Subventionen für Biotechnologie

Sturm und Gen

Die Vorgaben aus dem Bundesforschungsministerium lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Zehn Prozent der weltweit erteilten Gen-Patente auf Mikroorganismen und Modellpflanzen sollen bis 2010 in Deutschland gehalten werden. Nach den USA soll die BRD damit in der Genforschung auf Platz 2 vorrücken. Geplant ist, die Forschungsinvestitionen in die Humangenetik stetig zu steigern - im nächsten Jahr auf 65 Millionen Mark - und die Pflanzengenomforschung mit den führenden Pharmakonzernen eng zu koordinieren.

Dass zudem großen Wert auf eine »Internationalisierung der bioethischen Debatte« gelegt wird, signalisiert, was hierzulande nicht mehr erwünscht ist: Die Verkoppelung der Diskussion um Gentechnik mit der um die Verlängerung nationalsozialistischer Geschichte in die deutsche Gegenwart. Wenn in Ländern wie Großbritannien und den USA wieder offen über den Sinn eugenischer Konzepte debattiert werden kann, erweist es sich als Standortnachteil, wenn in Deutschland ethische Bedenken gegen das selektive Potenzial humangenetischer Verfahren Embryonenforschung verhindern oder Einwände gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen die Einführung neuer biomedizinischer Verfahren blockieren.

Die »Internationalisierung« der ethischen Debatte soll sie umstrukturieren: Die Beschäftigung mit der Verknüpfung von Rassismus und Genetik wird durch Überlegungen zur Akzeptanzschaffung abgelöst. Auffällig ist dabei der scharfe Kontrast zwischen der offenen Setzung nationaler Akzente, dem Plädoyer für einen deutschen Platz in der ersten Liga, wenn es um die forschungs- und wirtschaftspolitische Dimension geht, und dem Wunsch, die Ethikdebatte möge »international«, also frei vom Blick auf deutsche Geschichte geführt werden.

Tatsächlich besteht großer Handlungsbedarf, was die Akzeptanz vor allem der »grünen Gentechnik« angeht. Während sich viele - getrieben von der eigenen Abwehr gegen alles, was als »fremd« empfunden wird - einem Einsatz humangenetischer Technologien nicht entgegenstellen, solange es gilt, Menschen mit Behinderungen zu selektieren, ist die Ablehnung von gentechnisch veränderten Pflanzen groß. Das Debakel, das die Agrarkonzerne erlitten haben, weil europäische VerbraucherInnen nicht bereit waren, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu schlucken, ist nicht vergessen.

Kurz vor der Veröffentlichung ihres nationalen Pro-Gentechnik-Planes hat die Bundesregierung annonciert, wie es in diesem Bereich laufen könnte: Die Industrie stimmt zu, drei Jahre lang gentechnisch veränderte Pflanzen nur im Rahmen eines groß angelegten Technikfolgenabschätzungsprogramms anzubauen. Dafür erhält sie politische Rückendeckung, großzügige finanzielle Unterstützung und freie Bahn für die Zeit danach. Bei der Humangenetik dokumentiert das hartnäckige Bemühen um die Unterzeichnung der euphemistisch als »Menschenrechtsabkommen zur Biomedizin« bezeichneten Bioethik-Konvention des Europarates, wie es die SPD-PolitikerInnen der Bundesregierung gerne hätten: dereguliert.

Und die gegenwärtige Offensive der Regierung, die Deutschland eine dauerhafte Führungsposition in der europäischen Gen-Wirtschaft und Forschung sichern soll, zeigt, wie wenig tragfähig der ethische Konsens war, der in der Nachkriegszeit die rapide Entwicklung eines bioethisch-utilitaristischen Diskurses in der BRD verhindert hat. Die ökonomischen Möglichkeiten der Life-Sciences im Blick, gestützt auf eine Vorstellung vom Menschen als leistungsfähiges Individuum, schüttelt die deutsche Gesellschaft jetzt ab, was ihren Drang an die Spitze bremsen könnte. Die Auseinandersetzung um die Enquetekommission, die der Bundestag gerade eingesetzt hat, um die Folgen der Biomedizin zu reflektieren, erscheint vor diesem Hintergrund als lustiges Geplänkel um Nichts.