Alternative Lebensformen

Samstags trinkt Papi Bier

Es waren mehr Männer als Frauen gekommen, der Altersdurchschnitt lag um die 50. 300 werden es am Wochenende in der Humboldt-Universität gewesen sein, die nach zwei Jahren rot-grüner Regierung Bilanz zogen. Die üblichen Verdächtigen - Gewerkschafter, Vertreter der Umweltverbände, der Hochschulszene und Unterzeichner der Erfurter Erklärung - jammerten, dass nach dem Regierungs- der Politikwechsel ausgeblieben sei. Jede Menge Papier gab es, nur leider keine Tempo-Taschentücher.

»Politik braucht Einmischung« lautete die Parole. Doch was würde einem blühen, wenn diese Damen und Herren in der Regierung säßen? Das Leben wäre noch trostloser! Kein Funken Freude, keine Aufbruchsstimmung kam da rüber. Die grüne Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach brachte es auf den Punkt: Es war nicht mehr und nicht weniger als das xte Familientreffen der Restlinken. Doch bei jedem normalen Familientreffen geht es lustvoller zu.

Ein Teil der Gewerkschaftsjugend war auch in die Hauptstadt gekommen, um zu fordern: »Her mit dem schönen Leben!« Ein wunderbarer Slogan. Doch was machten die 15 000 Jugendlichen aus IG Metall, Postgewerkschaft, IG Medien und HBV daraus? Neben ein bisschen Action auf markanten Plätzen zelebrierten sie wieder nur die altbekannte Latschdemo. Sicherlich, die Stimmung war prächtig, jede Menge Trillerpfeifen sorgten für viel Krach, und hier und da schimmerte durch, dass die Generation @ auf der Suche nach eigenen Aktionsformen ist.

Ohne sie zu finden. Ebensowenig wie die PDS-Vertreter übrigens, die ihren Anhängern im Durchschnittsalter von 63,5 Jahren vor dem Roten Rathaus noch mal mitteilten, dass der Wechsel unter Rot-Grün ausgeblieben sei.

Im Jahn-Sportpark angekommen, gab es einen Markt der Möglichkeiten, auf dem Initiativen und Projekte ihre Dienste an Buchtischen feilboten, Kleinkunst und Diskussionsrunden wurden auf der Bühne präsentiert. Dort stellte sich auch die Workers' Beer Company Germany vor, deren Mitglieder nach eigenem Bekunden »hauptsächlich Bier ausschenken, Kultur organisieren und jede Menge Spaß haben« wollen. Gewinne sollten nicht privatisiert, sondern für unterstützenswerte Projekte sozialisiert werden.

Für ein gellendes Pfeifkonzert sorgte schließlich ein den meisten Anwesenden unbekannter Redner, der gekommen war, um das Grußwort der Bundesregierung zu überbringen. Der Unmut war echt, sogar Gegenstände flogen auf die Bühne. »Das war der Kabarettist Heinrich Pachl«, teilte die Moderatorin im Anschluss an die Darbietung mit - kollektiv schlug man sich mit der flachen Hand überrascht an den Kopf.

Bliebe noch zu erwähnen, dass die staatstragenden Gewerkschaften wie ÖTV, NGG und BCE das Ereignis lieber gleich ignorierten. »Die einen reden und die anderen machen«,lautete der lapidare Kommentar von IG-Metall-Chef Klaus Zwickel. Die jungen Leute forderte er auf, den Gewerkschaften zu sagen, wie sie leben und arbeiten sollen. Na dann, Glückauf!