Zuwanderungsdebatte in der PDS

Keine Selektion!

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Am Ende aber geht es bei der so genannten Zuwanderungsdebatte immer nur um eins: um Kriterien für die Begrenzung von Zuwanderung. Weil das so ist, war die PDS immer gegen ein Einwanderungsgesetz. Schließlich ist Regulierung ohne Repression nicht denkbar. Das hat vorige Woche leider auch die stellvertretende PDS-Vorsitzende Petra Pau mit ihren sechs Thesen zur Zuwanderung bewiesen: Ein Recht in Deutschland zu leben soll danach - neben politisch Verfolgten - nur haben, wer hier Familie hat, ein Unternehmen gründen möchte, eine tarifgerechte Arbeit sucht oder hat oder ein Studium oder eine Ausbildung aufnehmen will. Wer nach sechs Monaten immer noch keinen Job gefunden hat, soll - so stellt sich das Harald Wolf, der PDS-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, vor - »zur Ausreise aufgefordert« werden. Und der Berliner Abgeordnete Giyasettin Sayan konkretisiert: »Wenn sie nicht gehen, werden sie abgeschoben.« Wer solche Gedanken hegt, wird auf die Dauer auch Abschiebeknäste akzeptieren.

Jede Zuwanderungsdebatte ist eine Debatte um Kriterien der Selektion. Dass Petra Pau dabei das Asylrecht nicht zur Disposition stellt, ist erfreulich. Aber wir müssen das Asylrecht erst einmal wieder herstellen! Was derzeit unter diesem Namen firmiert, ist mehr Schein als Sein. Auch wenn Petra Pau sagt, sie wolle nicht »nützliche« und »ausnutzende« Ausländer unterscheiden, laufen ihre Thesen darauf hinaus. Unsere Aufgabe kann es nicht sein, in diesem Spiel mitzumischen. Unser politischer Auftrag ist es, uns gegen alle Angriffe auf das Asylrecht und gegen alle weitergehenden Beschränkungen der Freizügigkeit zu wehren.

In der PDS denken 59 Prozent der Mitglieder, dass in Deutschland schon jetzt zu viele Ausländer leben. Das ist ein Prozent mehr als bei der CDU. Gegen diese paranoide Fremdenangst, diesen fest verankerten Rassismus müssen wir etwas tun. Es bringt aber nichts, über Zuwanderungsbeschränkungen und Abschiebegründe zu diskutieren und damit den Eindruck zu verfestigen, dass es tatsächlich genug oder schon zu viele Ausländer in Deutschland gebe. Und auch die deutsche Nation gehört nicht in den Themenladen einer linken Partei. Als ich mich in dieser unseligen Debatte gegen Deutschtümelei in der PDS gewandt habe, bekam ich Briefe von der Basis, bei deren Lektüre mir richtig übel wurde. Die Fremden lägen den Deutschen nur auf der Tasche, stand da zum Beispiel, und warum man denn nicht auf Deutschland, das Land der Dichter und Denker, stolz sein solle. Sorry, aber mit der Programmatik meiner Partei hat das nichts zu tun.

In der PDS erfordert eine Auseinandersetzung über Themen wie Nation und Zuwanderung eine ganz besondere Sensibilität. Petra Pau weiß das, Gabi Zimmer weiß das. Wie leicht kann man hier etwas lostreten, was niemand mehr aufzuhalten vermag. Keinesfalls darf man dem herrschenden Diskurs hinterherhecheln. Eigene Akzente setzen heißt: ein klares Bekenntnis zum Asylrecht, ein klares Bekenntnis zu offenen Grenzen, zu Solidarität und Internationalismus - und zu Europa. Unterstützen kann ich natürlich Petra Paus Forderung nach der Abschaffung des Flughafenverfahrens und des Asylbewerberleistungsgesetzes und nach der Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe. Das ist der richtige Ansatz!

Es gilt, den Angriff von Rechts abzuwehren, der uns in dieser verhängnisvollen Zuwanderungsdebatte erst noch bevorsteht. Dabei muss die PDS Konsequenzen aus der Geschichte ziehen. In der DDR waren Ausländer nur als vorübergehende Gäste und als Arbeitskräfte erwünscht. Das hat dazu beigetragen, dass der Osten bis heute eine fast ausländerfreie Zone ist. Wir haben hier einiges gutzumachen. Kriterien für eine Selektion von Ausländern zu entwickeln, kann auf jeden Fall nicht unser Ansatz sein.

Angela Marquardt ist PDS-Bundestagsabgeordnete