BSE-Skandal in Europa

Esst Soja!

Erst hatten es nur die Engländer und die britischen Kühe. Kein Grund also für große Aufregung am anderen Ufer des Ärmelkanals, denn der kontinentale Fleischesser kommt auch ohne British Beef aus. Dann schlugen plötzlich auch auf französischen Biobauernhöfen die Rinder wild um sich, aber auch das konnte man gerade noch verkraften. Doch jetzt geht es um die Wurst: BSE hat auch den bayerischen Leberkäse und die deutsche Currywurst erreicht - und da hört der Spaß auf. Auch für Gerhard Schröder, der jetzt in der BSE-Krise hart durchgreifen will: »Deutsche sollen wieder in eine Currywurst beißen können!«

Als die ersten BSE-Fälle in England auftauchten, hielten die Briten den Verzehr von Rindfleisch für eine patriotische Pflicht. Die Franzosen reagierten auf ihre ersten kranken Kühe mit Barrikaden und Besetzungen. Doch erst die German Angst bringt die EU richtig in Bewegung. Endlich scheint möglich, was bislang stets an der Agrarlobby scheiterte: Tiermehl wird verboten. Die Kühe sollen, statt ihre gemahlenen Kollegen, ab sofort Soja essen.

Doch damit nicht genug. Der ansonsten so industriefreundliche Kanzler hat nun auch die vermeintlich Schuldigen für den Skandal ins Visier genommen: die Landwirtschaftsindustrie und ihre Lobby. »Weg von den Agrarfabriken«, forderte er. Es müsse eine »Perspektive für eine verbraucherfreundliche Landwirtschaft« geschaffen werden. Wenn der Wandel in der Agrarwirtschaft jetzt nicht gelinge, »dann werden wir das nie mehr schaffen«, meinte der Bundeskanzler.

Da wäre nur ein Problem: Wie soll ohne Massentierhaltung und Billigproduktion der massenhafte Konsum von Fleisch garantiert werden? Natürlich war es vor allem die Agrarlobby, die aus Profitgier den BSE-Skandal lange Zeit verharmloste und dabei auf die tatkräftigen Unterstützung der Politik zählen konnte. In England etwa wurden Wissenschaftler, die vor der Seuche warnten, jahrelang boykottiert. Untersuchungen, die bereits Mitte der achtziger Jahre auf die Gefahren des BSE-belasteten Rindfleischs hinwiesen, wurden vom dortigen Landwirtschaftsministerium unter Verschluss gehalten. Forschungsgelder wurden gestrichen. Auch Möglichkeiten für eine Therapie ließ man nicht erforschen. In den meisten europäischen Staaten wurde ein ähnlicher Umgang mit BSE praktiziert.

Doch trotz aller Fehlinformation und Manipulation: Ohne die unersättliche Fleischeslust der europäischen Konsumenten gäbe es auch nicht die unermesslichen Mengen von Kühen, die über den ganzen Kontinent mit Tiermehl gefüttert werden. Der Fleischbedarf ist anders als mit industrieller Tieraufzucht - von der künstlichen Besamung bis zum vollautomatisierten Schlachthaus - nicht zu befriedigen, selbst wenn die ganze EU in einen einzigen großen Biobauernhof verwandelt würde.

Wer in Zukunft unbedingt eine vermutlich BSE-freie Currywurst essen möchte, muss entweder auf teure Bioprodukte oder auf Putenfleisch zurückgreifen. Das hat dann zwar vermutlich kein BSE, ist aber dafür mit Antibiotika und Hormonen vollgestopft. Die Folgen sind fast genauso schön: Impotenz und Brustkrebs statt Hirnerweichung.