Nach dem Verbot von Blood & Honour

Es rockt weiter

Nach dem Verbot ist vor dem Verbot: Das Blood & Honour-Netzwerk hat sich von staatlichen Maßnahmen bisher kaum behindern lassen.

Für Innenminister Otto Schily ist es eine »Maßnahme, die ihre Symbolwirkung nicht verfehlen wird«. Für Kader und Sympathisanten des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour (B & H) hingegen dürfte das bereits zwei Wochen zurückliegende Verbot ihrer Organisation und der Sympathisantengruppe White Youth keine Überraschung gewesen sein. Angesichts der staatlichen Antifa-Debatte und dem lauten Ruf nach »hartem Durchgreifen« werden sich auch B & H-Aktivisten auf eine größer angelegte Aktion der Sicherheitsbehörden vorbereitet haben.

So haben die Polizeibeamten, die am 14. September insgesamt 45 Objekte im gesamten Bundesgebiet durchsuchten, nur wenig Beweismaterial finden können. Neben Propagandamaterial und CDs habe man »diverse« Sparbücher mit fünfstelligen Beträgen beschlagnahmt. Verglichen mit der hohen Gewinnspanne im rechten Musikgeschäft sind das Peanuts.

Dennoch war die Aktion ein Erfolg, glaubt man den Verlautbarungen aus dem Hause Schily. Dort scheint man mit dem Verbot demonstrieren zu wollen, den Ernst der Lage nun hinreichend erkannt zu haben. Blood & Honour sei gegen die »verfassungsmäßige Ordnung« gerichtet, heißt es in der Verbotsverfügung, außerdem bekenne sich die Organisation »zu Hitler und führenden Nationalsozialisten«. Auch eine »rassistische und antisemitische Ausrichtung« von B & H konnten Schilys Beamte entdecken. Sie fanden zudem heraus, dass das Netzwerk die »Abschaffung der parlamentarischen Demokratie zugunsten eines Führerstaates nationalsozialistischer Prägung« propagiere und sich in einer »kämpferisch-aggressiven Haltung« gegen die Verfassung und gegen »den Gedanken der Völkerverständigung« richte - Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

Dass die Strukturen der deutschen B & H-Sektion und der White Youth durch das Verbot wirklich getroffen wurden, darf indes bezweifelt werden. Denn polizeiliche Maßnahmen haben schon in der Vergangenheit das Blood & Honour-Netzwerk in Deutschland nur kurzfristig behindern können. In diesem Frühjahr waren in mehreren Bundesländern Razzien gegen Teile der Neonazi-Organisation durchgeführt worden. Damals hatte die Polizei bei der Durchsuchung der Berliner Wohn- und Lagerräume von Stephan Lange, dem Chef der »Division Deutschland«, ein Drittel der Ausgabe Nr. 9 des Hochglanzmagazins Blood & Honour beschlagnahmt. Die einzelnen B & H-Sektionen zeigten sich davon kaum beeindruckt und setzten ihre Aktivitäten nahtlos fort.

Am 14. Juli kam es bei Hamburg zwischen den rund 400 Besuchern eines »Horst-Wessel-Gedenkkonzerts«, das von norddeutschen B & H-Aktivisten und den Freien Kameradschaften organisiert worden war, zu einer Auseinandersetzung mit den Polizeibeamten, die das Konzert beendet hatten. Einen Tag später kündigte die B & H-Sektion Weser-Ems gewaltsame Racheakte gegen Polizeibeamte an: »Absolut unverständlich ist es, dass sich einige Beamte immer noch fragen, warum Menschen wie Kay Diesner auf Polizisten schießen. (...) Sie sollten sich besser fragen, warum andere dies nicht machen.«

Doch bei bloßen Absichtserklärungen, politische Gegner und MigrantInnen töten zu wollen, belassen es die Kämpfer für »Blut und Ehre« nicht. So mischen Kader der Organisation auch beim Aufbau eines »braunen Untergrunds« mit, der im letzten Jahr großspurig angekündigt worden war. Angehörige der Mitte Juni enttarnten »Nationalrevolutionären Zellen«, darunter Carsten Sczcepanski, der als V-Mann für den Verfassungsschutz arbeitete, organisierten Neonazi-Konzerte in Brandenburg und pflegten die Kontakte zu ausländischen Gesinnungsgenossen.

Ein Blick auf die Internetseite von Blood & Honour Skandinavien beweist die enge Zusammenarbeit zwischen der deutschen extremen Rechten, der englischen Terrororganisation Combat 18 und der schwedischen Nationalsozialistischen Front. So versammelten sich im Juni dieses Jahres rund 200 Neonazis aus Deutschland, England, Norwegen, Schweden und Dänemark in der südschwedischen Kleinstadt Klippan auf dem Grundstück des deutsch-dänischen B & H-Chefs Marcel Schilf zur »Sommersonnenwendfeier«.

Neben der Pflege und dem Ausbau internationaler Kontakte haben sich die hiesigen Blood & Honour Kader in den letzten Jahren der Unterwanderung eines Teils der Jugendkultur gewidmet, ihr Sympathisantenumfeld ausgebaut und dort ihre rassistischen und antisemitischen Botschaften verbreitet. So hatten die Mörder des algerischen Asylbewerbers Farid Guendoul vor ihrer Tat die indizierte Musikkassette »Republik der Strolche« der Berliner Neonaziband Landser gehört. »Stellt Euch mal vor, eines Tages überfällt uns ein Millionenheer Hungernder aus der Dritten Welt. Wie wollt ihr sie abhalten, mit Euren Argumenten? Dann hol ich meine Waffe raus und blas sie alle weg!« »Blood & Honour produziert die Begleitmusik für Mord und Totschlag«, stellten die Autoren des Sammelbandes »White Noise« im Frühjahr dieses Jahres fest.

Die deutsche B & H-Division existiert seit über sechs Jahren und konnte seither hunderte von Neonazikonzerten meist ungehindert durchführen. Da wundert die demonstrative Gelassenheit und Kaltbültigkeit von Blood & Honour im Vorfeld des Verbots kaum. Auch die Mehrzahl der bisher eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen Schlüsselpersonen des braunen Netzwerks endete bisher lediglich mit Bewährungs- oder Geldstrafen. Und der Anreiz, trotz des Verbots weiterzumachen, ist hoch: Auf rund zehn Millionen Mark wird der Umsatz mit rechter Musik in Deutschland im vergangenen Jahr beziffert. Pro CD werden 20 bis 25 Mark Gewinn gemacht.

Außerdem sind die führenden Kader von Blood & Honour überzeugte Nationalsozialisten, einige von ihnen haben eine lange Karriere in verbotenen Organisationen hinter sich. Da werden »Rückschläge« auf dem Weg zur »arischen Nation« durchaus einkalkuliert. Und wenn auch das Label »Blood & Honour« künftig nur noch als Mythos in der rechtsextremen Jugendszene herumgeistert, die Einstellungen derer, die rechtsextreme Musik konsumieren, werden wegen eines Verbots nicht verschwinden.