Alternative Lebensformen

Ärzte und Schweine

Wären Die Ärzte Männer, würden sie singen: »Ärzte sind Schweine«. Da Die Ärzte aber Memmen sind, singen sie - na, Sie wissen schon. Wobei Mannsein und Arztsein einander nicht immer ausschließen. Wie zum Beispiel beim Zahnarzt meines Freundes Michael.

Michael hat ziemlich schiefe Schneidezähne. Also ist er zu seinem Zahnarzt gegangen und hat gefragt, was man da machen könnte. Der Zahnarzt war sehr nett zu Michael und hat sich fast eine halbe Stunde Zeit genommen. Man könnte ja die schiefen, aber leidlich gesunden Zähne entfernen und statt dessen durch eine Brücke oder durch Stiftzähne ersetzen. Die Brücken-Version würde etwa 3 000 Mark kosten, die Stiftzähne etwa 5 000. Aber er müsse sich nicht sofort entscheiden, meinte der nette Onkel Doktor ganz jovial. Michael dürfe ruhig noch eine Nacht drüber schlafen.

Er schlief etwa 365 Nächte, bevor er wieder hinging. Diesmal hatte Michael leichte Schmerzen an einem Backenzahn. Der Zahnarzt war diesmal ziemlich unfreundlich, ließ sich jedes erklärende Wort aus der Nase ziehen und war schon ins nächste Behandlungszimmer verschwunden, bevor Michael überhaupt seinen Mund wieder zu kriegte. Kein Umsatz, keine Aufmerksamkeit, dachte Michael.

Was, so eine Geschichte haben Sie auch schon gehört? Oder selbst erlebt? Na so was! Kann ja eigentlich gar nicht sein. Ärzte sind Schweine - das stimmt nach Ansicht der Mediziner nämlich gar nicht. Zumindest nicht ganz: »Ärzte sind arme Schweine«, müsste es ihrer Meinung nach heißen. Ihnen bleibt nur der symbolische Protest.

In der vergangenen Woche drängelten sich die Hilfe Suchenden vor einigen Berliner Praxen, weil 80 Prozent aller Praxen eine Woche lang dicht blieben - Ärztestreik. Dazu gab's ein paar Kitteldemos, bei denen die selbst ernannten Lebensretter mit Totenköpfen durch die Straßen zogen oder Trauergebinde vor einigen Krankenkassen abwarfen. Höhepunkt der Aktionen aber war ein demonstrativer Aderlass, den Ärzte vor laufender Kamera an ihren Kollegen vornahmen: Seht her, wir geben unser Blut für euch, aber ihr wollt uns ausbluten!

Der Hintergrund dieses realkapitalistischen Wahnsinns ist banal: Einer der am besten verdienenden Berufsstände fürchtet um sein Einkommen. Das so genannte Globalbudget, mit dem die Ausgaben im Gesundheitswesen begrenzt werden, passt den Ärzten genauso wenig wie der Wettbewerb unter den Krankenkassen. Der führt nämlich zu niedrigeren so genannten Kopfpauschalen, die die Krankenkassen an die Kassenärztliche Vereinigung für jeden Patienten abdrücken. Kassen mit geringen Risiken (wenig Alte, Kranke und Kinder) zahlen eben geringere Kopfpauschalen. Und deswegen sollen die Ärzte sparen: keine überflüssigen und sauteuren Untersuchungen mehr, auch keine unnötigen Operationen, und schon geht es für die Mediziner angeblich ums Überleben. Schließlich gibt es heute dreimal so viele Ärzte wie noch vor 30 Jahren - und alle sind auf das Durchschnittseinkommen von knapp 200 000 Mark jährlich scharf.

Die Ärzte haben Recht: »Sie wollen alle nur das eine - und dann sind sie fort!«