Militante Neonazis in Österreich

Wiens bessere Deutsche

Wählen statt zündeln: Österreichs militante Neonazis können sich auf die starke Hand der FPÖ verlassen.

Von Berlin lernen, heißt siegen lernen. Auch in den österreichischen Medien wird mit dem Thema Rechtsextremismus derzeit das Sommerloch gestopft. Doch Gegenstand der Berichterstattung ist nicht etwa die FPÖ, sondern die »braune Gefahr« in Deutschland. Die entlastende Funktion derartiger journalistischer Hinweise geben selbst Apologeten der blau-schwarzen Regierung zu.

So schreibt Haider-Berater Andreas Mölzer, für Österreich sei »die neue Erregung um das Aufflammen des bundesdeutschen Rechtsextremismus taktisch recht angenehm. Kaum eine Zeitung in der Alpenrepublik, kaum ein Politiker, die nicht darauf hinweisen, wie ungerecht die EU-Sanktionen gegenüber Österreich seien, nachdem militanter und gewalttätiger Rechtsextremismus hier überhaupt nicht vorkomme.«

Diese Legende wurde vor kurzem sogar von amtlicher Seite entlarvt. Das Wiener Innenministerium schlug jetzt angesichts einer fast 50prozentigen Zunahme rechtsextremer Straftaten im ersten Halbjahr 2000 Alarm. Pikanterweise machte die Behörde die geänderten Machtverhältnisse für diese Entwicklung verantwortlich.

Nun gibt es aber tatsächlich Unterschiede in Quantität und Qualität rechtsextremer Aktivitäten. Der österreichische Rechtsextremismus kann seit über 50 Jahren auf eine Vertretung im Parlament und in den Länderregierungen bauen. Daneben ist er über Veteranen-, Turner- und Studentenverbände fest in den Alltag integriert. Das erklärt seine weitgehende Orientierung auf die Legalität, wohingegen »spontane« Straßengewalt vor allem seine Anfangs- und Bewegungsphase kennzeichnet.

Selbst FPÖ-Funktionäre nehmen für sich in Anspruch, das rassistische Potential daran zu hindern, sich gewalttätig auszutoben. So meinte ein Parlamentarier der Partei nach den Wahlen vom Oktober 1999, im Gegensatz zu Deutschland würden hier »keine Neger geklatscht und keine Asylantenheime angezündet«, weil sich die FPÖ »des Problems im politischen und rechtsstaatlichen Rahmen angenommen« habe. Dass die Motive, die hinter der Wahl der FPÖ und der Hetzjagd auf Fremde stecken, identisch sind, wurde bis dahin nur von Kritikern und Kritikerinnen des österreichischen Normalzustandes behauptet.

Dieser Zusammenhang wird in österreichischen Medien gemeinhin ausgeblendet. Dagegen verweist man gern auf das NS-Verbotsgesetz, welches deutsche Zustände verhindere. Aber gerade das oft strapazierte Beispiel der 1988 aufgelösten NDP taugt hier kaum zum Beweis. Denn die Zeit hat die von Burschenschaftern und Südtirol-Terroristen getragene Neonazi-Partei ohnehin überholt: Mit der Wahl Haiders zum Parteiobmann wurde 1986 die seit den sechziger Jahren bestehende Spaltung der Szene überwunden, ein Großteil der NDP-Aktivisten war längst zur FPÖ zurückgekehrt.

Unterm Druck des zu Beginn der neunziger Jahre erlassenen NS-Verbotsgesetzes suchte auch die nächste Generation von Rechtsextremen Schutz in der FPÖ und ihren Vorfeldorganisationen. So waren etwa die beiden Neonazis, die 1992 den jüdischen Friedhof in Eisenstadt schändeten, nicht nur im Umfeld der Nationalistischen Front, sondern auch in der FPÖ-Jugendorganisation zu finden. Einer kandidierte zum Zeitpunkt der Tat für die FPÖ bei Kommunalwahlen im Burgenland.

Das Bindeglied zwischen wahlwerbendem und militantem Rechtsextremismus sind die Burschenschaften - wegen der ideologischen Nähe und des Schutzes, den die Korporierten den Militanten bieten können. Auch die FPÖ rekrutierte ihr Führungspersonal lange im korporierten Milieu.

Mit Beginn des Briefbomben-Terrors Ende 1993 setzte sich die FPÖ-Spitze jedoch vom korporierten Umfeld ab. Haider selbst distanzierte sich 1995 vom Burschenschafter-Organ Aula, das damals als ideologischer Vorläufer des Terrors galt. Die Verurteilung des Aula-Verantwortlichen führte schließlich dazu, dass die enge Verbindung zur FPÖ etwas gelockert wurde. Daraufhin legte das Blatt jede Rücksicht ab: Das Magazin wirbt schon mal für Publikationen, in denen der Holocaust geleugnet wird. Auch ist dort die Rede vom »auf uns lastenden althebräischen Zinseszinssystem« und von Hitler als dem unerwünschten, weil erfolgreichen Sozialrevolutionär. Solche Sätze können jedoch hochrangige FPÖ-Funktionäre nicht davon abhalten, weiter in der Aula zu publizieren.

Gleiches gilt für die Freiheitlichen Akademikerverbände, die die Aula herausgeben. Im November 1999 luden die Alten Herren Horst Mahler zu einem Vortrag nach Wien ein. Der NPD-Kader hetzte dort gegen »die Türken«, welche sich anschickten, Deutschland »von innen her« zu übernehmen, die »Umerziehung«, die dafür verantwortlich sei, dass »unser Volk es nicht mehr wagt, sich der Auslöschung durch Überfremdung zu widersetzen« und das »jüdische Volk«, das der »Feind« der Deutschen sei.

Und erst im Juni gastierte mit dem Nazi-Barden Frank Rennicke ein weiterer deutscher Reisekader in Wien - als Sänger beim Hoffest der berüchtigten Burschenschaft Olympia, die auch den FPÖ-Parlamentarier Martin Graf zu ihren Mitgliedern zählt. Über den 1991 verstorbenen NDP-Gründer Norbert Burger sagte er unlängst: »Ich habe Norbert Burger immer geschätzt und tue das auch über den Tod hinaus.« Dass Burger in Italien wegen mehrfachen Mordes in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, kann dieser Verbundenheit offenbar keinen Abbruch tun.

Im Gefolge der FPÖ-Minister rücken Burschenschafter verstärkt in höhere Positionen vor. Das hebt das Selbstbewußtsein: Die einstigen Opfer des NS-Verbotsgesetzes hoffen jetzt auf dessen Aufweichung. Noch stoßen sich Burschenschafter daran, dass sie im Rechtsextremismus-Bericht 1999 des Innenministeriums erwähnt werden. Die Einschätzung der Staatsschützer, wonach die Agitation der Verbindungen den Versuch erkennen lasse, »auf Umwegen eine gewisse Akzeptanz für nationalsozialistisches Gedankengut zu schaffen«, werden als Unterstellungen abgetan. Demgegenüber ruft man die beiden korporierten FPÖ-Minister Dieter Böhmdorfer und Reinhart Waneck auf, »mit ihrem Regierungskollegen im Innenministerium ein Einvernehmen herzustellen, um diese Gesinnungsschnüffelei in korporierten Kreisen und diese Diffamierung der studentischen Korporationen« abzustellen.