Neues von Jazzkantine

Nicht völlig verwerflich

»Ich würd die Welt gern verändern, doch ich kann es nicht, also lehn ich mich zurück und entspanne mich./ Was bringt das Leben, wenn man nicht'n bisschen träumt/da dam damdam da dam/Was bringt das Leben, wenn man nicht'n bißchen träumt/da dam damdam da dam.« Ist ja gut, ist ja gut - aber was bringt das Leben, wenn man solch bescheidene Botschaften hat und sich dazu unbedingt der Stilform des Jazz bedienen muss oder will oder möchte?

Ein bisschen von sich eingenommen sind sie ja, die von der Jazzkantine. Nennen sich »Jazzkantine« und meinen, das Süppchen würde sich dann schon selber kochen. 1993 haben sich unter diesem Namen diverse Rapper, DJs und Jazzer zusammengefunden - angeregt durch die DJs Ole Sander, Matthias Lanzer und den Bassisten Christian Eitner. Seitdem hat sich eine Stammformation herausgebildet, unter ihnen die Rapper Cappucino und Aleksey, und nebenher ein Pool von illustren Gästen, darunter Smudo von den Fantastischen Vier, der Vibrafonist Gunter Hampel, das deutsche Jazzsternchen Till Brönner und der Talkshow-Jazzer Götz Alsmann. Und ab und an, wenn alle Zeit haben, produzieren sie ein neues Album. Wie zum Beispiel »In Formation«.

Das Tun der Jazzkantine für völlig verwerflich zu halten, wäre allerdings etwas übertrieben: Auf »Jazzkantine« (1994) und »Heiß & fettig« (1995) waren noch recht interessante Meditationen und Selbstreflexionen zu hören. Das war damals ziemlich erfrischend, wenn man sonst nur die Fanta 4 mit ihrem »Die Da!« zugemutet bekam. Aber selbst, wenn die Kantinen-Gäste immer mal wieder wechseln - diesmal ist der Fusion-Saxofonist Bill Evans dran - und selbst wenn von Album zu Album neue Variationen studiert werden, so hat sich doch eine gewisse Routine eingeschlichen. Was seinen Anfang noch in jugendlicher Gewagtheit und Avantgarde-Streben hatte, wird von Auftritt zu Auftritt langweiliger, eintöniger und auch bewusstloser.

Vor dem historischen Background des Jazz verblasst die Kantine schon alleine deshalb, weil ihre Musik eine Mischung aus Musikpädagogik für techno-geschädigte Hilfiger-Hipster und anmaßender Vereinnahmung darstellt - nicht umsonst sind viele der älteren Mitglieder im Hauptberuf Schul-Lehrer, Sozialarbeiter oder Musikpädagogen. Die Jazzkantine nimmt sich als Protagonistin eines deutschen Jazz so ernst, dass es für diese Musikform eigentlich ein Todesurteil ist. Dirty notes, schmutzige Töne, sind in ihren Vorträgen ebenso wenig zu finden wie ein selbstbewusstes Anspielen gegen festgelegte Beats. Man will den Hörer nicht überlasten - und wahrscheinlich auch sich selber nicht. Man will auf der Welle des Jazz, der Weltmusik, des Ungewohnten, des Untergründigen und gleichzeitig hochkulturell Anerkannten mitreiten, aber man will mit ihr nicht irgendwo aufschlagen. »Fafafafafahr fort von Ort zu Ort Hup - Hup/gebe wie Rakete Schub - Schub Schubi Dubi Schieb - Schieb du dein'n Budi zum Beat - Beat Na Supa Na Supi Mit Vollgas und Gummi/Au voll am Start sowie/dieee Nummer 1 Schumi Ä - äh aber du nie/du bist mächtig in Hektik und checkst nicht die Technik.« So isses dann wohl.

Jazzkantine: »In Formation«. RCA (BMG)