Labour leckt weiter

Benji the Binman

Tony Blair muss sich die Augen gerieben haben: Die undichte Stelle im britischen Regierungsapparat soll ein Müllsack sein, ein schwarzer Plastikbeutel, in dem des Premierministers Meinungsforscher Philip Gould unvorsichtiger Weise den Abfall aus seinem Arbeitszimmer entsorgte? Der Mann, der der Öffentlichkeit die Momentaufnahmen aus der New-Labour-Administration zugänglich machte, einer, der unter psychotischer Sammelwut leidet und sich seine Begeisterung für das Ausräumen von Abfalltonnen mittlerweile von den Medien gut bezahlen lässt?

»Benji the Binman« heißt mit bürgerlichem Namen Benjamin Pell. Als Müllmann verkleidet, fährt der 36jährige täglich mit einem Pritschenwagen seine Runde durch die Innenstadt und die Nobelviertel der britischen Hauptstadt. Mehrmals wurde er schon wegen »Mülldiebstahls« zu kleineren Strafen verurteilt. Trotzdem lässt sich von dem, was prominente Briten, vom Spice-Girl Posh Spice bis zu den engsten Beratern des Regierungschefs, unachtsam wegwerfen, gut leben.

Darum geht es Pell aber angeblich gar nicht, er tut es wegen des »Thrills« - sagt zumindest Max Clifford. Der Publizist führt für Pell die Verhandlungen und gestand vergangene Woche, hinter der Serie der Veröffentlichungen vertraulicher Dokumente in der rechten Murdoch-Presse zu stehen, die der Regierung seit Mitte Juli das Leben vergällt (Jungle World, 31/00). Das Pikante daran: Clifford, der als Journalist einige Prominenz genießt, galt bislang als Parteigänger Blairs. Seine Enthüllungen über Sex-Affären prominenter Tories sollen Blairs Wahlsieg 1997 dienlich gewesen sein.

Doch nun scheint Clifford den Gefallen an New Labour verloren zu haben. Wann immer ein prominentes Regierungsmitglied in den letzten beiden Wochen mit einem bedeutsamen Statement an die Öffentlichkeit treten wollte, lenkten Sun und Times mit einer neuen Publikation aus Benjis Müllsammlung ab.

Zuletzt traf es Blair selbst: Den groß angelegten Plan zur Reform des Staatlichen Gesundheitsdienstes hielt der Regierungschef für so bedeutsam, dass er seine Präsentation vor dem Unterhaus nicht Gesundheitsminister Alan Milburn überlassen wollte: Mit der Einstellung von neuem Gesundheitspersonal und dem Bau neuer Krankenhäuser sollen innerhalb der nächsten Jahre die oft auch bei dringenden Therapie-Maßnahmen monatelangen Wartezeiten reduziert werden. Geschickt im Sommerloch platziert, hätte der Plan eigentlich einige Wochen lang New Labour in ein günstiges Licht rücken sollen.

Doch prompt erschien in Sun und Times ein neues internes Papier aus Downing Street. Neben der Bekräftigung des schon vorher offenkundig gewordenen Populismus bei den »toughness issues« (Blair) wie Law and Order und Militär stand in dem »Standing up for Britain« überschriebenen Text Blairs Haltung zum Euro im Vordergrund: »Politisch«, so der Premier, »spricht so gut wie alles für den Euro. Aber die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen stimmen, und das tun sie zur Zeit nicht.« Letztlich gehe es aber auch beim Euro-Beitritt darum, Großbritanniens »Macht und Einfluss« zu mehren. Es sollte verwundern, wenn die Veröffentlichung solcher Positionen Blair wirklich schadete.