Mobilisierung gegen das Treffen von IWF und Weltbank in Prag

Panik an der Moldau

Kurz vor dem Treffen von IWF und Weltbank in Prag reagieren die tschechischen Behörden zunehmend hysterisch auf die erwarteten Proteste.

Rette sich, wer kann. Kurz vor dem Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Prag wird die Stimmung angesichts der erwarteten Proteste zunehmend hysterisch. So haben die tschechischen Behörden ältere Menschen aufgefordert, sich mit Lebensmittelvorräten einzudecken oder gleich die Stadt zu verlassen. Die Schulen sollen während des Kongresses geschlossen bleiben, und allen Pragern wird empfohlen, die Innenstadt zu meiden. Die Anwohner rund um das Kongress-Zentrum brauchen sich um diese Empfehlungen nicht mehr zu kümmern. Sie sind bereits »aus Sicherheitsgründen« in auswärtigen Ersatzquartieren untergebracht worden.

Für die 11 000 Polizisten und 1 600 Soldaten der tschechischen Armee, die das Treffen schützen sollen, ist jeder, der sich zwischen dem 26. und 28. September in der Nähe des Tagungsortes aufhält, verdächtig. Sie haben das Kongress-Zentrum, in dem IWF und Weltbank tagen, in eine Festung verwandelt und durch mehrere Sicherheitszonen von der restlichen Stadt abgeschirmt.

Für die tschechische Regierung steht Ende September viel auf dem Spiel. Zum ersten Mal findet eine Tagung des IWF und der Weltbank in Osteuropa statt. Für den EU-Beitrittskandidaten die Gelegenheit, zu beweisen, dass der Anschluss an die führenden Wirtschaftsnationen gelungen ist. Und nichts wird in der Prager Burg mehr gefürchtet, als ein internationaler Image-Schaden, sollte das Treffen durch die Proteste beeinträchtigt werden. Nach Angaben des Spiegel wurde sogar erwogen, die Tagung kurzfristig nach Berlin zu verlegen.

Doch die panische Sorge der Behörden vor einer Neuauflage von Seattle ist vermutlich unbegründet. Die Ereignisse werden sich schon deshalb nicht wiederholen, weil diesmal der Überraschungseffekt fehlt. Niemand hatte im vergangenen November, als die Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) zeitweise unterbrochen werden musste, mit solch heftigen Protesten gerechnet. In diesem Jahr hat sich die tschechische Polizei auf alle Eventualitäten vorbereitet und wird dabei von über 600 FBI-Beamten und CIA-Mitarbeitern unterstützt.

Die »Schlacht von Seattle« (Guardian) ist jedoch nicht nur bei den Ordnungskräften mittlerweile legendär. So berichtete die taz, die Kampagne gegen den IWF-Kongress wolle »internationale Protestformen im Osten etablieren«. Solche Aussagen ignorieren, dass die Mobilisierungen gegen die WTO nicht erst Ende 1999 begonnen hat. Viele Gruppen und Organisationen, die unter anderem in dem internationalen Netzwerk Peoples' Global Action (PGA) aktiv sind, beziehen sich auf den Aufstand der Zapatistas vom Januar 1994 und haben schon 1998 globale Aktionstage organisiert, die in etwa 35 Ländern stattfanden. Auch in Prag wurde damals eine Global Street Party durchgeführt, an der sich mehrere tausend Menschen beteiligten.

Das Prager Bündnis »Initiative gegen ökonomische Globalisierung« (Inpeg), das die Proteste vorbereitet, hat daher schon Erfahrung mit internationalen Kampagnen - und mit den organisatorischen Problemen, die solche Ereignisse mit sich bringen. Zum Beispiel werden immer noch Übersetzer für den Gegengipfel gesucht, der am 22. September beginnen soll. Im Internet wurden Mailing-Listen eingerichtet und Schlafplätze in Absprache mit Inpeg organisiert. Bislang existiert jedoch nur ein Zeltplatz in einem Fußballstadion, der aber von den meisten Teilnehmern abgelehnt wird.

Insgesamt rechnen die Organisatoren mit etwa 10 000 bis 20 000 Demonstranten, die beim globalen Aktionstag am 26. September versuchen wollen, den Kongress zu blockieren. Während viele IWF-Gegner vor allem aus den USA und Kanada erwartet werden, gestaltet sich die Mobilisierung im Osten schwieriger. Aktivisten aus GUS-Staaten müssen ein Visum für die Tschechische Republik beantragen. Nur wenige osteuropäische Gruppen haben sich daher angekündigt, unter anderem aus Ungarn, Polen und der Ukraine. In Italien hingegen gibt es andere Schwierigkeiten. Dort mussten IWF-Gegner zahlreiche Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen. In Deutschland koordiniert der Freie Zusammenschluss von Studierendenschaften (fzs) in Bonn, der eng mit Inpeg zusammen arbeitet, eine Kampagne unter dem Titel »WiderStandort: Prag«.

Neben den praktischen Problemen hat das breite Bündnis, das zu der Kampagne aufgerufen hat, mit inhaltlichen Differenzen zu kämpfen. Denn die Proteste ziehen mittlerweile auch Parteien und Organisationen an, deren autoritäre Strukturen wenig mit den anti-hierarchischen Prinzipien gemein haben, auf die sich die Basisbewegungen und Gruppen im globalen Netzwerk PGA beziehen.

Auf gemeinsame Aktionen mit einem Anti-IWF-Bündnis der tschechischen Kommunistischen Partei und den Gewerkschaften will Inpeg aus historischen Gründen verzichten. Und auch zu vielen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) besteht ein eher kritisches Verhältnis.

Im Gegensatz zu den meisten Aktivisten von Inpeg suchen viele entwicklungs- und umweltpolitische Gruppen den Dialog mit Weltbank-Präsident James D. Wolfensohn. Bei der Weltbank und dem IWF werden diese NGO-Vertreter mittlerweile mit offenen Armen empfangen. Beide Institutionen wollen ihren Dialog mit der Öffentlichkeit und mit entwicklungspolitischen Gruppen intensivieren, sagte der deutsche IWF-Chef Horst Köhler vergangene Woche. Schließlich sei es ein gemeinsames Ziel, »die Lebensqualität verbessern zu helfen und die Armut durch dauerhaftes und ausgewogenes Wachstum zu verringern«. Insgesamt werden an dem Kongress Vertreter von über hundert NGOs als Berater oder Beobachter teilnehmen.

Aber nicht nur die freundliche Übernahme der NGO-Szene durch die Weltbank stößt auf heftige Ablehnung. Bei den vergangenen Vorbereitungstreffen formulierten vor allem Autonome aus den Niederlanden und Deutschland heftige Kritik an dem »event-hopping« und forderten eine intensivere inhaltliche Debatte. Ein geeigneter Ort für diese Diskussionen könnte der Bundeskongress Entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (Buko) sein, der Anfang Oktober in Berlin stattfindet.

http://inpeg.ecn.cz
http://go.to/prag-2000
Koordination in der BRD: fzs@studis.de