UMTS in Italien

Nur wenige überleben

Das italienische Telekom-Unternehmen Tiscali will nach dem Erwerb von UMTS- Lizenzen zum neuen europäischen Marktführer aufsteigen.

Die UMTS-Lizenzen waren in Großbritannien und Deutschland mit Rekordergebnissen versteigert worden, als sich auch die anderen europäischen Regierungen Hoffnungen auf hohe Gewinne machten. In Italien entschied man sich kurzfristig, den für Mitte Oktober geplanten Beauty-Contest, bei dem die Qualität des Angebots den Ausschlag gibt und einheimische Bewerber daher bessere Chancen haben, in eine Versteigerung umzuwandeln - sehr zum Ärger italienischer Bewerber.

»Das Netz ist eine ähnlich wichtige Erfindung wie die Dampfmaschine. Wenn diese Technologie damals an den Meistbietenden verkauft worden wäre, dann hätten sie die englischen Großgrundbesitzer erworben, die damit den Status quo aufrecht erhalten hätten - gewiss nicht zum Vorteil der industriellen Revolution«, erklärte Renato Soru, Vorsitzender des sardischen Kommunikationsunternehmens Tiscali. »Wenn die Regierung die Wettkampfregeln verändert«, führte er weiter aus, »dann wechseln wir eben unsere Teilnahmestrategie. Wir würden uns dann mit anderen Partnern vergrößern. Das bedeutete allerdings, dass wir unsere Unabhängigkeit verlieren - etwas, was ich mir nicht wünsche.«

Eine der italienischen UMTS-Lizenzen zu erhalten ist für Tiscali schließlich sehr wichtig. »Dort ist einer der am höchsten entwickelten Mobilfunk-Märkte«, sagt Michael Kallinger vom Fachmagazin Connect. Und erklärt weiter, dass »ein Wachstum über Neukunden daher kaum noch möglich ist, lediglich die Zahl der abgesetzten Gesprächsminuten ist steigerungsfähig«.

Neben anderen Bewerbern wie Omnitel (Mannesmann-Vodafone), Blu (BritishTelecom, Mediaset, Eni) oder Wind (Enel, France Telecom) will sich nun auch Tiscali um eine der begehrten Frequenzen bemühen. Das Unternehmen tritt gemeinsam mit Hutchison Whampoa, einem Hongkonger Anbieter, der bereits Lizenzen in Großbritannien und Deutschland erhalten hat, als Konsortium Andala SpA auf. Zwei Jahre lang will Hutchinson im Erfolgsfall die UMTS-Gebühren für Tiscali übernehmen, darüber hinaus soll das sardische Unternehmen bevorzugten Zugang zu den UMTS-Plattformen erhalten, die Hutchinson in anderen Ländern betreibt.

Die Vorausetzung für die ehrgeizigen Pläne von Tiscali sind gut. Einen besseren Börsenstart als die italienische Firma kann man kaum hinlegen: Im November 1999 wurde der Internetportal- und Telefondienste-Anbieter am Nuovo Mercato, dem italienischen Neuen Markt, mit einem Emissionspreis von 46 Euro an die Börse gebracht. Die Ankündigung des Unternehmens, die Andala SpA zu gründen und sich mit damit um die UMTS-Lizenzen zu bewerben, ließ den Kurs sofort um sieben Prozent steigen. Im April 2000 war das Papier dann bereits 912 Euro wert.

Einen Monat später annoncierte man die Übernahme des Hamburger Internetportals und Telefon-Providers Nikoma für umgerechnet 528 Millionen Mark in Aktien - diese Übernahme ist Teil der Tiscali-Strategie zur Errichtung eines globalen Internetportals. »Die Übernahme von Nikoma«, sagte damals der Tiscali-Vorstandschef Renato Soru, mittlerweile hinter Silvio Berlusconi zweitreichster Mann Italiens, »ist der erste Schritt in den deutschen Markt, einen der bedeutendsten in Europa. Es ist ein wichtiger Schritt innerhalb unserer Strategie, unsere Dienste so schnell wie möglich auf einer europaweiten Basis anzubieten.« Tiscali versteht sich mittlerweile, wenn schon nicht als global, so doch als european player.

Obwohl die Perspektiven des Unternehmens von manchen Experten durchaus kritisch gesehen werden: »Tiscali ist momentan die Nummer Drei der Branche in Italien - wir glauben, dass nur einige der Marktführer eines jeden heimischen Marktes die Konsolidierungsphase des Internet-Sekors überleben werden«, sagte der Analyst Max Pula von der Dresdner Bank London dem Magazin Connect.

Um bestehen zu können, brauche das Unternehmen die UMTS-Lizenz: »Denn das Internet wird in Europa, und ganz speziell in Italien, durch die neue, Internet-taugliche Handy-Generation einen enormen Zulauf erleben«, erklärte Pula.

Tiscali holte vergangenen Monat zum großen Schlag aus. Da eine Einigung mit der Deutschen Telekom scheiterte, erwägt man nun eine Fusion mit World Online (WOL). Der niederländische Internet-Anbieter hat nach eigenen Angaben 2,4 Millionen Kunden. Im März 2000 war man an die Amsterdamer Börse gegangen, hatte dort jedoch einen gigantischen Fehlstart hingelegt.

Die zurückgetretene Firmengründerin Nina Brink hatte nach Informationen des Handelsblatts ein Anteilspaket für einen Bruchteil des Einführungspreises von 43 Euro abgestoßen, ohne darüber zu informieren - der WOL-Kurs brach daraufhin ein.

Die beiden Anbieter, deren gemeinsame Marktkapitalisierung mehr als zwölf Milliarden Euro betragen würde, könnten dem bisherigen europäischen Marktführer T-Online ernsthafte Konkurrenz machen. Während der deutsche Internet-Anbieter über rund sechs Millionen Kunden verfügt, würden World Online und Tiscali mit 4,7 Millionen Nutzern zum zweitgrößten europäischen Online-Provider aufsteigen. Das Übernahmeangebot an WOL im Wert von 5,9 Milliarden Euro soll innerhalb der nächsten sechs Wochen gemacht werden, allerdings ist fraglich, ob die Aktionäre zustimmen - immerhin will Tiscali mit 20 Euro pro Aktie nur knapp die Hälfte des ursprünglichen Emissionspreises zahlen, aber immer noch mehr als den augenblicklichen Kurs von knapp 15 Euro. Für den in 15 europäischen Staaten aktiven niederländischen Anbieter, der jedoch rote Zahlen schreibt, könnte dies allerdings die einzige Chance zur Imageaufbesserung sein.

Von der französischen Tiscali-Tochter Net.SA wird derzeit ein Glasfaser-Netz mit enormer Bandbreite erstellt. In einem nord- und einem südeuropäischen Ring sollen die Benelux-Länder mit Deutschland und die Schweiz mit Frankreich, Italien und Spanien verbunden werden. Auch in der Tschechischen Republik hat man mittlerweile ein Standbein.

Finanziert wurden alle diese Übernahmen mit neu ausgegebenen Tiscali-Aktien - ein durchaus normaler Vorgang. 150 Millionen Euro soll das Projekt kosten, das WOL endlich aus den Schlagzeilen herausbringen könnte. Und Tiscali endlich zum european player macht.