Anti-Banken-Tag in Frankfurt

Wir sind die Guten

Vielleicht war es ja ganz gut, dass Pierre Bourdieu erkrankte und so auf der Frankfurter Veranstaltung »Gegen die Macht der Banken« nicht erscheinen konnte. So konnte man sehen, ob die »Bewegung der sozialen Bewegungen«, die er ins Leben rufen will, auch ohne den intellektuellen Katalysator aus Frankreich etwas zu sagen hat.

Tatsächlich haben einige, die schon tags zuvor von seinem Nicht-Erscheinen hörten, den Termin sogleich aus ihrem Kalender gestrichen. Die restlichen ReferentInnen, alle bestenfalls traditionalistische Linke, waren ihnen kaum einen schönen Sommertag in einem Uni-Hörsaal wert. Zu Recht. Vor halbvollem Saal - kaum 250 Leute fanden sich ein - durfte Daniela Dahn ausführlich die »Höllenmaschine« des Finanzkapitalismus und Hermann Scheer den »Tod der Demokratie« anprangern.

Die These, dass die Großbanken die Welt, insbesondere aber die Deutsche Bank die Bundesrepublik regiert, kam beim Publikum offenbar gut an. Das applaudierte stets dann, wenn es besonders platt wurde, etwa als Solarkämpfer Scheer emphatisch deklamierte, es sei schließlich keine Diskriminierung, die Privilegien der Atomwirtschaft endlich abzuschaffen. Und als der Moderator zum fünften Mal das Forum zur »kriminellen Ökonomie« als »kriminelle Energie« ankündigte, war man entzückt ob des frivol gesellschaftskritischen Versprechers. Auch Jean Zieglers Verunglimpfung der Gewerkschaften als »Eunuchen« ging folgerichtig als gelungene Metapher durch.

Das Bourdieusche Unternehmen der Enttarnung des Neoliberalismus als Trick der Herrschenden scheint zumindest in Frankfurt all jene hervorgelockt zu haben, die endlich mal wieder Tacheles reden wollen. Zu sagen, wie es »wirklich« ist, hieß in diesem Fall freilich, den Gegner als Monster zu interpretieren, das von »denen da oben« von der Kette gelassen wurde.

Was man so nicht mehr reflektieren muss, ist, wie neoliberale Denkfiguren und Handlungsmuster im eigenen Leben funktionieren, und dass ihre manifeste Bedeutung für Alltagshandlungen sich womöglich nicht einfach »widerlegen« lässt. Die Neoliberalen, das sind immer die anderen.

Bourdieus Aufruftext »Für die Einberufung von Generalständen der sozialen Bewegung in Europa« ist vor allem eines: vage. Zu was das führt, sah man in Frankfurt. Einigkeit bestand nur in einem Punkt - darin, dass »wir« irgendwie die Guten sind. Dieses »Wir« war nicht einmal sonderlich heterogen. Bei weitgehender Abwesenheit der linksradikalen Szene schienen die Frankfurter Mitglieder der PDS die Mehrheit zu stellen - über die Parteizugehörigkeit der anwesenden Nonne lässt sich nur spekulieren. Sie gehörte vermutlich jenem Orden an, der allwöchentlich vor der Zentrale der Deutschen Bank gegen - na was wohl - die Macht der Banken demonstriert.

Vielleicht kommt es aber gar nicht darauf an, ob und wie borniert einzelne Individuen auf irgendwelchen Veranstaltungen sind, sondern eher darauf, ob es gelingt, eine emanzipatorische Praxis zu initiieren, die selbst Medium und Vehikel einer Weiterentwicklung von theoretischer und praktischer Gesellschaftskritik sein könnte. Wenig vielversprechend ist es da, so lange abzuwarten, bis die Anti-Banken-Nonne oder Jean Ziegler den so genannten linksradikalen Kritikstandards entsprechen.

Kriterium für das Gelingen ist vielmehr, ob das Projekt Kommunikationsstrukturen schaffen kann, die eine Diskussion und Zusammenarbeit überhaupt erst ermöglichen und nicht, ob ein Konsens von vornherein schon besteht. Das ist in Frankfurt nicht passiert. Nicht nur, weil sich anstatt einer Vielzahl sozialer Bewegungen nur die traditionelle Linke einfand, sondern auch, weil mit der Beschränkung auf »die Großbanken« und »das virtuelle Finanzkapital« allzu brechstangenartig der gemeinsame Feind und damit der gemeinsame Nenner vorgegeben werden sollte.