Albanische Minderheit in Mazedonien

Studieren für den Volksstaat

Mit einer eigenen Universität steuert Mazedoniens albanische Minderheit auf die Unabhängigkeit zu.

Ein Rohbau aus Backstein ragt in den Himmel. Studenten tummeln sich auf der löcherigen Straße und in den beiden gegenüberliegenden Cafés. Britney Spears und albanischer Rock dröhnen aus den Lautsprechern der studentischen Treffpunkte: Seit knapp drei Monaten hat die Albanische Universität von Tetovo hier ein eigenes Gebäude. Solidarität unter Volksgenossen: In weniger als einem Jahr errichteten Baufirmen im Besitz albanischsprachiger Mazedonier ohne Bezahlung das Bauwerk in einem Vorort der Stadt.

»Die Universität gehört allen, deshalb haben alle eine moralische Verpflichtung zur Solidarität«, erklärt der Rektor der Hochschule, Fadil Sulejmani. Auch wenn es bisher noch keineTelefonanschlüsse und kaum funktionierende Toiletten gibt, werden hier demnächst die meisten der 13 Fachbereiche untergebracht sein.

Die Idee von einer Universität für die albanischsprachige Minderheit ist nicht neu: Bereits 1994 riefen Hochschullehrer aus Mazedonien, dem Kosovo und Albanien die Universität in Tetovo ins Leben. Doch die Regierung in Skopje ließ die neuen Gebäude kurz vor der Eröffnungsfeier zerstören. Die Gründung der staatlich nicht genehmigten Universität sollte verhindert - und die Herausbildung eines parallelen Bildungssystems wie im Kosovo vermieden werden. Dort ging der Untergrund-Unterricht einher mit der Gründung der UCK.

Doch die Freunde albanischer Bildung reagierten: Der Unterricht wurde in leer stehende Wohnungen von Albanern verlegt, die im Ausland leben, und in ein Dorf in der Nähe von Tetovo. Dem Zulauf tat das keinen Abbruch: Zur Zeit studieren knapp 2 000 Angehörige der albanischsprachigen Minderheit in Tetovo, bereits der dritte Jahrgang macht seinen Abschluss.

Nach offiziellen Angaben sprechen rund 23 Prozent der Mazedonier Albanisch. Der Anteil könnte sogar noch höher liegen, da wegen der strengen Einbürgerungsrichtlinien viele Angehörige der Minderheit nicht als Staatsbürger registriert sind. Die meisten von ihnen halten die Hochschule in Tetovo für nötig, um überhaupt Zugang zu höherer Bildung zu erlangen.

Denn die beiden staatlichen Universitäten Mazedoniens liegen in Skopje und Bitola - weit entfernt von dem von der albanischen Minderheit mehrheitlich besiedelten Norden des Landes. Vor 1991, als Mazedonien noch zu Jugoslawien gehörte, war die Situation in dieser Hinsicht einfacher: In Pristina konnten sie auf Albanisch studieren.

Die Regierung sieht in der Universität vor allem einen Hort des Separatismus und des Nationalismus. Eine staatliche Anerkennung der albanischen Bildungseinrichtung wird es daher wohl nicht geben, auch wenn der Unterricht von Behörden und Polizei derzeit nicht behindert wird. Seitdem 1996 bei einem Räumungsversuch der Polizei ein Student getötet und über 100 Personen verletzt wurden, hält man sich von offizieller Seite zurück.

Noch ist die Situation in Mazedonien im Vergleich zu Albanien und dem Kosovo stabil. Trotz einer Arbeitslosenrate von über 30 Prozent sind die Mazedonier, einschließlich der albanischen Minderheit, relativ wohlhabend. Dennoch mehren sich auch hier separatistische Stimmen, und die Ressentiments zwischen den Bevölkerungsgruppen sind groß.

Ein Grund dafür sind die Quoten für öffentliche Institutionen, die die Zugangsmöglichkeiten für Minderheiten sichern sollen: An der Universität von Skopje beispielsweise liegt die Minderheiten-Quote bei zehn Prozent. Doch tatsächlich gehören offiziell fast 30 Prozent der Mazedonier einer Minderheit an. »Albaner werden in Mazedonien als Sklavenarbeiter definiert und sind für die körperliche Drecksarbeit zuständig«, so der Universitätsdirektor Sulejmani. Der Professor für deutsche Philologe argumentiert, die Uni sei eine kulturelle und damit eine unpolitische Institution. In seinem Bemühen um eine staatliche Anerkennung der Universität hofft Sulejmani auf Unterstützung aus dem Westen. Sein besonderes Vertrauen gilt dabei Deutschland: »Die Deutschen sind auf verschiedene Weise daran interessiert, den unterdrückten Völkern zu helfen.«

Wie er das meint, davon kündet in einer Ecke des Gebäudes die Büste eines UCK-Soldaten, die ein Student aus Stein gehauen hat: Während des Kosovo-Krieges gingen rund 200 junge Männer aus Tetovo zur UCK. Noch mehr wollten beitreten, scheiterten aber an den Aufnahmekriterien der Separatisten.

Nun kämpfen die Studenten weiterhin - für eine Anerkennung ihrer Uni-versität. Allein im Mai demonstrierten rund 8 000 Menschen in der Innenstadt. Kämpferische Redebeiträge kamen auf der Kundgebung auch von Funktionären der mazedonisch-albanischen Partei der Demokratischen Prosperität (PDP). Erst in der Opposition hatte die ehemalige Regierungspartei die Hochschulpolitik für sich entdeckt. Seit den Wahlen 1998 sitzt sie gemeinsam mit der Demokratischen Partei der Albaner (DPA) als Vertreterin der albanischen Minderheit wieder in der Regierungskoalition. DPA-Chef Arben Xhaferi verbüßte wegen Hissens der albanischen Flagge schon einmal eine Gefängnisstrafe. Als Minister verhält er sich eher still.

Die Studenten sind enttäuscht, dass die DPA sich an ihr zentrales Wahlversprechen nicht mehr zu erinnern scheint: die staatliche Anerkennung und Finanzierung der Universität in Tetovo. Stattdessen will nun auch Xhaferis Partei die Hochschule in privater Hand lassen. Statt die mazedonisch-albanische Universität zu unterstützen, plant die Regierung eine dreisprachige Einrichtung: Auf einer Management-Schule könnte künftig auf Albanisch, Mazedonisch und Englisch unterrichtet werden. Auch mehrsprachige private Unis stehen bereits zur Diskussion.

Doch den Studenten, die die Proteste organisieren, reicht weder ein Management-Institut noch eine private Hochschule: »Wir sind keine privaten Menschen, sondern Bürger, deshalb wollen wir ein Recht auf staatliche und nicht nur auf private Ausbildung.« Auch wenn sich viele von ihnen nicht als Separatisten, sondern als normale Studenten sehen - vom Pragmatismus der DPA sind sie enttäuscht.