Gescheiterte Bankenfusion

Bildet Banken!

Nach der geplatzten Fusion von Dresdner Bank und Commerzbank wird der Bereinigungsprozess im deutschen Bankenwesen auf europäischer Ebene fortgesetzt.

Kunden fragen sich schon lange: Wieso sind an einer Straßenecke eine Aral-, eine Esso- und eine Shell-Tankstelle, obwohl sich doch der Sprit und das Supermarktangebot gleichen? Wäre das nicht effizienter zu machen? Eine Riesentanke für alle? Das Gleiche gilt für die Finanzinstitute: die Dresdner Bank neben der Commerzbank und der Deutschen Bank, an der nächsten Ecke eine Sparkasse und eine Volksbank. Eine Megabank für alle? Tatsächlich gibt es im Bankensektor einen Bereinigungsprozess, an dessen Ende eine solche Megabank stehen könnte. Doch genauso unterschiedlich wie die Konzepte der Banken zur Umstrukturierung des Finanzsektors sind die Interessen der Anteilseigner. Diese Widersprüche entluden sich am Mittwoch vergangener Woche in einem zweiten Fusionsflop.

Nachdem im April die Fusion zwischen Deutscher und Dresdner Bank zum weltgrößten Geldinstitut gescheitert war, wurden letzten Mittwoch auch die Gespräche zwischen Dresdner- und Commerzbank erfolglos abgebrochen. Die Aktie der Dresdner Bank verlor kräftig an Wert. Sie hatte sich ohnehin im letzten Jahr - wie auch das Papier der Commerzbank - schlechter entwickelt als der Dax. Als Grund des Scheiterns nannten die Bankenhäuser, man sei sich über die Bewertung der beiden Unternehmen nicht einig geworden.

Ein Pooling of Interest, bei dem beide Geldinstitute annähernd gleich bewertet würden, kam für die Dresdner, die vorgeschlagene Bewertung von 60:40 für die Commerzbank nicht in Frage. Doch wenn der Chef der Commerzbank, Martin Kohlhausen, die »Fusionitis« im Bankensektor als »krankhaft« bezeichnet, und der Geschäftsführer des größten Anteilseigners Cobra, Hansgeorg Hofmann, öffentlich erklärt, er werde die Fusion blockieren, dann ist die Freude über den Flop nicht nur zwischen den Zeilen zu lesen.

Die Wirtschaftspresse reagierte uneinheitlich. Es wurde »die letzte Chance, im Rahmen der Konsolidierung eine deutsche Lösung zu erreichen, vertan«, und es müsse nun »nach einer europäischen Lösung gefahndet werden« (Handelsblatt). Schlagen die einen für den »Finanzplatz Frankfurt Trauerbeflaggung« vor (Handelsblatt), begrüßen die anderen das Scheitern der Fusion als »wichtigen Schritt« in Richtung eines »europäischen Bankensystems« (Financial Times, FTD).

Tatsächlich stehen sich bei der Neuordnung des deutschen Finanzsektors eine deutsche und eine europäische Lösung gegenüber. Die deutsche bestünde im Zusammenschluss von mindestens zwei der großen Geldhäuser. Eine so entstehende Megabank wäre marktbeherrschend in Europa und global wettbewerbsfähig. Die europäische Lösung baut auf eine Kooperation verschiedener europäischer Geldhäuser in bestimmten Bereichen. Diese könnte eine Zerschlagung der deutschen Universalbanken in Teilinstitute mit sich bringen, die dann mit anderen spezialisierteren Geldhäusern verschmelzen könnten.

Die deutschen Großbanken haben sich auf diese Neuordnung vorbereitet und Struktur, Größe und Angebotspalette auf sie ausgerichtet. Die Commerzbank verfolgt ein Konzept grenzüberschreitender Netzwerke mit befreundeten Partnerbanken in Europa. Der italienische Versicherungsanbieter Generali und die Banca Intesa sowie die spanische Großbank Banco Santander Central Hispano (BSCH) besitzen insgesamt rund elf Prozent der Commerzbank-Aktien. Die Commerzbank ihrerseits ist an den drei befreundeten Instituten Banco Santander, Banca Intesa und Generali beteiligt. Generali und Commerzbank vertreiben an ihren Schaltern die Produkte beider Häuser.

Dieses Vernetzungskonzept wird nun vom eigenen Anteilseigner torpediert. Der Investor Cobra, dahinter verbirgt sich eine niederländische Gruppe namens Rebon, hält über 17 Prozent der Commerzbank-Aktien. Cobra favorisiert eine paneuropäische Lösung. Ziel der Investorengruppe ist aber nicht der Ausbau des Netzwerkes. Vielmehr sollen die Einzelteile Stück für Stück verkauft werden. Die »befreundeten Partner« haben bereits Interesse angemeldet. Generali hat ein Auge auf die Fondsaktivitäten der Commerzbank geworfen, die Banca Intesa hofft auf die Übernahme der Investment-Geschäfte und die BSCH auf den Direktbroking-Bereich, also den Börsenhandel im Internet.

Die Commerzbank wird schon lange als Übernahmekandidatin gehandelt. Im Schatten der beiden wirklich Großen gilt sie bei Analysten als zu klein, um als universales Geldhaus international bestehen zu können. Gleichzeitig ist sie nicht groß genug, um mit milliardenschweren Investitionen in Computer und Software den Weg in den e-Commerce zu gehen und an Finanzdienstleistungen als Massengeschäft zu verdienen. Andererseits ist es für die Bank angesichts ihrer Größe nicht mehr möglich, als spezifischer Nischenanbieter zu überleben. Trotzdem kann die kleinste unter den drei Großen mit 911 Millionen Euro Jahresüberschuss das vergangene als erfolgreichstes Geschäftsjahr ihrer Geschichte verbuchen - ein Plus von fünfzig Prozent in nur zwei Jahren.

Die Allianz favorisiert als größter Anteilseigner der Dresdner Bank eine deutsche Lösung der Fusionsfrage. Der Münchner Versicherungskonzern gilt als einflußreiche Kraft im Hintergrund, ihr Chef Henning Schulte-Noelle als »der wichtigste Strippenzieher der deutschen Wirtschaft« (Süddeutsche Zeitung). Mit den beiden gescheiterten Fusionsanläufen wollte die Allianz verhindern, dass die Dresdner Übernahmeziel europäischer Banken wird. Dies ist jetzt im zweiten Anlauf fehlgeschlagen.

Die Allianz hätte bei einer erfolgreichen Fusion die Filialnetze beider Banken als Vertriebskanal für ihre Anlageprodukte nutzen können - Versicherungen, Spareinlagen, Aktien und Fondsanteile in einem Haus. Massive Einsparungen im Privatkundenbereich wären möglich geworden. Ein Drittel der Bankschalter hätte geschlossen werden können. Nach Angaben von Hinrich Feddersen, einemVorstandsmitglied der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), hätte die Fusion 20 000 Arbeitsplätze gekostet. Ein erster Stellenabbau wurde bereits nach der gescheiterten Fusion mit der Deutschen Bank eingeleitet. Bis Jahresende werden 50 Filialen geschlossen, weitere 250 sollen es in den nächsten drei Jahren sein.

Nun will der Chef der Dresdner Bank, Bernd Fahrenholz, vom herkömmlichen Modell einer Universalbank abweichen. Er setzt auf das Konzept einer »fokussierten europäischen Beraterbank«. Sein Ziel ist die Schaffung weitgehend selbständiger Unternehmensbereiche als europäische Notlösung nach der gescheiterten Fusion.

Die Umstrukturierung der Großbanken folgt zwei Besonderheiten des deutschen Bankenwesens. Zum einen gilt das Privatkundengeschäft als besonders unrentabel. In Deutschland gibt es rund doppelt so viele Bankfilialen wie in den USA. Zum anderen können die Sparkassen dank der Garantien im öffentlich-rechtlichen Sektor günstigere Leistungen anbieten. Sie betreiben fast dreimal so viele Filialen wie die Geschäftsbanken, jede zweite EC-Karte stammt von einer Sparkasse. Dieser »verharzte deutsche Markt« (FTD) wird als unzulässige Verzerrung im internationalen Wettbewerb angesehen. Daher möchte die Allianz den öffentlichen Sektor privatisieren und die Sparkassen mit ihrer »Marktpenetration von rund 50 Prozent« (FTD) übernehmen.

Zunächst aber haben mit den gescheiterten Fusionen die je kleineren der Großbanken ihre Abwicklung verhindern können. Die Bereinigung des deutschen Bankenmarktes ist also längst nicht abgeschlossen. Ihr Verlauf wird auf europäischer Ebene geregelt werden. Die Geldhäuser versuchen, sich mit unterschiedlichen Konzepten neu zu organisieren, um den mitunter widersprüchlichen Vorhaben ihrer mächtigen shareholder zu entkommen.