Rechtsstaatliche Offensive in Hamburg

Auftakt der Anständigen

Die Rechtsstaatliche Offensive hat sich in Hamburg zu ihrem ersten Parteitag getroffen. Ihre Ziele: mehr Mitglieder, mehr Ressentiment, mehr Erfolg.

Heute ist sein großer Tag. Ronald Barnabas Schill kämpft sich durch die Reihen, schüttelt unzählige Hände, die ihm von allen Seiten entgegengestreckt werden, und genießt den Applaus seiner Mitstreiter. Über 300 haben sich am 26. November im Bürgerhaus zu Wilhelmsburg zum ersten Parteitag der Partei Rechtsstaatliche Offensive (Pro) versammelt. Schill, besser bekannt als »Richter Gnadenlos«, ist zwar der unumstrittene Bundesvorsitzende der Hamburger Rechtspartei, an diesem Tag aber darf sein Stellvertreter Mario Mettbach die erste Rede halten.

»Unser erster Parteitag ist zugleich Bundesparteitag als auch Landesparteitag«, erläutert das ehemalige CDU- und Statt-Partei-Mitglied Mettbach zu Beginn der Veranstaltung. Denn außerhalb Hamburgs fehle es noch an Strukturen. Das soll sich ändern; die Partei der deutschen Sekundärtugenden will groß rauskommen. Schenkt man Schills Stellvertreter Glauben, hat die Pro in den letzten Monaten mehr als 500 neue Mitglieder gewonnen. Dies sei »ein großer Erfolg«, meint Mettbach, immerhin habe man mehr Mitglieder als die hanseatische FDP oder die Statt-Partei.

Der Mitgliederzuwachs verwundert, denn seit ihrer Gründung am 14. Juli 2000 ärgerte sich die Partei immer wieder mit der kriminellen Vergangenheit einiger Vorstandsmitglieder herum. So musste erst kürzlich der Vorstandsbeisitzer Franz-Josef Underberg seinen Posten räumen. Das Hamburger Landgericht hatte ihn 1992 wegen Waffenschmuggels verurteilt. Der Pressesprecher Rainer Koppke hingegen durfte trotz seiner Verurteilung wegen »fortgesetzter Untreue« im Amt bleiben. Andere Funktionäre verließen die Pro, weil sie mit Schill und Mettbach nicht konnten, und so mancher musste gehen, weil die beiden mit ihm nicht wollten.

Auch der Aufbau der Parteistrukturen ist von den - für die Pro - peinlichen Vorfällen kaum behindert worden, obwohl man besonderen Wert auf »eine saubere Weste der Vorstandsmitglieder« legt. Ende Juli eröffnete die Partei im Hamburger Stadtteil Hammerbrook ihre Büroräume. Gleich in sieben Hamburger Wahlbezirken treiben so genannte Koordinatoren ihr Unwesen und mittlerweile gibt es zwölf Arbeitsgruppen zu Themen wie »Innere Sicherheit«, »Bau- und Stadtentwicklung« oder »Frauen« und »Ausländer«.

»Hamburg schaut auf uns«, sagt Schill später auf dem Parteitag. Auf der Straße, in der U-Bahn, auf dem Arbeitsplatz und in den Vereinen, überall sprechen die anständigen Hamburger über die Pro. Denn keine andere Partei »tritt für den rechtschaffenen Bürger ein. Keiner kümmert sich um das Wohl der arbeitenden Bürger.« Und Rot-Grün sorge sich nur um die »Kriminellen und Asozialen«.

Wie viele andere, die es nötig haben, sieht sich auch Schill als Opfer einer Verschwörung. Da darf der Vergleich mit der Verfolgungspolitik der Nazis nicht fehlen. Ein Mitglied habe ihm geschrieben, dass ihn seine, Schills, Verurteilung wegen Rechtsbeugung im Amt an einen Vorfahren erinnere, der 1933 von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Doch der Richter will sich nicht kleinkriegen lassen. All den Verleumdungen und Angriffen zum Trotz habe er für die »rechtschaffenen Bürger«, aber auch für »rechtstreue Ausländer« die Pro gegründet. Nun wolle man mit dem Parteitag auch den formalen Bestimmungen des Parteiengesetzes nachkommen.

Bei den Wahlen zu den Parteigremien kommt es jedoch zu Konflikten. Einige parteiinterne Kritiker um die Vorstandsbeisitzende Peggy Rasch wollen den Vorstand von fünf auf sieben Mitglieder vergrößern. Denn derzeit hätten Mettbach, Schill und Karin Freund, Schills Freundin und Schriftführerin der Pro, seien sie sich erst einmal einig, schnell die Mehrheit. Der Antrag wird jedoch abgelehnt. Schließlich stehe die Wahl des Vorstands nicht auf der Tagesordnung, belehrt Mettbach die Kritiker, und zudem müsse ein Antrag, der eine Satzungsänderung nötig mache, rechtzeitig eingereicht werden.

Erst als es um das Kürzel der Partei geht, dürfen die Mitglieder auch mal mitreden. Bolko Hoffmann von der Initiative Pro D-Mark will den Schill-Anhängern das »Pro« streitig machen. Hoffmann habe eine Million für den Wahlkampf geboten, mit der Bedingung, dass sich die Pro in die Initiative einordnet, berichtet Schill dem Parteitag. Sonst wolle Hoffmann die Partei verklagen, da eine »Verwechslungsgefahr« bestehe. Einen juristischen Konflikt aber will der Vorstand vermeiden und schlägt vor, die Partei in »Pro-Schill« umzubenennen. Das findet die Mehrheit jedoch zu gewagt, zwei Drittel lehnen den Antrag ab.

Nach gut dreieinhalb Stunden ist der Parteitag beendet. »Die Leute wünschen sich eine neue Kraft. Man hat es satt, sich von diesen Gutmenschen bevormunden zu lassen«, gibt Schill seiner Gefolgschaft mit auf den Heimweg. Der Lautsprecher des organisierten Ressentiments gibt sich optimistisch: Auf satte acht bis zehn Prozent will er es bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im September 2001 bringen.

Und er könnte Erfolg haben. Denn nicht nur hanseatische Kleinbürger fahren auf Schills Wahlversprechen ab, »binnen 100 Tagen die Zahl der Verbrechen in Hamburg zu halbieren«, härter gegen »Chaoten« und »ausländische Banden« vorzugehen, »Brechmittel gegen Straßendealer« einzusetzen und die »rechtsfreien Räume von Roter Flora und Bauwagen« sofort zu räumen. Auch die extreme Rechte zeigt Interesse an dem Richter. Die Junge Freiheit sieht in Schill den »deutschen Haider« kommen und der rechtsextreme Aufbruch 99 sucht ebenfalls den Kontakt zur Pro.

Am 27. Oktober hatte der Vorsitzende dieser Hamburger Sammlungsbewegung, Thomas Nissen, zu einer Sonderkonferenz geladen, um über die Bürgerschaftswahlen zu reden. Neben Jens Wizensen vom Arbeitskreis Deutsche Politik diskutierte auch Michael Schumann, der knapp zwei Wochen vorher die Pro verlassen hatte, mit über 80 Kameraden. »Mir war bekannt, dass Michael Schumann dort referiert«, erklärt Pro-Pressesprecher Koppke und bedauert es, einen so »fähigen Menschen« als Mitstreiter verloren zu haben.