Alternative Lebensformen

Mädchen ohne Ball

Es war einmal ein kleiner Sportplatz auf dem Lausitzer Platz in Berlin-Kreuzberg. Dieser Sportplatz aber war kein gewöhnlicher Bolzplatz, sondern nannte sich »Mädchenballplatz«. Das konnte man auf einem großen Schild lesen, das am Zaun angebracht worden war. Jetzt ist die Tafel wieder weg. Und die Mädchen auch.

Dabei hatte alles so verheißungsvoll begonnen. Die Mädchen des Projektes Rabia hatten keine Lust mehr, sich mit pubertierenden Jünglingen herumzuärgern und forderten einen Ort, von dem sie nicht ständig »von Jungen vertrieben werden«. Bei den Anwohnern des Lausitzer Platzes und dem Bezirksamt fanden sie Gehör. Der Kreuzberger Sportstadtrat Matthias Stefke (CDU) ließ am 1. Juli dieses Jahres das Schild mit der Aufschrift »Mädchenballplatz« an dem vergitterten Sportplatz mit Fußballtoren und Basketballkörben anbringen. Pech war nur, dass sich dort vorher eine Gruppe Jungs zum Fußball getroffen hatte. Und die wollten sich nicht einfach den Platz wegnehmen lassen - und schon gar nicht von doofen Mädchen, die ohnehin nicht Fußball spielen können. So zumindest die Meinung der jungen Männer.

Was nun folgte, war abzusehen. Die kleinen Macker ließen nicht locker, ärgerten die Mädchen, rangelten herum, nahmen ihnen die Bälle weg und dergleichen mehr. Die Mädchen und ihre Erzieherin standen dem Ganzen recht hilflos gegenüber. Schließlich baten sie sogar die Polizei, ihren Anspruch auf den Ballplatz durchzusetzen. Der herbeieilende Polizist aber schlug sich auf die Seite seiner Geschlechtsgenossen und weigerte sich, den Rüpeln Platzverweise auszusprechen. Ein Spielplatz sei schließlich ein öffentliches Gelände, belehrte er die Mädchen.

Doch auch die andere Seite bekam Unterstützung. Aufgeschreckt von den Berichten in den Medien über das Schicksal der benachteiligten Mädchen vom Lausitzer Platz, kochte die Stimmung hoch. Drakonische Maßnahmen wurden gefordert. Es sei sogar erwogen worden, den Spielplatz mit Polizei und Aufsehern vor den Jungen zu schützen, berichtet Sportstadtrat Stefke. »Aber das hätte dann doch zu weit geführt, und wir haben davon abgesehen«, erläutert er ernsthaft. Davon, dass das Schild nicht mehr vorhanden ist, wusste er nichts. Auf Veranlassung seiner Behörde jedenfalls sei das Schild nicht abgenommen worden. Allerdings hatte er schon früher angekündigt, dass die Tafel entfernt werde, wenn die beiden Gruppen sich nicht einigen könnten.

Den Streit haben die Jungen gewonnen. Das Schild ist weg - wohin auch immer - und die Mädchen ebenfalls. Die Jungs sind froh, dass alles so bleibt, wie es immer schon war. Sie haben ihr Revier zurück - und die Mädchen wieder keinen Platz.