Börsengang des Luftfahrtriesen EADS

Kreuzfahrer der Lüfte

Während der Börsengang des neuen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS bescheiden ausfällt, herrscht am Airbus-Standort Hamburg Euphorie.

Von einem ähnlich euphorischen Ansturm wie etwa bei T-Online oder Infineon kann beim Börsengang des neuen europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS keine Rede sein. »In Deutschland war die Nachfrage etwas enttäuschend«, gestand ein Sprecher des Banken-Konsortiums, das EADS an die Börse bringt, nach Ende der Zeichnungsfrist am vergangenen Freitag. War die Infineon-Aktie mehr als 30-fach überzeichnet, werden die EADS-Papiere trotz einer aufwändigen Anzeigen-Kampagne kaum ihren Nennwert übersteigen.

Dabei gehört der Börsengang zu den größten europäischen Aktien-Emissionen in diesem Jahr. Erst Ende Juni hatten die deutsche Dasa, die französische Aérospatiale Matra sowie die spanische Casa den Zusammenschluss zur European Aeronautic, Defence and Space Company (EADS) bekannt gegeben. Und auch die Ziele des neuen Industrie-Giganten könnten kaum ehrgeiziger sein. In Kooperation mit British Aerospace Systems (BAE) haben die Fusions-Partner den Bau des größten Passagierflugzeugs der Welt, des Airbus A3XX, vereinbart. Ein Drittel der Anteile an der EADS im Wert von 3,5 Milliarden Euro kann in Aktien erworben werden.

Vor allem die Deutsche Bank, die gemeinsam mit der niederländischen ABN Amro das Konsortium für den EADS-Börsengang anleitet, hatte sich in den vergangenen Wochen große Mühe gegeben. »A European Leader is Born« lautete der Titel einer aufwändigen Broschüre, die sie kurz vor dem Börsenstart veröffentlichte. Die großspurige Ankündigung ist nicht einmal übertrieben: Durch den Zusammenschluss entsteht der drittgrößte Luft- und Raumfahrtkonzern der Welt.

EADS ist mit Ariane weltweiter Marktführer bei kommerziellen Trägerraketen, ebenso bei Hubschraubern. Bei zivilen Flugzeugen hat Airbus im letzten Jahr über 60 Prozent aller Neuaufträge eingeworben und die Konkurrenz weit hinter sich gelassen. Beim Umsatz liegen Boeing und Lockheed aus den USA jedoch noch in Führung.

Vielleicht liegt es an den US-Rivalen, dass sich so wenig Privatleute für den Aktienkauf begeistern wollen: »Die EADS ist in den meisten Tätigkeitsfeldern einem starken Wettbewerb ausgesetzt«, kommentierte etwa ein Sprecher DG Bank. Besonders stark beim Flugzeugbau. Hinzu kommen die riesigen Entwicklungskosten für den neuen Super-Airbus. Über zwölf Milliarden Euro muss der Konzern in den nächsten Jahren in die A3XX investieren.

Damit will Airbus dem Marktführer Boeing im Segment der Großraum-Jets Konkurrenz machen: Der neue A3XX soll bis zu 800 Passagiere befördern können und damit das mit Abstand größte »Kreuzfahrtschiff der Lüfte« (SZ) sein. »Damit wird ein dreißig Jahre währendes Monopol von Boeing gebrochen. Es ist für die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie von entscheidender Bedeutung, dass wir an dieser Entwicklung beteiligt sind«, erklärte der Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung, Siegmar Mosdorf gegenüber der FAZ.

Deutschland übernimmt nahezu die Hälfte aller Führungspositionen bei EADS, und auch die Produktion findet zu über 40 Prozent in deutschen Betrieben statt. Mit der Entscheidung für den A3XX werde es in Europa nur »zwei Hauptstädte der Luftfahrt geben«, sagte Mosdorf weiter: »Hamburg und Toulouse«.

Keine Erwähnung finden in den Lobeshymnen bisher die militärischen Aufträge des neuen Konzerns. Dabei ist die Rüstungsproduktion ein wesentlicher Bestandteil der EADS. So haben die Regierungsvertreter beim 75. Deutsch-Französischen Gipfel Anfang Juni in Mainz beschlossen, bei Airbus jeweils 75 Stück des geplanten Transportflugzeugs A400M zu ordern. Deutschland will zusätzlich noch 134 Militärhubschrauber NH 90 bestellen, die ebenfalls Airbus produzieren soll.

Die Transportflugzeuge werden im spanischen Sevilla gebaut. Somit ist auch die Casa mit ihrer Airbus-Beteiligung zufrieden, auch wenn dort nur zehn Prozent der Bauteile für die zivilen Airbusse hergestellt werden.

Im Toulouser Airbus-Werk wird es auch zukünftig zwei Montagelinien geben: Eine für den kleineren Airbus 320, eine für den A3XX. In Hamburg wird hingegen aufgestockt: Dort soll neben der bisherigen Produktion zusätzlich auch ein Teil der Endmontagen der 320er Baureihe erfolgen. Außerdem wird in Hamburg die aufwändige Innenausstattung der A3XX montiert, unter anderem fast die gesamte Elektronik. Auch die Lackierung findet in Hamburg-Finkenwerder statt. Die Herstellung der Einzelkomponenten erfolgt arbeitsteilig in vielen verschiedenen Werken. Mit riesigen Transportflugzeugen werden die Teile anschließend zur Endmontage befördert.

In Hamburg sind Politik und Medien nach der Bekanntgabe der Entscheidung, neben Toulouse der Hauptstandort des Super-Airbus A3XX zu sein, in eine regelrechte Euphorie verfallen. Die Airbus-Entscheidung sei »ein Quantensprung für den Luftfahrtstandort Hamburg«, ereiferte sich Hamburgs Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD). Ein »Jahrhundert-Erfolg für Hamburg« titelte Springers Hamburger Abendblatt und vergaß dabei zu erwähnen, dass die Luftfahrtindustrie in Hamburg ab 1933 vor allem zu Kriegszwecken aufgebaut wurde.

Deutsche Wertarbeit eben: Hamburg habe den Auftrag erhalten, weil »die Menschen in dem Finkenwerder Werk kostengünstig, schnell und zuverlässig, eben effizient arbeiten«, begründet das Abendblatt den Erfolg. Eine galante Umschreibung für Rationalisierung, Entlassungen und die Leistungsverdichtung, die im Namen der Standortlogik nach der so genannten Dolores-Strategie in den neunziger Jahren in den Dasa-Werken durchgesetzt wurden.

Angeblich soll die Entscheidung für die Ausweitung der Airbus-Produktion rund 40 000 Jobs in ganz Deutschland schaffen. Die Zahlen sollen auch die letzten Skeptiker überzeugen. Denn für die notwendige Erweiterung des Dasa-Werkes in Finkenwerder muss das nahe gelegene Naturschutzgebiet Mühlenberger Loch, ein Wattgebiet der Elbe, teilweise zugeschüttet werden.

Solche kleinlichen Bedenken spielen angesichts der historischen Dimensionen keine große Rolle. Schließlich übernimmt die Stadt die geschätzten Erschließungskosten von weit über 100 Millionen Mark. Wer dennoch an der Entscheidung zweifelt, für den hat Nikolaus Schües, Chef der Hamburger Handelskammer, eine einfache Antwort parat: Die Gegner des Projektes sollten »nun patriotisch handeln und den gesamtstädtischen Interessen den Vorrang vor individuellen Anliegerinteressen einräumen«.