»Kölner Erklärung« zur Einführung der Homo-Ehe

Ticket ins Hetero-Reich

Das Gesetz zur sogenannten Homo-Ehe wirft den Kampf um alternative, selbstbestimmte Konzepte des Zusammenlebens um Jahrzehnte zurück. Die kölner erklärung - ein Beitrag sexualemanzipatorischer Gruppen aus Nordrhein-Westfalen

In sprichwörtlich letzter Minute konnte Volker Beck weißen Rauch aufsteigen lassen«, kommentierte Die Welt unter dem bezeichnenden Titel »Rot-grün schickt Christopher von der Street zum Standesamt« am 24. Juni 2000 die Einigung der rot-grünen Regierung auf einen Gesetzentwurf zur Eingetragenen Partnerschaft (»Homo-Ehe«). Die Ankündigung des grünen Bundestagsabgeordneten und Sprechers des konservativen Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD) und der Hinweis, der Entwurf solle noch vor der Sommerpause im Parlament diskutiert werden, hat bei zahlreichen emanzipatorisch arbeitenden Lesben-, Schwulen-, Bi- und Transsexuellen-Gruppen, die seit Jahren gegen die Homo-Ehe kämpfen, Wut, Empörung und heftigen Widerspruch ausgelöst.

Mit dieser »Kölner Erklärung« zum CSD bekunden die unterzeichnenden Homo-Gruppen aus NRW ihre Weigerung, sich durch LSVD und Regierung vom - historisch erkämpften - Platz auf der Christopher Street zum Standesamt treiben zu lassen. Der Heimholung ins Hetero-Reich widersetzen wir uns entschieden.

Wir protestieren energisch gegen die Pläne zur Einführung der Homo-Ehe. Der am 23. Juni bekannt gewordene Gesetzentwurf stellt für alle sexualemanzipatorischen Gruppierungen und für sexuelle Minderheiten einen beispiellosen Versuch staatlicher Disziplinierung dar. Wir betrachten die geplante Regelung als schärfste Provokation einer deutschen Regierung seit Einführung des unsäglichen Schwulenparagrafen 175 im Jahre 1871. Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen alle Kräfte mobilisieren, um das drohende Zwangsehe-Gesetz, das den Geist der fünfziger Jahre atmet und den Kampf um alternative, selbstbestimmte Konzepte des Zusammenlebens um Jahrzehnte zurückwirft, mit allen politischen Mitteln zu verhindern.

Wir rügen aufs schärfste das Verhalten der Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, die sich bislang beharrlich weigerte, den jahrelangen lesbisch-schwulen Widerstand gegen die geplante Regelung - unter anderem in Form von zwei bundesweiten Kampagnen - überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Frau Däubler-Gmelin schloss Homo-Ehe-Gegner/innen des lesbisch-schwulen Spektrums im Herbst 1999 explizit von den Beratungen zwischen ihrem Ministerium und dem LSVD aus. Diese Art von Geheimverhandlungen gegen unseren Willen und über unsere Köpfe hinweg werden wir nicht weiter dulden. Auch die Absicht, als erste Stufe zur Einführung der Homo-Ehe im Bundestag eine »Entschuldigungs»-Erklärung für das jahrhundertelange Unrecht an Homosexuellen zu verabschieden, ist nie mit uns diskutiert worden. Angesichts der jahrzehntelangen Weigerung, Opfer des ¤ 175 aus der Zeit zwischen 1935 und 1969 zu rehabilitieren, geschweige denn zu entschädigen, betrachten wir eine solche Erklärung seitens der Regierung als Affront, gegen den wir mobilisieren werden.

Mit uns bekundeten in den vergangenen Tagen alle bundespolitisch wichtigen Homo-Organisationen wie etwa Lesbenring, wissenschaftlich-humanitäres komitee, der Verein lesbischer Mütter Die Furien & Companeras, aber auch das Bisexuelle Netzwerk, die Deutsche Aids-Hilfe und viele regionale Gruppen mehr oder weniger stark die Ablehnung des debattierten Gesetzentwurfs. Die parteilose und einzige offen lesbische Bundestagsabgeordnete Christina Schenk erklärte, es dürfe sechs Jahre nach Abschaffung des Paragrafen 175 kein »Sondergesetz für Homosexuelle« geben: »Gefordert ist der gleiche Zugang für alle Menschen zu den bisher an die Ehe gebundenen Bürgerrechten - unabhängig davon, ob sie homo- oder heterosexuell sind, und genauso unabhängig davon, ob sie allein, zu zweit, zu dritt oder zu mehreren leben. Erst dann gibt es eine wirkliche Wahlfreiheit der Lebensform.«

Die »wirkliche Wahlfreiheit« haben die Strategen der Homo-Ehe indes nie gewollt. So sprach Volker Beck nicht nur gern vom »sittenbildenden Charakter« der vor allem durch ihn betriebenen Integrationspolitik, im Tagesspiegel jubelte er am 13. Juni ganz ungeniert das - als rot-grünes »Projekt der Moderne« deklarierte - Unterfangen einer konservativen Öffentlichkeit als »echte Einsparung für die Kommunen« unter. Das Blatt verstand: »Eingetragene Partner müssen sich künftig bei Bedürftigkeit gegenseitig unterstützen, was etwa den Verlust der Sozialhilfe zur Folge haben kann.« Verbesserte Sozialleistungen für gleichgeschlechtliche Paare gibt es dagegen nur, wenn, so Beck, »Kinder vorhanden sind«. Mit der gegenseitigen Unterhaltspflicht kehrt für die Beteiligten die Zwangsfamilie zurück, denn »die Verwandten eines Lebenspartners gelten mit dem anderen Lebenspartner als verschwägert« (dpa, 23. Juni).

Wurde den AnhängerInnen des Wahlverwandtschaften-Konzepts immer wieder vorgeworfen, es sei schon deshalb unrealisierbar, weil die Änderung zahlloser Gesetze zu teuer und aufwendig sei, gilt nun gerade dies den Homo-Ehe-Befürwortern als Zeichen des Sieges. »Das Gesetz«, so erklärte LSVD-Sprecher Beck am 16. Juni - diesmal in seiner Funktion als rechtspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion - »wird ein Mammutwerk. Über hundert Gesetze müssen geändert werden, um für Schwule und Lesben umfassend Gerechtigkeit zu schaffen.« Gewiss: Umfassende Gerechtigkeit darf aufwendig sein und ruhig etwas kosten. Dass dies alles aber nur auf Drängen eines Verbands geschieht, der gerade einmal 0,0005 Prozent (in Worten: Null Komma null null null fünf) aller bundesdeutschen Homosexuellen vertritt, macht deutlich, dass es hier tatsächlich um etwas anderes als den mehrheitlichen Willen von Lesben und Schwulen geht.

Als Unterzeichner/innen der »Kölner Erklärung« stellen wir fest: Der Entwurf der Regierungskoalition diskriminiert weitaus mehr Homosexuelle als er »gleichstellt«. Er privilegiert Paare und benachteiligt alle Menschen, die auf Grund ihrer Lebensumstände eine solche Partnerschaft nicht eingehen wollen oder können. Diese Menschen, welcher sexuellen Orientierung auch immer, sollen rechtlos bleiben. Und selbst jene, die sich registrieren lassen, werden letztlich - siehe Unterhaltspflicht - schlechter gestellt.

Die Unterzeicher/innen sind entsetzt über das kaltschnäuzige Vorgehen des LSVD. Bis zur medienträchtig inszenierten Erklärung Becks - einen Tag vor dem CSD in der Bundeshauptstadt - hatte der »Marktführer in Sachen Schwulenpolitik« Öffentlichkeit und Homo-Gruppen systematisch über den Stand seiner Geheimverhandlungen mit Justizministerin Däubler-Gmelin (SPD) getäuscht. So drohte der LSVD in den letzten Wochen der Bundesregierung immer wieder sinngemäß an, die CSD-Paraden zum Massenprotest für die Homo-Ehe zu machen, sollte bis dahin kein akzeptabler Gesetzentwurf vorliegen. Noch Ende Mai behauptete LSVD-Sprecher Michael Schmidt (SPD), der nach Angaben der Szenepresse über gute Kontakte zur Däubler-Gmelin verfügt, es liege »nicht einmal ein diskussionsfähiger Entwurf« vor. Dies war jedoch nicht die einzige Propagandalüge des umtriebigen Homophilenverbands. So behauptete LSVD-Sprecher Klaus Jetz, ebenfalls im Mai, »Umfragen im Rahmen des CSD zeigen, dass 80 Prozent der befragten Homosexuellen eine Ehe eingehen würden, wenn sie denn könnten«.

Im internationalen Vergleich ist Jetz' Zahlenangabe dieser bislang nirgendwo bekannten »Studie« geradezu grotesk, seriösere Erhebungen aus Skandinavien zeigen, dass maximal fünf Prozent der Homosexuellen tatsächlich eine registrierte Partnerschaft eingegangen sind. Und das, obwohl beispielsweise die dänische Regelung (wie auch die französische) weiter geht als der deutsche Gesetzentwurf: Sie eröffnen beispielsweise, weil die sexuelle Orientierung der einzelnen Partner für die Absicherung einer sozialen Beziehung durchaus unerheblich ist, sogar Heterosexuellen die geschichtlich einmalige Möglichkeit, gleichgeschlechtlich zu »heiraten«. Die Hamburger Ehe, ein vom LSVD betriebenes Projekt, »konnten« oder wollten binnen eines Jahres indes nur ganze hundert Paare Gleichgeschlechtlicher eingehen. Eine von der Universität Bamberg im Auftrag des Justizministeriums durchgeführte Studie zum Ehewunsch von Lesben und Schwulen - die erste und einzige überhaupt - wird vermutlich deshalb seit Monaten zurückgehalten, weil sie die genannten Zahlen eben nicht bestätigt und daher zur Zeit politisch »schädlich« wäre. Auf deren Veröffentlichung darf man gespannt sein.

Der Kölner CSD hat längst überregionale Bedeutung erlangt. Welchen Stellenwert der Kölner Lesben- und Schwulentag e.V. als »überparteilicher« CSD-Veranstalter politischen Inhalten beimisst, ergibt sich wohl am ehesten aus der Tatsache, dass keiner der auf dem Podium der Pressekonferenz am 26. Juni anwesenden Verantwortlichen den Inhalt der von ihm selbst herausgegebenen »Politischen Erklärung« auch nur in Stichworten angeben konnte: »Das steht doch alles in den Presseunterlagen.« Das Papier, das neben der Beflaggung von Polizei- und Regierungspräsidium verstärktes CSD-Sponsoring und gleich zweimal die Homo-Ehe anmahnt, halten wir formal wie inhaltlich für eine Zumutung. Wir haben darauf mit dieser »Kölner Erklärung« reagiert.

Die Kölner Erklärung wurde initiiert von: Autonomes SchwuBILe Referat an der Uni GH Duisburg, bang the queer opposition Oberhausen und den Regionalgruppen Ruhrgebiet und Rheinland des wissenschaftlich-humanitären komitees (whk).