Ägyptens Regierung lässt Wahlbeobachter festnehmen

Von der NGO zur GO

Als demokratisches Musterland Nordafrikas - so präsentieren sich die Machthaber am Nil gerne den Europäern, wenn es ihnen um politische wie wirtschaftliche Annäherung an die Staaten der Europäischen Union geht. Wenn es da nicht alarmierende Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen, wie etwa im oberägyptischen Dorf el-Kosheh vor zwei Jahren, oder kritische Dokumentationen über die bevorstehenden Parlamentswahlen im kommenden November gäbe.

Erst kürzlich sah sich die Regierung erneut dazu veranlasst, gegen missliebige Kritiker loszuschlagen. Jüngstes prominentes Opfer ist der Soziologie-Professor an der American University in Cairo und Direktor des Ibn Khaldun Center for Developmental Research, Saad Eddin Ibrahim. Er sowie acht seiner Mitarbeiter wurden Ende Juni von Beamten der Staatssicherheit inhaftiert. Dem Publizisten Ibrahim drohen 15 Jahre Haft, weil er nach Darstellung der ägyptischen Strafbehörden ohne Zustimmung der Regierung europäische und US-Gelder angenommen hat. Rund eine Million US-Dollar seien an Ibrahims Entwicklungszentrum geflossen - Gelder, mit denen Ibrahim ein Projekt zur Beobachtung der kommenden Parlamentswahlen in Ägypten finanzieren wollte.

Nach den jahrzehntelangen Wahlmanipulationen zu Gunsten der Regierungspartei NDP ist Mubaraks Helfershelfern die Beobachter-Inititative Saad Eddin Ibrahims mehr als suspekt. Sie wittern hinter dem Projekt verschwörerische ausländische Kräfte, die es auf die nationalen Interessen Ägyptens abgesehen hätten. Die Staatsanwaltschaft wirft Ibrahim nicht nur Landesverrat vor, sondern unterstellt ihm ferner, die Spendengelder bewusst zu missbrauchen, um Wahllisten und Stimmzettel zu fälschen. Ibrahim verbreite »Gerüchte und negative Propaganda«, war der Staatspresse zu entnehmen - eine abstruse Anschuldigung. In jüngster Zeit hat Ibrahim sich vor allem durch seine Projekte zur sozialen Reintegration von ehemals militanten Islamisten in Ägypten weltweit einen Namen gemacht.

Der Fall Ibrahim weist bemerkenswerte Parallelen zur Inhaftierung des Generalsekretärs der Ägyptischen Organisation für Menschenrechte (EOHR), Hafez Abu Saada, auf. Nachdem seine Organisation in einem Report über Massenfolterungen von Kopten in der Ortschaft el-Kosheh durch Einheiten der Polizei berichte hatte, wurde Abu Saada im Dezember 1998 dem Haftrichter vorgeführt und verschwand zunächst im berüchtigten Tora-Gefängnis. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete, er habe Spendengelder aus dem Ausland angenommen, um dem Ruf Ägyptens zu schaden. Nur nach massivem internationalem Druck kam Abu Saada schließlich wieder auf freien Fuß.

Nach der bislang erfolgreichen »Teile und herrsche»-Politik der autoritären Mubarak-Regierung gegenüber dem islamistischen Mainstream und der anhaltenden Unterdrückung der jüngeren Führungsschicht der Muslimbrüder richten sich die staatlichen Restriktionen nunmehr verstärkt gegen Menschenrechtsvereinigungen. Ein im vergangenen Juni verabschiedetes NGO-Gesetz gibt dem Staat hierzu alle Trümpfe in die Hand: Nach diesem Gesetz darf die Regierung selbst über die Verteilung ausländischer Spenden entscheiden (Jungle World, 44/99). Spendeneinkünfte aus dem Ausland obliegen grundsätzlich der Zustimmung des Staates. Politische Aktivitäten sowie andere Tätigkeiten, die »die nationale Einheit oder die öffentliche Ordnung gefährden«, sind den NGOs strengstens untersagt. Selbst bei organisationsinternen Personalentscheidungen darf die Staatsmacht ungeniert mitmischen: Sie kann nicht nur gegen die Wahl bestimmter Direktoren-Kandidaten intervenieren, sondern absurderweise selbst Regierungsbeamte für den Führungsstab der NGOs ernennen. Aus NGO mach GO - das ist das Programm, das nicht nur in Ägypten läuft.