Marschsaison in Nordirland

Orange macht mobil

Die Fahnen der loyalistischen Terrorgruppe Ulster Freedom Fighters (UFF) wehten vor der Polizeistation in Belfast, in der Sir Ronnie Flanagan, der Chef der nordirischen Polizeitruppe Royal Ulster Constabulary (RUC) vergangene Woche seinen Jahresbericht präsentierte. Nur Gutes wusste Sir Ronnie zu berichten: Die Gewalt in Nordirland sei als Folge der Friedensverhandlungen deutlich zurückgegangen, wenn man auch Sorge habe, dass Dissidenten beider Seiten wieder zur Politik der Bomben zurückkehren könnten. Und das Schönste von allem: Der RUC wurde sogar von der Königin das St.-Georgs-Kreuz verliehen.

Der Orden ist nicht leicht verdient: Zwei Tage später, am Sonntag, mussten Flanagans Männer in der Ortschaft Portadown schon wieder Überstunden machen, um fanatische loyalistische »Orangemen« und erzürnte Anwohner voneinander fern zu halten. 2 000 Soldaten waren eigens von der britischen Insel eingeflogen worden, um sie bei dieser schwierigen Aufgabe zu unterstützen.

Die nordirische Parade Commission, deren Aufgabe es ist, eine Eskalation bei den alljährlich im Sommer stattfindenden Märschen der protestantisch-loyalistischen Orden zu verhindern, hatte wie schon im Vorjahr die Route verlegt, um einen Zusammenstoß auf der hauptsächlich von Katholiken bewohnten Garvaghy Road zu vermeiden. Die Anführer des Portadown Orange Order, der am kommenden Wochenende abermals einen Marsch veranstaltet, wollen sich spätestens dann einer Verlegung der Marschroute nicht mehr beugen. Verstärkung haben sie bereits von rund 20 Mitgliedern der Neonazi-Gruppe Combat 18 erhalten, die eigens in die Grafschaft Armagh gereist sind, um den Orangemen mit fachmännischem Rat zur Seite zu stehen.

So scheint es eher unwahrscheinlich, dass die protestantische Seite nun einen Schritt zur Verständigung macht, nachdem die IRA Anfang vergangener Woche ihre Ankündigung wahr machte, ihre Waffenarsenale von einer unabhängigen Kommission inspizieren zu lassen. In einem Fahrzeug mit verdunkelten Scheiben wurden der Südafrikaner Cyril Ramaphosa und der frühere finnische Präsident Martti Ahtisaari zu dem Bunker irgendwo im Westen der Republik Irland gebracht, den sie nach eingehender Inspektion versiegelten; in drei Monaten wollen sie zurückkommen, um zu kontrollieren, ob die Waffen tatsächlich nicht gebraucht wurden.

Für die IRA ist die Inspektion der erste Schritt zur Selbstauflösung. Noch vor einem Jahr wäre jeder, der es unternommen hätte, einem Außenstehenden ein Waffenlager zu zeigen, hingerichtet worden. Dennoch haben die UFF bereits klargestellt, dass sie nicht gedenken, einen solchen Schritt zu unternehmen. Und als wollten sie ihrem protestantischen Widerpart Recht geben, sprengten am frühen Freitagmorgen die republikanischen Ultras von der so genannten Real IRA die Bahnlinie zwischen Dublin und Belfast. Eine »echte und wachsende Gefahr« stelle die Real IRA dar, freute sich Polizeichef Flanagan.

Am Schluss seiner Pressekonferenz fragte dann doch noch ein Reporter nach den UFF-Fahnen vor dem Gebäude. Sir Ronnie antwortete in aller Klarheit: Mit Flaggen müsse man sensibel umgehen, aber »auf keinen Fall sollte man aus der Nähe irgendeiner Flagge zu irgendeiner polizeilichen Einrichtung schließen, dass es da irgendeinen Zusammenhang gibt. Es gibt natürlich keinen Zusammenhang.«