Entwicklungspolitik und Expo 2000

Trickreich hungern

Deutsche Entwicklungspolitik hat entdeckt: Arme sind nicht das Problem, sondern die Lösung. Der »Global Dialogue« der Expo vereint Regierung und NGOs. Bilder einer Ausstellung VIII.

Genderprogramme zur Modernisierung der Nationalpolizei in Nicaragua oder Runde Tische zwischen Ölkonzernen, UreinwohnerInnen und der Regierung im Amazonas: Solche und andere Beispiele wurden vergangene Woche auf der Expo im Rahmen des Global Dialogue »Fighting Poverty - Wege aus der Armut« vorgestellt. Armutsbekämpfung wurde hier weit gefasst, schließlich sei Armut häufig Grund für Migration, Umweltzerstörung und Kriege, so die Devise der deutschen Ausrichter der Konferenz. Abhilfe sollen »soziale Innovationen« und »neue Koalitionen« schaffen.

Zehn Global Dialogues werden im Laufe der Expo unter der Schirmherrschaft des Club of Rome von verschiedenen nationalen und internationalen Organisationen veranstaltet. Diesmal war die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) federführend. Sie ist das Hauptorgan staatlicher Entwicklungspolitik und wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für die Umsetzung seines Beitrags zur Expo ausgewählt. Die Gästeliste der Konferenz reichte vom Präsidenten des Club of Rome bis zum indischen Staudamm-Aktivisten oder von der kenianischen Professorin bis zum US-amerikanischen Gründer einer Internet-Plattform für Entwicklungszusammenarbeit. Das breite Publikum wurde mit einer Talkshow mit Sabine Christiansen angelockt, den nötigen Hauch Exotik lieferte eine Grußbotschaft der Königin von Bhutan.

Aus den Kongressunterlagen wird vor allem eines deutlich: Die deutsche Entwicklungspolitik sucht angesichts wachsender weltweiter Armut Auswege und ist dabei auf die Idee gekommen, sich um neue Akteure zu kümmern. Das sind einerseits die Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich eben mit Ölkonzernen und Regierungen an einen Tisch setzen sollen, andererseits die armen Bevölkerungsschichten, die sozialromantisch verklärt werden: »Häufig sind es die Armen selbst, die mit viel Einfallsreichtum das Heft in die Hand nehmen, um ihre Situation zu verbessern. Sie sind ein Teil der Lösung des Problems - und nicht das Problem.« Kulturalismus schwingt mit, wo einerseits behauptet wird, arme Menschen bezögen sich auf ihre Kultur als »Mittel der Selbstdefinition und Mobilisierung« und andererseits Kultur für die Reproduktion von Ungleichheit und Herrschaft verantwortlich gemacht wird.

Besonders Afrika eignet sich für solche Projektionen. Der Sprecher der entwicklungspolitischen Initiative One World, Andreas von Schumann, erklärt, es gehe in der Afrikahalle der Weltausstellung darum, bei den BesucherInnen Sympathie für diesen Kontinent zu wecken und ihnen zugleich ein differenzierteres Bild zu vermitteln. Mit gewissen Einschränkungen: »Das ganze Afrika können wir natürlich nicht abbilden, da würden wir unseren Besucher überfordern.« Dieser erfährt stattdessen von »Tatendrang und Bedächtigkeit« der Bewohner des Kontinents.

Rund 30 Millionen Mark hat sich die GTZ die Einrichtung der Afrikahalle kosten lassen. Stolz wird dem südafrikanischen Botschafter Sibu Siso Bengu im hauseigenen Magazin die Frage gestellt, ob die gemeinsame Präsentation von 40 afrikanischen Ländern ein hoffnungsvolles Zeichen sei. Die trockene Antwort lautete: »Es wäre eine gewaltige Übertreibung, wollte man behaupten, dies sei ein hoffnungsvolles oder ein deprimierendes Signal. Die Expo ist eine Show. Die Realität ist da zu finden, wo die Menschen leben und ihre Ideen und Ideale verwirklichen.« Doch diesmal ist die GTZ für die Show-Effekte zuständig. Dazu gehört auch das Logo der One-World-Initiative, das sämtliche entwicklungspolitischen Beiträge auf der Expo ziert: drei kleine Figuren fassen sich an den Händen und bilden einen Kreis, die »eine Welt« eben.

Händchenhalten ist aber nicht nur zwischen den »Völkern«, sondern auch bei den unterschiedlichen Akteuren der Entwicklungspolitik angesagt: »Die Front verläuft nicht zwischen Nichtregierungsorgansiationen und halbstaatlichen oder staatlichen Einrichtungen«, erklärt One-World-Sprecher Andreas von Schumann, »sondern zwischen den Politikfeldern«. Entwicklungspolitik leiste wesentlich billigere und effektivere Krisenprävention als eine militärische Intervention, die aus dem besser bestückten Verteidigungshaushalt finanziert werde. Deshalb müsse sie als fester Bestandteil von Sicherheits- und Wirtschaftspolitik verstanden werden.

Damit wird die Entwicklungspolitik Teil einer globalen Strukturpolitik, wie sie Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) betreiben möchte. Entscheidungen sollen nicht mehr allein auf staatlicher Ebene, sondern dezentral gefällt werden. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den NGOs und internationalen Netzwerken zu - womit Machtverhältnisse nur undurchsichtiger werden und das auch unter NGOs bestehende Nord-Süd-Gefälle keinesfalls aufgehoben wird. Nicht ohne Grund feiert sich die GTZ als »Netzwerkzentrum zur Gestaltung globaler Strukturen« und ist wichtiger Teil der »internationalen Entwicklungsarchitektur«, die sich Wieczorek-Zeul wünscht.

Ein weiteres Motiv des BMZ, sich um Bündnispartner zu bemühen, nennt Bernd Eisenblätter, der Geschäftsführer der GTZ. Nicht-Regierungsorganisationen und Kirchen könnten »das altruistische und solidarische Element sehr viel besser bedienen als die staatliche Entwicklungszusammenarbeit«. Davon erhofft er sich eine Image-Verbesserung für die Entwicklungspolitik. Denn der werden stetig die Gelder gekürzt. Der Anteil der öffentlichen Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit am Bruttosozialprodukt sank in der Bundesrepulik zwischen 1996 und 1999 von 0,32 auf 0,26 Prozent - über eine Milliarde Mark weniger.

Diese Entwicklung wird in der Abschlusserklärung des Global Dialogue scharf kritisiert. Die TeilnehmerInnen fordern darin nicht nur mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit. Sie verweisen auch - kritischer als die Erklärungen der GTZ - auf strukturelle Gründe für Armut und ungleiche Macht- und Besitzverhältnisse. Doch an vielen Stellen wird höflich der Einsatz der deutschen Gastgeber betont, etwa die Entschuldungsiniative von Bundeskanzler Gerhard Schröder oder das Versprechen von Wieczorek-Zeul, bei den Vereinten Nationen und der Weltbank die Konsultation von lokalen NGO-VertreterInnen anzuregen.

Ein Ziel des Global Dialogue in Hannover dürfte damit schon erreicht sein: Deutschland erscheint als Fürsprecher der Armen in der Welt.