiträge verzichtet worden, ließen sie die Staatsanwaltschaft wissen.

Nach diesen Äußerungen wurde das Verfahren zunächst eingestellt. Als es jetzt überraschend wieder aufgerollt wurde, blieb allein Pfeifenberger als Beschuldigter übrig. Dieser dürfte darüber zwar nicht allzu gücklich gewesen sein. Dass er sich deswegen das Leben genommen haben soll, darf bezweifelt werden.

Die Lebensgefährtin des Professors hatte der FH Bielefeld ursprünglich einen »Bergunfall« gemeldet. Auch im Totenschein findet sich kein Indiz für eine Selbsttötung. Kurz vor seinem Tod hatte Pfeifenberger der Hochschule noch Vorschläge für seine künftigen Forschungsprojekte unterbreitet. Ein Gutachten über die »Südtirolfrage« wollte er anfertigen und Untersuchungen zur »Rolle der Uno« anstellen, Lieblingsthemen, die er auch schon einmal für das Österreichische Kulturwerk des Altnazis Otto Scrinzi bearbeitet hatte. Es ist kaum anzunnehmen, dass er durch das Gerichtsverfahren »beruflich, aber auch in Hinblick auf sein persönliches Umfeld schwerst geschädigt« worden wäre, wie Zur Zeit behauptet. Zum Märtyrer aufgebaut, hat Pfeifenberger für die rechte Szene eine Bedeutung erlangt, die ihm lebend nie zugekommen war.