Proteste gegen G-8-Gipfel in Okinawa

Geteilter Widerstand

Zum G8-Gipfel auf Okinawa formierten sich vergangene Woche Proteste. An einer Menschenkette gegen die US-Militärpräsenz auf der japanischen Insel beteiligten sich etwa 27 000 Leute, wesentlich weniger demonstrierten für die Schuldenstreichung für die so genannte Dritte Welt.

»Wir fliegen nach Japan«, sagen die BewohnerInnen der japanischen Insel Okinawa vor einer Reise auf die Hauptinseln. Sie selbst fühlen sich diesem Land nur begrenzt zugehörig. Nach der späten Abschaffung des Feudalismus in Japan war das Königreich der Ryu-Kyu-Inseln - mit Okinawa als Hauptinsel - 1878 von Japan als erste Kolonie militärisch unterworfen worden. Die BewohnerInnen kommen ursprünglich aus dem pazifischen Raum.

1945 wurde die Insel als erstes und einziges größeres Stück japanischen »Heimatlandes« in vierwöchigen, äußerst verlustreichen Kämpfen besetzt. Etwa 20 Prozent der EinwohnerInnen starben während der Kampfhandlungen oder bei »Massenselbstmorden« unter dem Druck der japanischen Armee.

In der Nachkriegszeit blieb Okinawa aus strategischen Gründen als große Militärbasis unter direkter Verwaltung der USA. Wohlstand wie in Japan entwickelte sich nicht. Von Okinawa aus starteten die B-52-Bomber zu Angriffen auf Nordvietnam. Und so wurden im Zuge der 68er-Bewegung die zum Teil auch militanten Proteste, die von Gewerkschaften und Universitäten ausgingen, lauter - mit einer starken anti-imperialistischen Tendenz. 1972 musste die Insel an Japan zurückgegeben werden, worüber die damaligen AktivistInnen nicht glücklich waren.

Die Militärbasen blieben. Und mit ihnen die Rotlichtviertel für Soldaten. Nur arbeiten dort mittlerweile kaum noch Japanerinnen, sondern Frauen aus den armen südostasiatischen Ländern. Regelmäßig kommt es zu Protesten - immer dann, wenn Vergewaltigungen durch US-Soldaten bekannt werden. Ein zentral gelegenes Drittel Okinawas ist militärisches Sperrgebiet, der Widerstand gegen die Militärpräsenz der USA wurde erst im letzten Jahrzehnt zögerlich wahrgenommen.

Mittlerweile ist Okinawa auch die Urlaubsinsel für den klassischen Vier-Tages-Trip ans subtropische Meer. In Minutenabständen landen die Charterjets mit erholungsbedürftigen Japanerinnen und Japanern auf dem Flughafen von Naha. Zu den wichtigsten Urlaubszielen gehören die herausgeputzten Gräber der japanischen Soldaten, die 1945 im Kampf für Kaiser, Gott und Vaterland gegen die ungläubigen US-Amerikaner starben.

Der Widerstand auf Okinawa gegen US-Armee und die japanische Zentralregierung, die die US-Präsenz unterstützt, reicht von feministischen, gewerkschaftlichen und antimilitaristischen Gruppen bis in die Mitte des politischen Spektrums. Angesichts der offensichtlichen Missstände hat er seine Berechtigung, ist aber zu sehr von den lokalen Bedingungen bestimmt, als dass er verallgemeinerbar wäre. Rund um weitere US-Basen in Japan sieht es für den Widerstand anders aus.

Davon untrescheiden sich deutlich die Proteste, die sich direkt gegen den G-8-Gipfel wandten. Sie werden von einer insgesamt wenig relevanten Basis von lokalen Bürgerrechtsgruppen, Dritte-Welt-Initiativen, modernen NGOs bis hin zu ehemaligen Regierungsmitgliedern getragen. Deren Ansätze sind so breit wie die Zusammenarbeit der Gruppen gering ist. Internationalistische Strömungen sind ebenso vertreten wie ergraute 68er.

Aber viele Gruppen sind lediglich auf den Zug der NGOs aufgesprungen und vertreten nur systemimmanente Forderungen. Wenn dann noch der ehemalige Vize-Finanzminister Eisuke Sakakibara vor dem US-Finanzdiktat warnt und lokale Strukturen gegen den Globalstandard setzen will, scheint nur noch purer japanischer Nationalismus durch.