Shaft-Remake

Sticking it to the Man

Das Blaxploitation-Kino machte Politik, weil es die Hollywood-Spielregeln verkehrte - »Shaft 2000« ist einfach bloß cool.

Dieses Publikum hatte ein Recht auf Rache«, schrieb Greil Marcus einmal über die innerstädtischen afro-amerikanischen Kinogänger der Post-Civil-Rights-Ära. Malcolm X war tot, Martin Luther King auch, der Black Panther Huey P. Newton und viele seiner Genossen saßen im Knast, in Vietnam tobte ein Krieg und auf den Straßen der Riot, den Sly Stone besang. Und nicht nur in Francis Ford Coppolas »Der Pate« hatten die Dons die Entscheidung getroffen, die schwarzen Gettos mit billigem Heroin zu überfluten.

Die Bilder, die Hollywood diesem schwarzen Publikum anzubieten hatte, waren zum größten Teil beleidigend und standen in einer langen Kinotradition - besorgte Hausmütterchen, Onkel Toms und ständig grinsende Chauffeure. Im besten Falle waren es schwarze Stars wie Harry Belafonte oder Sidney Poitier, die den amerikanischen Liberalismus der Fünfziger verkörperten, deren Minen aber mit jeder Bewegung sagten: erdulden, erdulden, moralisch stärker sein, better must come one day. Trotz ihrer Attraktivität auf der Leinwand wirkten sie angesichts der Radikalisierung des politischen Diskurses plötzlich unzeitgemäß und wie Gestalten eines vergangenen Traums: passiv und desexualisiert.

Die Rache kam in Gestalt eines neuen schwarzen Helden. Er hörte auf Namen wie Sweetback, John Shaft oder einfach Black Caesar, sah glamourös aus, sprach einen authentischen Slang und bewegte sich - statt durch idealisierte enthistorisierte Südstaaten-Idyllen mit ihren Herrenhäusern - souverän durch Gegenden, in denen tatsächlich Afro-Amerikaner wohnten. Und vor allem war er nicht mehr auf den Whitey angewiesen, sondern kehrte dessen paternalistische Spielregeln zum ersten Mal um.

Blaxploitation war zuallererst identitätsstiftendes B-Kino. In seiner Funktion und in seinen Strukturen war es gar nicht so weit entfernt von den Spaghetti-Western und Kung Fu-Filmen, mit denen das neue schwarze Action-Kino der siebziger Jahre oft im double bill in den Inner City-Kinos gezeigt wurde - Film-Genres, die man auch als Revisionen des Hollywood-Kinos aus der Perspektive des Underdogs verstehen konnte. Mit diesen Genres teilten sich die Blaxploitation-Filme auch noch eine Reihe anderer Charakteristika: eine äußerst kurze Blütezeit, niedrigste Produktionskosten, die Adaption von konventionalisierten Hollywood-Erzählmustern und ein relativ hoher Ausstoß an Schrott. Als Getto-Kino funktionierte Blaxploitation weniger über seine ritualisierten, comic-artigen Plots als über Momente des Spektakels und über eine bestimmte Körperpolitik: als Mode, als Zurückeroberung des eigenen, aus der Hollywood-Tradition verdrängten Körpers und seiner Schönheit, als Ausdruck spontanen Zorns und natürlich als sinnliche Kombination von Bild und Musik.

Kaum einer der Filme konnte den großartigen Soundtracks von Isaac Hayes, Marvin Gaye, Curtis Mayfield, Bobby Womack, Roy Ayers, Willie Hutch oder James Brown wirklich gerecht werden. Isaac Hayes gewann mit seinem »Shaft«-Soundtrack einen Oscar und einen Grammy. Curtis Mayfields »Superfly« kritisierte subtil die Verherrlichung des Pusherman im Film und blieb damit 46 Wochen in den Charts, davon fünf Wochen auf Platz eins.

Zwischen 1971 und 1975 wurden etwa 200 Blaxploitation-Filme gedreht. Nach Ossie Davis' Chester-Himes-Verfilmung »Cotton Comes to Harlem« (1970) war es vor allem Melvin Van Peebles »Sweet Sweetback's Badasssss Song« (1971) - der erste unabhängig produzierte schwarze Film -, der mit seinem Schlusswort »a badasssss nigger is coming back to collect some dues« die Richtung für die nächsten Jahre vorgab. Trotz seiner Romantisierung des Outlaw-Helden war Van Peebles Film eine politische Parabel, was man von den wenigsten Filmen, die folgten, behaupten kann. »Sweetback« wurde für 500 000 Dollar produziert und spielte über zehn Millionen ein.

Man kann sich ausrechnen, worin das Interesse des krisengeschüttelten Hollywood der Prä-Blockbuster-Ära bestand. In der Logik der Studios war Blaxploitation eine Möglichkeit unter vielen, um auf die Diversifikation des Publikums nach der Auflösung des Studiosystems zu reagieren. »Shaft« mit dem Ex-Model Richard Roundtree als »black private dick that's a sex machine with all the chicks« von 1971 war die Antwort der MGM-Studios auf »Sweetback« und rettete das Studio im selben Jahr vor dem finanziellen Ruin. Zwei Fortsetzungen und eine kurzlebige Fernsehserie folgten.

Für B-Studios wie American International Pictures, die den Löwenanteil der Produktionen - etwa die Kastrations-Hits »Coffy« (1973) oder »Foxy Brown« (1974) mit Pam Grier - herstellten, waren afro-amerikanische Themen nur ein weiteres Exploitation-Objekt, neben Horror und Sex. Weil viel Nudity und Gewalt zu sehen waren, sprachen Blaxploitation-Filme auch ein weißes Publikum an und wurden längst vor Spike Lee von Bürgerrechts-Organisationen wegen ihrer entpolitisierenden Wirkung kritisiert.

Im schlechtesten Fall präsentierten sie machohaft den Anspruch, als Pimp oder Pusher am amerikanischen Kapitalismus teilzuhaben. Im besten Fall, wie in »The Mack« oder in dem großartigen »Across 110th Street« (1972), geht der Konflikt zwischen nationalistischer Politik und Individualismus unentschieden aus und die Aporien einer individualisierten (Gangster-)Ethik werden deutlich.

Mitte der siebziger Jahre setzte die Degeneration des Genres ein. Filme wie »Gordon's War« (1973) unterscheiden sich kaum mehr vom »Charles Bronson ðDeath WishÐ blow 'em away vigilante bullshit«, wie der Blaxploitation-Chronist Darius James sagt. Doch genau hier macht John Singeltons »Shaft«-Remake weiter.

Fanden die Auseinandersetzung im Original-»Shaft« noch vor einem ominösen Black-Power-Selbstbewusstsein statt, dreht sich »Shaft 2000« vor allem um schwarze Coolness. Diese Konstruktion wird nur da brüchig, wo Samuel L. Jackson auf der Ebene des Plots eine ziemlich asexuelle Figur abgibt. Das bemängelten auch die neuen Freunde des Films. Während der Machismo des Blaxploitation-Zyklus immer auch von weißer Sexualangst handelte, wünschen die Apologeten von Jacksons Post-Pulp-Fiction-Cool in der Illustriertenwelt dem neuen Shaft vor allem eins: ein bisschen Liebe.

Die sonstige Körperpolitik des »Shaft«-Remake ist die von R'n'B-Videos: die des medial fetischisierten, sexy Differenz konnotierenden schwarzen Körpers, der sich bruchlos durch das Gangland und die farbenblinde Schikkeria von Manhattan zu bewegen weiß, etwa so, wie R. Kelly zwischen Designeranzügen und Sportswear wechselt. Zwar heißt es an einer Stelle: »It's Guiliani time!« Doch das ist nicht mehr als der halbironische Versuch, von vornherein das Argument zu entkräften, hier werde nicht auf den historischen Kontext geachtet. Genauso ist es aber.

Den Rest entnehmen Sie bitte den Reebok- und Armani-Anzeigen Ihres Modemagazins - den letzten Orten, wo man noch glaubt, mit Lifestyle Politik machen zu können.