Italiens Nationalrevolutionäre

Comeback der Terroristen

Zwischen Tolkien-Verehrung und Synergies Européennes: Italiens alte Nationalrevolutionäre organisieren sich in neurechten Vereinen.

Ist vom italienischen Rechtsradikalismus die Rede, so sind die Bilder schnell gefunden. Neofaschismus in Italien - das ist der seriös auftretende Gianfranco Fini mit seiner Alleanza Nazionale (AN), einer Nachfolgerin der rechtsradikalen MSI. Oder Umberto Bossi und seine Lega Nord, jene sezessionistische Partei, die die Region von Rom lösen will. Doch in der rechtsextremistischen Szene Italiens verkehren ex-militante Kader der alten Schule mit jungen Intellektuellen.

Während die Parteiführung der AN als Teil des rechten Bündnisses »Pol der Freiheit« das regierende Mitte-Links-Bündnis bei der nächsten Wahl ablösen will, kämpft die akademische Rechte um die kulturelle Hegemonie. Etwa an der Universität La Sapienza in Rom: Dort traf sich am 5. Mai die italienische Tolkien-Gesellschaft. Mitveranstalter des Kongresses »J.R.R. Tolkien, Die Reise der Gefährten ins dritte Jahrtausend« sind die neurechte Kulturvereinigung Raldo sowie die der AN nahe stehende Studentenorganisation Azionc Universitaria.

Und da sich der Fantasy-Schriftsteller Tolkien in seiner imaginierten Welt des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse bewegt, fand sich unter den Referenten auch Gianfranco De Turris, der Präsident der Julius Evola-Stiftung in Rom. Der Religionswissenschaftler Vittorio Vernole, ebenso ein Evola-Spezialist, referierte über die Beziehungen zwischen Spiritualität und Kriegertum im Werk Tolkiens. Weitere Redner: Alberto Lombardo, Präsident des Studienzentrums La Runa, der zur Symbolik Tolkiens sprach, sowie Adolfo Morganti, der sich mit der sagenhaften Tafelrunde des Königs Artus beschäftigte.

Morganti war bereits im März 1981 Referent bei einem Treffen dieser Strömung. Damals versammelten sich in Cison de Valmarino unzufriedene junge Kader des MSI, um nach zeitgemäßen Inhalten für die extreme Rechte zu suchen. Ein erstes Meeting der Erneuerer hatte im Januar 1980 im Voralpengebiet stattgefunden. Schon damals bezog man sich auf Tolkien: Die Treffen wurden »Campo Hobbit« genannt.

Heute sind diese Erneuerer der extremen Rechten fast alle etablierte Hochschullehrer. Um sie ist es deutlich ruhiger geworden. Doch die Exponenten einer anderen damals aktiven Strömung, der terroristischen Nationalrevolutionäre, melden sich wieder zu Wort. Zu ihren Vertretern gehört Roberto Fiore, einst theoretischer Kopf der rechtsterroristischen Terza Posizione.

Um einer sechsjährigen Gefängnisstrafe wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung zu entgehen, war er nach Großbritannien geflohen. Dort wurde er zum Lehrmeister der National Front, deren Leitbild des politischen Soldaten weitgehend auf ihn zurückzuführen ist. Zugleich diente er dem britischen Geheimdienst MI5 als Informant und wurde - im Gegensatz zu seinen Kameraden - nicht ausgeliefert.

Heute engagiert sich Fiore im Umfeld der neofaschistischen Forza Nuova, die sich vom MSI wegen dessen »Verbürgerlichung« abgespalten hat. Am 13. Mai sprach er bei einer Demonstration der Partei in Bologna, wenige Tage später war Fiore beim »2. Tag des nationalen Widerstandes« der NPD in Passau zu hören.

Fiore nutzt einen Publizitätsschub. Gemeinsam mit Gabriele Adinolfi, der mit ihm die Terza Posizione gegründet hatte und nach 20 Jahren des Exils nach Italien zurückgekehrt ist, hat er das Buch »Noi Terza Posizione« - Unser Dritter Weg - veröffentlicht. Der Fein, der »Zeitschrift der neurechten Jugend«, erklärte Adinolfi, man lebe in einer »Übergangsperiode«, in der die reale Politik durch die virtuelle ersetzt worden sei. »Wir müssen Radikalität und Konkretheit untrennbar miteinander verbinden.« Die Situation sei zwar vielversprechend, doch seien bisher nur die Fundamente vorhanden und noch nicht die Menschen.

An deren Formung will Adinolfi mitwirken. Seine jüngste theoretisch-strategische Schrift »Le api e i fiori« - Die Bienen und die Blumen - findet sich in dem gerade erschienenen Sammelband »Das bewaffnete Denken«, herausgegeben von der Gruppe Fahrenheit. Der Artikel gilt quasi als Eintrittskarte zur Sommeruniversität der neurechten Synergies Européennes bei Varese, wo Adinolfi zu den Referenten gehörte.

Und er war keineswegs der einzige gealterte Ex-Terrorist, der sich zu der Konferenz aufgemacht hatte. Maurizo Murelli, heute Buchhändler in Mailand, kann auf elf Jahre im Knast verweisen. »Seine Überzeugung hat er niemals verraten«, berichtete das dem verstorbenen Neonazi-Terroristen Michael Kühnen nahe stehende Blatt Unser Europa nach der Entlassung Murellis im Jahr 1984.

Gemeinsam mit seinem alten Kampfgefährten Giancarlo Rognoni gründete er den Verlag Barbarossa, der heute einer der wichtigsten der extremen Rechten in Italien ist. Die Gruppe um Barbarossa und die Zeitschrift Orlon, die beide nationalbolschewistisch ausgerichtet sind, bildet noch immer den Kern der italienischen Sektion der neurechten Synergies Europeénnes. Und wie Adinolfi hat sich auch Murelli vom Handeln auf die Theoriebildung verlegt. Auf der diesjährigen Sommeruniversität der Synergies Europeénnes beschäftigte er sich mit dem geopolitischen und geostrategischen Zustand der Welt.

In diesem Klima kommt auch die legendäre Figur der italienischen Nationalrevolutionäre, Clemente Graziani, zu neuen Ehren. Graziani, dem Führer des ebenso legendären Ordine Nuovo, ist sogar ein unlängst veröffentlichtes Buch gewidmet. Vorgestellt wurde er von Murelli.

Auch um den Nachwuchs müssen sich die Alten keine Sorgen machen: Grazianos Sohn Rainaldo ist in die Fußstapfen von Vater Clemente getreten. 1991 gründete er die nationalrevolutionäre Gruppe Meridiano Zero. 2000 referierte auch er bei der Sommeruniversiät der Synergies Européennes. Die Nationalrevolutionäre sind also zurückgekehrt. Diesmal in neurechter Verkleidung.