Hamburger Behörden gegen Rechts

Sturm im Einmachglas

Auch Hamburg kämpft gegen Rechts. Vergangene Woche wurde eine neonazistische Organisation verboten.

Es hat sich wohl herumgesprochen. Der Standort Deutschland macht auf Antifa. Gemeinsam gegen Rechts - auf allen Ebenen, doch mit welchen Mitteln? Die Bund-Länder-Gruppe zum NPD-Verbot war kaum ins Leben gerufen, da preschte der Hamburger Senat nach vorn.

Vergangenen Freitag gab Hamburgs SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage das Verbot der neonazistischen Kameradschaft Hamburger Sturm samt ihres gleichnamigen Kampfblattes bekannt. Die Gruppierung verherrliche den Nationalsozialismus, vertrete rassistische Inhalte und habe eine kämpferische Haltung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, so die Verbotsbegründung. Da ist hartes Durchgreifen angesagt. So durchsuchten Polizeibeamte am Freitagmorgen die Wohnung von Torben Klebe, einem führenden Aktivisten der Gruppierung, überreichten dem 23jährigen Neonazi die Verbotsverfügung und beschlagnahmten umfangreiches Beweismaterial - Disketten und die übliche Nazi-Propaganda.

Mit dieser Aktion haben deutsche Sicherheitsbehörden erstmals eine Kameradschaft aus dem militanten Neonazi-Netzwerk der Freien Nationalisten verboten. Nach dem Verbot der Nationalen Liste (NL) und der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) 1995 hatten die Vorsitzenden der Hamburger NL, Thomas Wulff und Christian Worch, gemeinsam mit dem niedersächsischen FAP-Landesvorsitzenden Thorsten Heise das Organisationsmodell der »Kameradschaften« ersonnen, um Vereins- und Parteienverbote künftig umgehen zu können.

Dass diese Strategie über fünf Jahre lang erfolgreich war, ist kaum verwunderlich. Um den Hamburger Sturm verbieten zu können, habe man erst juristisches »Neuland betreten« müssen, erklärte Wrocklage. Der Hamburger Sturm sei nicht nur eine Publikation, sondern zugleich eine Gesinnungsgemeinschaft. Und damit erfülle sie alle Voraussetzungen, um als Vereinigung im Sinne des Vereinsrecht gelten zu können. Denn die »Erstellung einer Publikation« sei »ohne die Unterordnung der Beteiligten unter einen Gesamtwillen nicht denkbar«, außerdem trete die Vereinigung »auch unter dem Namen 'Hamburger Sturm 18' in der Öffentlichkeit auf«.

Erst nach »gut drei Monaten intensiver Arbeit mit Aufklärung, Auswertung von Material und rechtlichen Prüfungen konnten wir die entsprechende Verfügung erstellen. Wir haben uns damit sehr schwer getan«, ließ Wrocklage wissen.

Die Beweise, die Wrocklage nun anführt, dürften den Hamburger Innenbehörden jedoch schon länger bekannt sein. Die Aktivisten des Hamburger Sturm treten seit 1999 als Kameradschaft Hamburger Sturm 18 - die beiden Ziffern stehen für Adolf Hitler - bei Neonazi-Aufmärschen in Erscheinung. Rund 20 Personen zählen zum festen Kern der Gruppierung, deren Anführer über beste Kontakte zum Aktionsbündnis Norddeutschland um Wulff und Worch verfügen. Torben Klebe, der früher schon wegen des Vertriebes indizierter CDs verurteilt worden war, ist zudem in der deutschen Sektion des internationalen Blood & Honour-Netzwerkes tätig. Ein weiterer exponierter Aktivist, Jan Steffen Holthusen, ist wegen Körperverletzung vorbestraft und mischt beim rechtsextremen Club 88 in Neumünster mit.

Der Hamburger Sturm wurde seit 1994 von Aktivisten der später verbotenen NL herausgegeben, das Blatt firmierte bis 1996 unter dem Namen Bramfelder Sturm. Sechs Jahre lang erschien das bundesweit vertriebene neonazistische Propagandablatt nur unregelmäßig und in einer Auflage von mehreren Hundert Exemplaren. Zuletzt wartete man mit einer eigenen Internetpräsenz auf. Neben Konzert- und Plattenbesprechungen wurde über die Aktionen des Nationalen Widerstands berichtet, auch Anti-Antifa-Listen wurden veröffentlicht. Letztes Jahr propagierten die so genannten braunen Zellen in einem Interview den bewaffneten Kampf: »Wir sind im Krieg mit diesem System und da gehen nun mal Bullen oder sonstige Feinde drauf«, gaben die Gesprächspartner des Hamburger Sturm zum Besten.

Damals wollte Hamburgs Verfassungsschutzpräsident Reinhard Wagner in solchen Äußerungen weder »Werbung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung« erkennen, noch sah er einen Anlass zu juristischen Schritten gegen die braunen Terror-Propagandisten - typisch für die Hansestadt.

Denn dort sorgte der rotgrüne Senat - bevor die bundesweite Debatte um die »rechte Gefahr« begonnen hatte - meist für einen reibungslosen Ablauf von Neonazi-Aufmärschen und -Veranstaltungen.

Wegen dieser Situation forderten Gewerkschaften und Initiativen, dass der Senat nicht nur von der Bevölkerung »Zivilcourage« erwarten solle, sondern selbst handeln müsse. Bis Ende letzter Woche blieben derartige Appelle ohne Erfolg. Am Samstag vor zwei Wochen ging in einer Disko in der Hamburger Innenstadt ein Blood & Honour-Konzert unter Polizeiaufsicht über die Bühne. Über 400 Neonazis kamen zu der »Verlobungsfeier«, die Torsten Klebe organisiert hatte.

»Hamburg ist ein Streichelzoo für Neonazis«, kommentierte Lutz Jobs von der Bürgerschaftsgruppe Regenbogen kürzlich die Appeasement-Politik der Hamburger Behörden. Derartige Diffamierungen will Hartmuth Wrocklage in Zukunft nicht mehr gelten lassen. Denn »mit dem Verbot beweist Hamburg einmal mehr, offensiv die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zu führen«.

In der Tat verliert die militante Neonazi-Szene durch das Verbot ein wichtiges publizistisches Bindeglied zwischen Skinheads und Freien Nationalisten. Die betroffenen Kameraden hingegen werden wohl bei den Kameradschaften aus dem Umfeld des Aktionsbündnisses Norddeutschland unterkommen.

Dessen Anführer, das Neonazi-Duo Wulff und Worch, hat bereits den nächsten Nazi-Aufmarsch in Hamburg angemeldet. Am 19. August wollen sie gegen die »Lügen und Hetze der Bild-Zeitung« durch die Innenstadt marschieren. Die nächste Gelegenheit zur offensiven Auseinandersetzung - nicht nur für Wrocklage.