»Die neun Leben des Tomas Katz«

Kampf für Windows

Tomas Katz verkörpert das Böse, das Weltende, und er hat für dieses Unternehmen anderthalb Stunden und - wie sein Nachname verspricht - neun Versuche. Weil die Erde rund ist, kann sie auch überall anfangen aufzuhören, z.B. in London. Ein okkulter Ort, sagt Regisseur Ben Hopkins, der mit »Die neun Leben des Tomas Katz - Eine apokalyptische Komödie« seinen ersten Spielfilm gedreht hat.

Der ist aber traurig konstruiert. Tomas kommt von unten hervorgekrochen, aus einem Erdloch mit Mülleimerdeckel - Symbol, Symbol. Bevor der Teufel zu wirken beginnt, wird diese langweilige Gegensätzlichkeit zwischen Anarchie und Ordnung, zwischen bravem Leben und unterirdischer Bedrohung vorgeführt. Filmerei in Schwarz und Weiß.

Wie sich Tomas die Welt aneignet und sich ihrer Zerstörung widmet, ist interessanter. Er schnappt sich ein Taxi von der Autobahn weg und schlüpft in die Hülle des Fahrers. Mit höheren Ämtern geht es dann weiter. Immerhin steigt der britische Fischereiminister ins Auto, ihm wird sofort ein Gespräch aufgezwungen: »Sie reden, ich höre nicht zu. Ich rede, sie hören nicht zu. Sind Sie noch nie mit einem Scheiß-Taxi gefahren?«

Tomas besetzt den Amtsträger - wer war da noch, der vom Taxifahrer zum Minister mutierte? - und ruft kurzerhand den Krieg aus. Joseph Fischer ist überall. Die U-Bahnansagen werden noch bescheuerter als sie es sonst sind, es gibt eine Sonnenfinsternis. Die Optik ist die von Stanley Kubricks »Dr. Seltsam«, merkwürdige Meldungen gehen bei der Polizei ein, wo mit dem blinden Chief Inspector (Ian McNeice) ein Mann sitzt, der fest daran glaubt, London sei das Zentrum spiritueller Kräfte. Schließe die Augen, und du wirst sehen. Es folgen surreale Bilder, esoterisch absurde Dialoge und Schauspielerei auf Stelzen.

Einen Vorfall kann man sich merken, er ist der originellste: die Fensterverschwörung. Musste Michel Piccoli 1974 in »Themroc« den Fenstern noch gewaltsam zur Freiheit verhelfen, indem er sie mit dem Vorschlaghammer aus der Wand prügelte, helfen sich die Unterdrückten hier selbst. Erstes Fenster: »Ich beobachte dich.« Ein Fenster zum anderen: »Guck nicht so blöd.« Anderes Fenster: »Geh doch woanders spionieren.« Nächstes Fenster: »Deine Doppelverglasung beeindruckt mich nicht.« Übernächstes Fenster: »Wir haben nichts zu verlieren außer unseren Rahmen.«

Gut, wenn die Revolte mit der Befreiung der Fenster beginnt, dann bitte schön. Tomas hat noch weitere sieben Rollen, um das Chaos an den Mann zu bringen. Als ich das letzte Mal in London war, kostete der Flug 89 Mark. Die anschließende Taxifahrt 300 Mark. Fürwahr ein mystischer Ort, Graf Dracula ist schließlich auch dorthin gezogen.

Hopkins' Film ist eine sperrige Reflexion des leidigen Millenniumsthemas, die nicht gerade zum Zuschauen einlädt. Ein klassischer Festivalfilm. Weltverschwörung, an sich selbst irre gewordene Figuren, seltsamste Vorkommnisse, Stimmen, eine Doppelverglasung, die nichts nützt - dafür sind deutsche Filmemacher zuständig, die 1968 politisiert wurden. So etwas läuft hierzulande schon über ein Jahrzehnt im Fernsehen und heißt »Lindenstraße«. Ausführender Produzent bei »Die neun Leben des Tomas Katz« war folgerichtig Hans W. Geissendörffer. »Lindenstraße« ist komisch, im doppelten Sinne des Wortes. Und dieser Film ist es wohl auch.

»Die neun Leben des Tomas Katz«. GB/D 1999. R: Ben Hopkins, D: Thomas Fisher, Ian McNeice u.a. Start: 11. Januar