Nach der Wahl in Zimbabwe

Modernisierer in der Warteschleife

Einen knappen Wahlsieg hat Mugabes Zanu PF in Zimbabwe nach einem Wahlkampf der Einschüchterungen eingefahren. Die Oppositionspartei MDC schwankt zwischen Big Business und ihrer armen Basis in den Städten.

Am Ende trennten die Konkurrenten ganze fünf Mandate: Zimbabwes Regierungspartei Zanu PF gewann die Wahlen zum Parlament des Landes am 24. und 25. Juni bei hoher Wahlbeteiligung mit 62 Sitzen, 57 Parlamentarier wird die Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) in die Versammlung schicken können. Ein Sitz ging an das Familienunternehmen des umtriebigen Ndabaningi Sithole, die Zanu Ndonga.

Nie zuvor musste die seit der 1980 errungenen Unabhängigkeit regierende Zanu PF an eine Oppositionspartei auch nur annähernd derart viele Stimmen abgeben. Zuletzt hatte sie 147 der 150 Parlamentssitze innegehabt. Von Vorteil ist da für die Staatspartei, dass Präsident und Zanu-PF-Vorsitzender Robert Mugabe 30 der 150 Abgeordneten direkt oder indirekt ernennen wird. Damit verfügt die MDC über etwas mehr als ein Drittel der Sitze und ist so immerhin fähig, wichtige Entscheidungen wie den Haushalt oder Verfassungsänderungen zu blockieren.

Der Vorsitzende der vor sieben Monaten gegründeten sozialdemokratischen MDC, der Gewerkschafter Morgan Tsvangirai, wird allerdings nicht im neuen Parlament vertreten sein. Er unterlag im Wahlkreis Buhera Nord knapp mit 44,5 Prozent seinem Zanu-PF-Rivalen und will sich nun auf die Präsidentschaftswahlen 2002 vorbereiten. Jetzt soll der Stellvertretende Vorsitzende Gibson Sibanda, der ebenfalls aus der Gewerkschaftsbewegung kommt, der MDC-Fraktion vorstehen.

Im Vorfeld der Wahlen hatten vor allem Jugendliche unter der Führung ehemaliger Bürgerkriegsveteranen mit Duldung der Regierung mehr als 1 000 Farmen von Großbauern besetzt, um der Forderung nach einer umfassenden Landreform Nachdruck zu verleihen. Hardlinern in der Zanu PF kamen die Aktionen der Squatter gerade recht, um der weit verbreiteten »Mugabe muss weg!»-Stimmung im Lande entgegentreten zu können.

Bei Attacken von Unterstützern der Regierungspartei wurden mindestens 30 Oppositionelle ermordet, was Wahlbeobachter der EU dazu veranlasste, die Abstimmung als insgesamt nicht frei und fair einzustufen. Inzwischen wurde einer der mutmaßlichen Mörder, ein ehemaliger Befreiungskämpfer, festgenommen. Er soll, so berichtet die private Tageszeitung Daily News aus Harare, mit anderen zusammen drei Oppositionelle entführt und gefoltert haben, einer der MDC-Unterstützer starb später an seinen Verletzungen. Sollte das Gericht den Mann für schuldig befinden, drohen ihm lebenslange Haft oder gar die Todesstrafe.

Die MDC will die Stimmen in den 20 Wahlkreisen neu auszählen lassen, in denen die Zanu PF mit einem Vorsprung von unter 500 Stimmen zum Sieger erklärt wurde. Auch wurden Vorwürfe laut, dass die Namen von sieben Prozent der Stimmberechtigten nicht in den Wählerlisten aufgetaucht seien.

Entlang der Landfrage teilte sich das Votum der Bevölkerung: In den Städten unterstützten gut ausgebildete, aber vielfach arbeitslose Jugendliche und andere Verlierer der Strukturanpassung, denen ein Stück Land wenig bedeutet, vor allem die Opposition. Keinen einzigen Sitz konnte die Zanu PF in den beiden größten Städten des Landes, Harare und Bulawayo, für sich verbuchen. Die MDC kassierte hier 76 bzw. 85 Prozent der Stimmen.

In den ländlichen Gebieten dagegen konnte die Zanu PF punkten, was nicht nur der Einschüchterungskampagne ihrer Anhänger, sondern auch der Landknappheit in den Communal Areas geschuldet sein dürfte. Regierungspläne zur Enteignung von über 800 Großgrundbesitzern sollen nach der Bildung des Kabinetts umgesetzt werden, die Entschädigungsansprüche der Bauern werden auf der Grundlage eines kurz vor den Wahlen verabschiedeten Gesetzes an die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien verwiesen. Die hat sich sich bisher hartnäckig geweigert, ausreichend Devisen für eine umfassende Landreform zur Verfügung zu stellen.

Vor der Abstimmung zeigte sich Robert Mugabe in einem Interview mit der britischen BBC noch einmal in Hochform und beackerte fleißig seine Lieblingsthemen. So nannte der homophobe Präsident den britischen Staatssekretär für Afrika, Peter Hain, »die Frau von (Peter) Tatchell«, einem Londoner Gay-Aktivisten. Tatchell hatte während eines London-Aufenthalts Mugabes auf dessen schwulenfeindliche Politik angesprochen. Fast wehmütig erinnerte sich der 76jährige Präsident an die Zusammenarbeit mit Margaret Thatcher. Die Führer von New Labour, so Mugabe, seien dagegen »arrogante kleine Jungs - Leute, die plötzlich an die Macht gekommen sind, ohne wahrscheinlich jemals damit gerechnet zu haben«.

Sieben Minister, unter ihnen zwei enge Vertraute und mögliche Nachfolger des Präsidenten - Justizminister Emmerson Mnangagwa und Innenminister Dumiso Dabengwa - verpassten bei der Abstimmung den Einzug ins Parlament. Sie und andere Angehörige der Partei-Aristokratie sind nun darauf angewiesen, von Mugabe nominiert zu werden. »Viele dieser Leute können außerhalb der Führungsstruktur der Zanu PF nicht überleben, weil sie in der Öffentlichkeit entweder diskreditiert sind oder ihre Karrieren ganz von Mugabe abhängen«, zitiert die Tageszeitung The Namibian den Politikwissenschaftler Masipula Sithole aus Harare.

Unter den Zanu-Abgeordneten, die im Parlament vertreten sein werden, beginnt bereits das Hauen und Stechen. In der vergangenen Woche drohten nach Berichten der Financial Gazette aus Harare »einige neu gewählte Zanu PF-Parlamentarier«, mit der Opposition zu stimmen, sollten »Mugabe und seine alte Garde sich Parteireformen verweigern«. Die Parteispitze wies die Zeitungsberichte mit der Bemerkung zurück, ein wahrer Abgeordneter der Zanu PF würde sich niemals in der Öffentlichkeit zu Interna äußern.

Auch in der MDC schwelt seit einigen Monaten der Richtungsstreit. Einige Gründungsmitglieder der Partei, die aus der Gewerkschaftsbewegung hervorgegangen ist, fürchten eine zunehmende Bindung an in- und ausländische Kapitalinteressen. Hatte der Vorsitzende Tsvangirai Ende der achtziger Jahre die weitere Öffnung der Wirtschaft für ausländische Investoren als »nackten Neo-Kolonialismus« gebrandmarkt, sind die Förderung der Exportwirtschaft, die »Schaffung von Investitionsanreizen« und »makroökonomische Stabilität« zu zentralen Punkten der ökonomischen Agenda geworden. Eine neoliberale Ausrichtung nach dem Vorbild des südafrikanischen ANC jedoch würde besonders traditionelle Unterstützer der Partei treffen - Arbeitslose, informell Beschäftigte und Industriearbeiter.

Doch erst die marktfreundliche Politik der Partei sicherte der MDC die internationale Anerkennung und Unterstützung, die sie in den vergangenen Monaten erfuhr. So war in der Woche vor den Wahlen die vorzüglich eingerichtete Web-Site der Partei über die Washington Post zu erreichen. Bis zum Dienstag vergangener Woche konnte sie um die 15 000 Zugriffe verzeichnen. Über eine andere Internet-Seite schreibt die Financial Times: »Eine der effektivsten Web-Sites wird vom Zimbabwe Democracy Trust betrieben, dessen Vorstand drei frühere britische Außenminister und ein ehemaliger US-Staatssekretär für Afrika angehören.«

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Forderungen nach Verstaatlichungen im Bergbau-Sektor und die Ankündigung der Wiedereinführung von Preiskontrollen für Lebensmittel durch die Zanu PF mehr als nur Propaganda waren. Gespräche mit den internationalen Finanzorganisationen wurden vor zweieinhalb Monaten unterbrochen, jetzt fordert die einheimische Wirtschaft die eilige Abwertung der Landeswährung Zim-Dollar. Das könnte ein erster Schritt zur Freigabe dringend benötigter Devisen aus IWF-Krediten sein. Zu erwarten ist eine erneute Hinwendung der Zanu PF zu IWF und Weltbank - bis zum nächsten Krach, spätestens in zwei Jahren bei den Präsidentschaftswahlen.

Dann könnte die Zeit für die MDC gekommen sein. Sie wird für internationale Konzerne und die Finanzorganisationen ein verlässlicherer Partner sein als die alte Garde der Befreiungskämpfer, die die Politik der Strukturanpassung zum Teil nur widerwillig umsetzte. Was diese Modernisierung der Staatsführung für die Mehrzahl der Zimbabwer, die unter dem Existenzminimum leben, bedeuten wird, lässt sich mit einem Blick nach Südafrika abschätzen: wenig bis nichts.