Europäische Biopolitik

Postfordistisches Klonen

Leben, Ernährung, Gesundheit, Krankheit - alles lässt sich unter Biologie fassen und ist im vergangenen Jahr endgültig zum politischen Thema geworden. BSE-Krise, Klonierungsentscheidung in Großbritannien und Euthanasie-Diskussion in den Niederlanden sind die aktuellen Anzeichen einer neuen Stellung, den der Komplex Wissenschaft, Gesundheit und Lebensplanung einnimmt.

Während die Europäische Gemeinschaft, nationale Forschungs- und Industrieprojekte und multinationale Unternehmen davon zu profitieren versuchen, entstehen neue diskursive Anordnungen, in denen alte Begriffe und Wertigkeiten überarbeitet werden.

Großbritannien weitet den Liberalismus der flexiblen Arbeits- und Lebenszeit auf biologische Substrate aus: Embryonen dürfen kloniert werden. Damit können kleine, »lebende« Zellhaufen nun als Rohstoff neuer Präparate und patientierbarer Behandlungsverfahren gedeutet und genutzt werden.

Die deutsche Bundesregierung scheint dagegen einen sensibleren Umgang mit dem zu bevorzugen, was als Natur gilt. Angesichts der BSE-Krise bringt Rot-Grün sogar eine ökologische Neuordnung der Agrarwirtschaft ins Spiel. Dass grün-alternative Projekte wie Biolandwirtschaft plötzlich als agrarpolitisches Modell durchgehen, ist aber nur ein rhetorischer Triumph. Nachdem die in die Krise geratene fordistische Massentierhaltung mit der neuen Ära biowissenschaftlicher Machbarkeitsvorstellungen zusammengeprallt ist, simuliert die testweise propagierte ökologische Umkehr bloßen Aktivismus.

Zwar haben die traditionellen ökologischen Positionen seit Tschernobyl nicht mehr so genau den Punkt getroffen wie in den vergangenen Wochen. Aber auch wenn die Grünen in einigen europäischen Ländern in den letzten Jahren an parlamentarischem Einfluss gewonnen haben, ergab sich daraus für die neuen biotechnologischen Fragestellungen nirgendwo eine eigene grün-ökologische Position. Das ist bei der bündnisgrünen Gesundheitsministerin Andrea Fischer nicht anders. Die Forderung nach dem Umbau der Landwirtschaft kam zuerst aus dem Kanzleramt. Man müsste das gesamte System ändern, erkärte Fischer dazu. Dabei dient diese Floskel nur als Entschuldigung, um erst gar nicht mit Veränderungen anfangen zu müssen.

Aber im hegemonialen biopolitischen Diskurs geht es in erster Linie nicht um Landwirtschaft, Verbaucherschutz oder Ernährung. Die Diskussion dreht sich um das Humangenom und die therapeutische Klonierung. Hier hat das britische Parlament vorletzte Woche mit seiner Entscheidung für die Aufhebung des Verbots der Klonierung embryonalen Gewebes zur Gewinnung von Stammzellen einen neuen juristischen Standard gesetzt.

Demgegenüber ist die bundesdeutsche Position sehr schwach. Das grüne Gesundheitsministerium hält zwar Distanz zu gentechnologischen Projektionen. Doch Fischer bleibt in ihren Diskussionsbeiträgen defensiv. Und Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in seinem Bericht zur Lage der Nation bereits seine Flexibilität in Sachen Klonierung zu Protokoll gegeben: Es gebe keine Scheuklappen. Das ist angesichts einer ohnehin ohnmächtigen ethischen Debatte weniger als wenig. Es ist eine verdeckte Zustimmung zur englischen Vorlage: ein Bio-Schröder-Blair-Papier.