NPD-Verbot

Von Schönbohm lernen

Ein Verbot der NPD wird die Rechtsradikalen nicht aufhalten.

Ganz besonders schmerzt es, wenn man demjenigen Recht geben muss, dessen Auffassung normalerweise der eigenen diametral entgegensteht. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) meint, der Versuch, die NPD zu verbieten, sei »reiner Dilettantismus«. Der Mann hat Recht. Interessant ist jedoch, dass bei der Frage, wie gegen Rassismus und Antisemitismus vorzugehen sei, die Fronten quer durch die Parteien und politischen Fraktionen gehen.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU), nicht bekannt als Vertreter der subtilen Terminologie und des differenzierten Denkens, fordert termingerecht zu Beginn des Sommerlochs ein Verbot der NPD. Auch Umweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) will das. Es wächst also zusammen, was zusammengehört: Die Vertreter des Obrigkeitsstaates arbeiten den Vertretern der Erziehungsdiktatur zu. Wahrscheinlich hat die CSU bei den Grünen einen V-Mann, der den Bayern rechtzeitig verriet, dass die Partei der etablierten Mittelschichten plante, sich beim Thema »Innere Sicherheit« alias »der Staat muss härter durchgreifen« profilieren wollte, weshalb Politprofi Beckstein den Grünen zuvorkommen konnte.

Wer Parteien verbieten will, hat nichts begriffen - weder was das Problem ist, noch wie dagegen vorzugehen wäre. Die NPD, wie sie wirkt und was sie bedeutet, wird maßlos überschätzt. Das liegt am traditionellen Politikverständnis der Linken. Politik, das ist eine Satzung, ein Kassenwart, ein Programm, das ohnehin keiner kennt, Durchführungsverordnungen und Ausführungsbestimmungen für ordentlich »durchgeführte« Mitgliederversammlungen. Wenn ein Nazi aus der Kameradschaft Brauhne Onkelz einem anderen Nazi vom Sturm Klein Kleckersdorf die Hand schüttelt, dann ist das für die Antifa, falls sie das beobachtet hat, eine »Struktur«. Die Deutschen, insbesondere die Linken, lassen sich ihre Strukturen nicht nehmen. Ohne Struktur versteht der Deutsche nur Bahnhof. Deshalb muss man Strukturen erst offen legen und dann zerschlagen.

Die rassistische Alltagskultur funktioniert gerade deshalb, weil die meisten Rassisten sich nicht als Nazis gerieren und verstehen, sondern als nationalbewusste Deutsche, die weder durch ihre Symbole noch durch ihre Meinung unter den Stinknormalen unangenehm auffallen. Jeder Statistiker vom BKA weiß, dass rassistische und antisemitische Straftaten mehrheitlich von »unorganisierten« jungen Männern begangen werden. Und die Linke vermutet, dass Agitation und Propaganda der »Nazi-Strukturen« der NPD dafür verantwortlich wäre. Auch falsch oder nur im Einzelfall richtig.

Die NPD schwimmt wie ein braunes Fettauge auf der rassistischen Suppe. Die Suppe schmeckt genauso, wenn man das Fettauge entfernt. Es ist nicht strafverschärfend oder ein Anzeichen für eine klandestine Struktur, wenn bei Nazis einschlägige Flugblätter gefunden werden. Niemand gerät durch Medien, also Propaganda, in die rechte Szene - immer nur über persönliche Bekannte, über Freizeit-Events oder weil er oder sie genau das denkt, was die Eltern am Küchentisch nur leise vor sich hin murmeln. Deshalb ist die Logistik einer Partei im Zeitalter des Internet und der E-Mails irrelevant. Strukturen, zudem informelle wie im braunen Milieu, kann man nicht verbieten. Die einzige Struktur, die Beckstein und Trittin verbieten sollten, sind die V-Männer des Verfassungsschutzes, die oft genug gerade die fanatischsten Propagandisten des braunen Terrors waren und sind.

Die Verbotsdiskussion führen die Deutschen allein. Österreich hat bekanntlich noch härtere Gesetze gegen Rechts. Auf die »Wiederbetätigung«, also den Versuch, eine »Struktur« wie die NSDAP neu zu gründen, stehen mindestens zehn Jahre ohne Bewährung. Das Ergebnis der Absicht, juristisch gegen ganz Rechts mit null Toleranz durchzugreifen, ist bekannt. Ein US-Jurist würde fassungslos den Kopf schütteln, wenn man ihm die Eckwerte des deutschen Antifaschismus referierte: Verbote? Den Nazis das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit entziehen? Telefone abklemmen, wie es ein PDS-Hinterbänkler fordert? Internet-Blockwarte, die rechte Websites sofort der Polizei melden?

Und der Gipfel der Absurdität: Deutsche Linke fordern, dass der Staat und die Justiz bestimmen, was »rechts« ist! Deutsch bleibt deutsch, da helfen keine Pillen.