Die Somalia-Friedenskonferenz

Clans statt Warlords

In Djibouti wird über Frieden für das vom Bürgerkrieg zerstörte Somalia verhandelt. Der einflussreiche Milizchef Aidid verweigert sich.

In Afrika gibt es nicht nur vergessene Kriege, sondern auch vergessene Friedensprozesse. So gut wie ohne internationale Beachtung scheint sich in Somalia eine Friedenslösung anzubahnen. Denn somalische »Clan-Älteste«, religiöse Führer, Intellektuelle, Friedensaktivisten, gesellschaftliche Gruppen, Frauen und Geschäftsleute sind in Djibouti zur »Somalischen Nationalen Friedenskonferenz« zusammengekommen. Seit dem 2. Mai diskutieren 920 stimmberechtigte Delegierte - darunter mehr als 100 Frauen - in Arta, etwa 30 Kilometer südlich von Djibouti City, die Zukunft ihres Landes. Weitere 1 500 Beobachter und Lobbyisten machen die »Somalische Nationale Friedenskonferenz« zum umfassendsten Forum für Friedensgespräche seit Beginn des Bürgerkrieges.

Nach einem langjährigen Guerillakrieg war der Diktator Siad Barre 1991 nach Saudi-Arabien geflüchtet. Seitdem bekämpften sich verfeindete Milizen und verwandelten das Land am Horn von Afrika in ein Schlachthaus - mit einer kurzen Unterbrechung durch einen verpfuschten Interventionsversuch der US-Administration unter George Bush im Jahr 1992. Obwohl die Kriegshandlungen inzwischen abgeflaut sind, werden immer noch jeden Monat etwa 100 Menschen - Milizionäre wie Zivilisten - getötet. Etwa eine Million Menschen sind von akuter Nahrungsmittelknappheit bedroht.

Die Friedenskonferenz wird von allen großen internationalen Organisationen und Regionalmächten unterstützt. Die UN, die Organisation für Afrikanische Einheit, die EU und die wichtigste regionale Organisation, die Intergovernmental Authority on Development (IGAD) - die aus Djibouti, Eritrea, Äthiopien, Kenia, Somalia, Sudan und Uganda besteht -, sowie die Regierungen von Libyen, Jemen und Ägypten haben den Friedensprozess begrüßt.

Wegen des weitgehenden Zusammenbruchs staatlicher Strukturen in Somalia gab es in den letzten Jahren ein starkes Wachstum an gesellschaftlich aktiven Gruppen. Im Gegensatz zu den bisherigen zwölf Friedenskonferenzen sollen diese Gruppen nun in den Vordergrund gerückt werden. Bislang war das vorrangige Ziel gewesen, ein Abkommen zwischen den Warlords zu erreichen. Deren Milizen waren ursprünglich die bewaffneten Arme von Familienclans, verselbstständigten sich jedoch nach der Flucht Barres. Gut klingende Absichtserklärungen wurden unterzeichnet, jedoch vergessen, sobald die Warlords wieder zu Hause waren.

Doch mittlerweile steht die Kriegsökonomie vor dem Zusammenbruch, und die Warlords sind unfähig, Geld für sich und ihre Milizen aufzutreiben. Meuternde Truppen, die ihren Sold seit Monaten nicht erhalten haben, plünderten im vergangenen Monat die »Villa Somalia«, Residenz des Kommandeurs Hussein Aidid. Dasselbe widerfuhr 1999 Ali Mahdi Mohammed, dem Hauptrivalen Aidids um die Kontrolle der somalischen Hauptstadt Mogadischu.

Grundlegende Struktur der Gesellschaft blieben jedoch Familienclans. Die Größe der Konferenzdelegationen orientierte sich deshalb vorrangig an der jeweiligen Clangröße. Nach dem ersten Monat der Konferenz, der der Aussöhnung gewidmet war, verabschiedete in einer zweiten Phase eine große Mehrheit der Delegierten eine neue »Nationale Charta«. In dieser wird die Wahl einer Übergangsversammlung - wiederum auf der Basis der Clangrößen - festgelegt. Die Versammlung soll einen Regierungschef wählen und dessen Übergangsregierung bestätigen; auf der Grundlage eines föderalen Verwaltungsrechts sollen dann innerhalb von drei Jahren allgemeine Wahlen vorbereitet werden. Zudem soll ein vorläufiges, an der somalischen Verfassung von 1960 orientiertes Justizsystem etabliert werden, als Ersatz der im Verlauf des Bürgerkrieges entstandenen islamischen »Scharia»-Gerichte. Kritische Stimmen äußerten sich besorgt über die auf den Clanstrukturen basierenden Regelungen, da ihrer Meinung nach die Wurzeln des Krieges in den divergierenden Claninteressen liegen.

Grundsätzlich bekannten sich die Delegierten zur »sakrosankten« Unteilbarkeit Somalias und erklärten ihr Ziel einer eng verknüpften somalischen Föderation. Derzeit ist Somalia in drei Gebiete aufgeteilt: Die international nicht anerkannte »Republik Somaliland« im Nordosten, die 1991 die Unabhängigkeit erklärte, die seit 1998 bestehende autonome Region »Puntland« im Nordwesten, und der immer noch schwer umkämpfte Süden.

Dieser Süden - inklusive der Hauptstadt Mogadischu - ist das am meisten zersplitterte Gebiet, und hier sind die Warlords relativ stark. Hussein Aidid, Erbe der Miliz seines berüchtigten Vaters General Mohamed Farah Aidid, hat nach langem Hin und Her seine Teilnahme an der Friedenskonferenz abgesagt. Seine Hauptrivalen Ali Mahdi Mohammed und »Shatgadud« (Rotes Hemd) Dr. Hassan Mohammed Noor, Anführer der Rahanwein Resistance Army (RRA), sind hingegen in Arta.

Ein möglicher Grund für Aidids Haltung: In der neuen Charta wird Baidoa als zeitweilige Hauptstadt genannt - zumindest, bis in Mogadischu »Recht und Ordnung wiederhergestellt sind«. Baidoa war zwischen Aidid und der RRA lange umkämpft, inzwischen kontrolliert Noors Miliz die Stadt. Es wird befürchtet, das die Übergangsregierung in Baidoa unter starkem äthiopischem Einfluss stehen wird. Denn die RRA erhält aktive Militärhilfe der äthiopischen Armee, welche die in der Nähe Baidoas liegende somalische Stadt Luuq seit fast zwei Jahren besetzt hält.

Der stärkste Widerstand gegen die Friedenskonferenz kommt jedoch aus den Regionen im Norden des Landes. Obwohl er als potenzieller Kandidat für den Vorsitz der somalischen Übergangsregierung genannt wurde, stieß der abwesende Präsident der Republik Somaliland, Mohamed Ibrahim Egal, Drohungen gegen seinen an der Konferenz teilnehmenden Vorgänger und Rivalen um die Macht in Somaliland, Abdulrahman Tur, aus. Eine Mehrheit der Bewohner Somalilands scheint die Friedensanstrengungen unter den Vorzeichen einer erzwungenen Wiedervereinigung abzulehnen.

Colonel Abdullahi Yussuf, Chef des von Äthiopien gesponserten Puntland, ist der aggressivste Gegner der Konferenz. Yussuf wurde im Puntland mit Demonstrationen gegen seinen Boykott der Gespräche konfrontiert. Unter den Delegierten ist hingegen sein früherer Innenminister und Rivale um die Führung der autonomen Region, Hassan Abshire Farah. Er ist aus der Regierung Puntlands ausgetreten, um an den Friedensberatungen teilnehmen zu können.

Die Kooperation zwischen den bisherigen Feinden Yussuf und Egal war niemals so eng wie nun in ihrer Opposition zum Djibouti-Plan. Dank des Geldes, das die somalische Diaspora nach Hause geschickt hat, gelang in ihren Regionen ein Neuanfang in der ökonomischen Entwicklung. Sollte sich der Friedensplan als ein Fehlschlag erweisen, könnte sich auch hier die Lage wieder destabilisieren.

Die Hoffnung auf Frieden und Stabilität ist groß. Aber das Hauptproblem der geplanten Übergangsregierung wird es sein, sich effektiv gegenüber den Warlords im Süden zu etablieren. Dafür ist ein Entwaffnungsabkommen essenziell, da es in Somalia an kleinkalibrigen Waffen nur so wimmelt.