30 Jahre Stroemfeld Verlag

Sterben kann jeder

Der Stroemfeld Verlag ist neulich 30 Jahre alt geworden. Doch er ist es gar nicht selbst, der 30 wird, sondern der Verlag Roter Stern, aus dem wiederum der Baseler Stroemfeld Verlag hervorgegangen ist. Der Verlag Roter Stern ging Mitte der Neunziger ein und musste seine Backlist an die eigene Tochterfirma verkaufen. Das sind Geschäfte, die einem der Kapitalismus aufzwingt. Sie sollen hier nicht interessieren. Interessanter ist, wie ein linker Verlag über 30 Jahre funktioniert.

Der Verleger K.D. Wolff war eine führende Figur im SDS, zeitweilig sogar dessen Vorsitzender. Entsprechend ist das Programm Anfang der Siebziger von politischen Diskussionen geprägt. Ein Titel aus dem ersten Jahr des Verlages Roter Stern lautet »Kapitalismus & Heroin = Völkermord«, ein anderer ist die Untersuchung »Zur Klassenanalyse der Black Panther Partei«. 1973 erscheint Jan Raspes Studie »Zur Sozialisation proletarischer Kinder«, und ein Teil der Einnahmen kommt den politischen Gefangenen in der BRD zugute. Andererseits bringt der Verlag literaturwissenschaftliche Texte heraus und beginnt früh mit einer historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke Hölderlins, die noch immer nicht abgeschlossen ist. 1978 finden sich neben Klaus Theweleits »Männerphantasien« Ann Oakelys »Soziologie der Hausarbeit« und die Zeitschrift Erziehung und Klassenkampf.

Wie die Geisteswissenschaften, die der Verlag in der Hauptsache bedient, entpolitisiert sich auch das Programm zusehends. In den Achtzigern - die Tochterfirma Stroemfeld ist inzwischen gegründet - erscheinen medientheoretische Untersuchungen, das Portfolio der historisch-kritischen Editionen wird ständig erweitert, ein zaghaftes literarisches Programm entsteht, und K.R. Eisslers bahnbrechende Goethe-Studie erscheint. Die bürgerlichen Feuilletonisten haben den Verlag inzwischen lieben gelernt und bedauern sogar das Dahinscheiden des Verlages Roter Stern Mitte der Neunziger.

Der Verlag bekennt sich bis heute zu seiner linksradikalen Vergangenheit, pflegt sie aber nicht. Doch anders als etwa der Verlag Klaus Wagenbach verweigert sich Stroemfeld weder seiner Geschichte noch versucht er, sie umzudeuten. Aber: Mit dem Abschied vom Namen Roter Stern, der inzwischen in den meisten Verlautbarungen des Verlages nicht mehr aufgeführt wird, hat man sich auch hier von seinem Projekt verabschiedet. Was einst der Aufklärung dienen sollte, dient nun vornehmlich der Bildung.

Das sollte man nicht als Verrat oder als Scheitern betrachten: Ein Unternehmen - auch ein linkes - ist gezwungen, sich dem Markt anzupassen. Und zur Zeit gibt es ebenso wenig einen Bedarf für aufklärerische Literatur wie für aufklärerische Denker. Bleibt also nur der Gang ins Antiquariat. Nun könnte man verlangen, dass ein Laden, der seine selbstgesteckten Ziele nicht erreichen kann, dicht machen sollte. Aber sterben kann jeder. Und dem Stroemfeld Verlag ist dafür zu danken, dass seine Bücher noch immer schlau sind. Damit hat er den Glossen- und Hübsches-Buch-Verlagen, zu denen die meisten anderen linken Verlage der Siebziger geworden sind, noch immer einiges voraus.