Antirassistische Strategien

Antifa heißt Szene

Die Linke braucht sich für den gesellschaftlichen Ruck gegen Rechts nicht zu interessieren.

Neulich in der Halbzeitpause des Fußballspiels Deutschland gegen Spanien - also zu »Beginn der Rehabilitation«, wie der Moderator meinte - hörte ich folgende Meldung im »heute journal»: Die Bundesregierung stellt 75 Millionen Mark im Kampf gegen den Rechtsradikalismus zur Verfügung. Erstaunt fragte ich mich, ob Jugendbetreuer und private Initiativen gegen Rechts, autonome Gruppen, Antifa-Cafés, Info- und Buchläden jetzt endlich für ihre Arbeit bezahlt werden?

Nicht wirklich. Man wolle frische Ansätze anschieben, hieß es in der Nachricht weiter. Das viele schöne Geld - das steuergünstig in drei Jahresraten zu jeweils 25 Millionen Mark verteilt werden soll - sei vielmehr für Betriebe gedacht, die Fremdenfeindschaft abbauen wollen, wenn auch nur per »Beratung und Betreuung«. Die neue, unternehmerfreundliche »Geld-gegen-Rechts-Strategie« löst das schon seit 1996 als gescheitert geltende, ebenfalls von oben finanzierte Konzept der »akzeptierenden Sozialarbeit« ab. Rot-Grün mistet das CDU/FDP-Aktionsprogramm gegen Agression und Gewalt aus, weil es - Ausnahmen bestätigen die Regel - durch und durch kontraproduktiv war. Ost-Jugendclubs wurden von Rechten zu Nazi-Skin-Basislagern und Proberäume zu Oi!-Bühnen für den nächsten Fronteinsatz in der national befreiten Zone umgemodelt - mit staatlicher Förderung. Wer das in den letzten zehn Jahren nicht sehen oder sagen wollte, tut es, obwohl Empörung verlangt wird, auch heute nicht.

Während jahrelang nur die gröbsten Auswüchse des alltäglichen und staatlichen Rassismus für Schlagzeilen sorgten, herrscht nun plötzlich Großalarmstimmung. Das ist von Schröder bis zu Künast und von der FAZ bis zur taz für jeden von Interesse - das sich meist überschneidet mit dem der zivilen Republik Deutschland. Die acht Jahre seit Rostock scheinen gerade gereicht zu haben, um den Bürgern wieder einen fettgeschriebenen Hype aus der rechten Ecke zumuten zu können. Die Dringlichkeit, sich gegen Rechts zu profilieren, ist im Jahr zwei von Rot-Grün nicht größer als an jedem anderen Tag im wiedervereinten Deutschland.

Doch bekanntlich wird die Aufregung sich ebenso legen wie das Interesse an einem beliebigen Parteispendenskandal oder das Trara um die Pipiattacke des Hannoverprinzen. Der staatliche Antifaschismus wird abflammen wie eine Lichterkette. Deshalb ändert sich trotz des regierungsamtlichen Antifa-Aufschreis auch für Linke erstmal nichts. Gruppen wie kanak attack, kein mensch ist illegal und andere müssen heute ebenso wenig an der Wichtigkeit ihrer Arbeit zweifeln wie zu jeder anderen Zeit in der Berliner Republik.

Angesichts des Betroffenheitswahns der Bürgerbollwerke gegen Rechts und der brandneuen Internetseiten zum Thema hat die Linke nichts zu verlieren außer ihrer Lebensart. Egal, ob die antirassistische Praxis nun aus aufdeckender Berichterstattung, Benefizveranstaltungen - etwa für den von deutschen Rassisten zusammengeschlagenen Musiker der Band Universal Congress Of -, aus Aktivitäten zur Freilassung des schwarzen Journalisten und Move-Angehörigen Mumia Abu-Jamal oder dem jährlichen Grenzcamp in Ostdeutschland besteht.

Natürlich gilt immer, dass die Strategie zur Überwindung der gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen mit diesen auch abgeglichen werden muss. Aber hektischer Aktionismus taugt nicht als Reaktion auf den Aufschrei einer nationalliberalen Mehrheit. Die bloße Bestätigung der eigenen Produktivität wirkt, zumindest auf mich, immer aufgesetzt und autoritär.

Ich glaube, dass die Verquickung verschiedenster künstlerischer Spielarten - bildende Kunst, Musik plus Text und demnächst vielleicht auch mal wieder Theater - mit den älteren, deswegen aber keineswegs unwahreren Inhalten und Idealen immer wieder ein lohnenswerter Versuch ist, den Rechten etwas entgegenzusetzen. Ikke und meene Kumpels und Kumpelinnen vom Dorf sind erst durch das bewusst politische Auftreten von Bands oder Einzelkünstlern selbst offensiver geworden. Das für mich wichtigste Beispiel einer kritischen künstlerischen Sicht auf die nicht so geilen Dinge lieferte das englische Musikerkollektiv crass. Wer die Kritik nicht teilte, hörte Scorpions und sitzt jetzt in der Neuen Mitte, Standort Potsdamer Platz.

Nichts wird schöner, nichts dreht sich zurück. Umgekehrt proportional zu den wachsenden Gewinnen der Sportschuhindustrie verschlechtert sich der Zustand derer, die sich diese Produkte sowieso nicht leisten können. Deshalb ist grundsätzlicher Dogmatismus, die ureigensten Ideen linker Politik betreffend, durchaus angebracht. Ideale und persönliche Lebensausrichtung unterliegen keiner Mode, dem antifaschistischen Zeitgeist folgende Innovationen sind nicht vonnöten - auch wenn linke Politik nicht eben attraktiver wird, wenn sie sich dem Trend verweigert.

Schorsch Kamerun ist Sänger der Goldenen Zitronen.