Wertkonservative Gen-Allianzen

Hilfe für den Paragrafen 218

Die Zustimmung war eindeutig. In Fragen der Gentechnik, so die CDU-Vorsitzende Angela Merkel an Neujahr, würden »plötzlich die Parteigrenzen verschwimmen«. Mit der grünen Gesundheitsministerin Andrea Fischer etwa könnte es noch zu »sehr spannenden Diskussionen« kommen, vertrete sie doch ähnlich »wertkonservative Positionen« wie die CDU. Oder wie der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner, der über Weihnachten zum »umfassenden Schutz des Lebens« aufrief.

Seitdem im Dezember in Großbritannien das Klonen von künstlich fabrizierten Embryonen für die Forschung erlaubt wurde, ist auch in Deutschland die Rede vom »ethischen Dammbruch« oder gar von einer »Euthanasiegesetzgebung« (Marburger Bund) allgegenwärtig. Doch die stille Hoffnung trügt, dass der biotechnologische Fortschritt beim Klonen ganz von allein, ohne Protest und Technikkritik, ins Stolpern gerät.

Denn gemeinsam ist all den Warnern aus Politik und Kirche vor allem eines: das Plädoyer für den Lebensschutz. Kritisiert werden eben nicht die ökonomische Inwertsetzung und der biopolitische Zugriff auf Frauen, vielmehr gerät der Embryo zur Hauptperson, ausgestattet mit »moralischen Werten«, »Menschenwürde« und »Lebensrechten«.

Diese Objektschutz-Logik ist bekannt. Erst die biomedizinische Konstituierung eines von der Frau unabhängigen Embryos ermöglichte es, dieses Objekt bevölkerungspolitischen Interessen zu unterstellen. Die sozialen Konsequenzen für Frauen sind dramatisch: Sie haben mit Leib und Seele »dem Leben zu dienen«, die politische Kontrolle ihres Fortpflanzungsverhaltens legitimiert sich über den Embryonenschutz. Gesellschaftlich begleitet wird die Schwangerschaft lediglich von der Sorge um die Qualität des Embryos, jener biomedizinisch beschriebenen embryonalen Substanz, die die Zukunft der Gattung repräsentiert.

Aber der Embryo ist nicht nur zu einer biomedizinischen Realität geworden. So formuliert der Paragraf 218 Schutzinteressen eines im Bauch der Frau befindlichen, eigenständigen Objektes, die sich im Zweifelsfall auch gegen die Frau richten können. Eine Lockerung erfährt die vollständige Reglementierung der Frau nur bei »Qualitätsmängeln«. Wenngleich zum »moralischen Dilemma« erklärt, werden selektive Abtreibungen deshalb juristisch ermöglicht und zur freien Entscheidungsoption stilisiert. Auch das ist Fortpflanzungspolitik an der Frau, die sich durch den »moralischen Status des Embryos« legitimiert.

Was in der politischen Auseinandersetzung um Abtreibung noch höchst umstritten war, wird nun zum breiten, gesellschaftlichen Konsens: der Embryo als Objekt des staatlichen Schutzes und der Wertegemeinschaft. In der Konsequenz ergibt sich daraus die Forderung nach einem Abtreibungsverbot, wie es in der Auseinandersetzung um das Klonen von katholischer Seite schon gefordert wird. So erfährt der Paragraf 218 zumindest eine Bekräftigung.

In Deutschland setzt die neue Werte-Allianz alternativ auf die so genannten adulten Stammzellen, Zellmaterial von Erwachsenen für die Forschung. Der Embryo soll ausschließlich für Fortpflanzungsvorhaben bearbeitet, produziert und tiefgekühlt werden. So können auch deutsche Forscher am internationalen Wettkampf partizipieren - aber ohne Werteverlust. Und so werden die Körper aller zum Substanzlager für neue Märkte und wissenschaftliche Interessen.

Am Ende der Debatte wird der wertkonservative Objektschutz doch noch mit dem ökonomischen Fortschritt vereint. Dann nämlich, wenn der Gesetzgeber Ausnahmen für handlungsbereite Forscher formuliert. Der Embryo hat weiterhin eine ökonomisch und bevölkerungspolitisch aussichtsreiche Zukunft. Ins argumentative Abseits geraten ist derweil aber die Verteidigung des Frauenkörpers gegen die biopolitischen Übergriffe der Gegenwart.