Biljana Plavsic stellt sich

Das Drama von Den Haag

Den Haag. Sieben Buchstaben. Zwei Worte, deren Klang mit der Inszenierung einer postimperialistischen Gerechtigkeits-Show verbunden ist, einer spektakulären einseitigen Verrechtlichung internationaler Politik unter den abendländischen Insignien von Schwert und Waage.

Das Kriegsverbrechertribunal wurde 1993 vom UN-Sicherheitsrat ad hoc für Jugoslawien eingerichtet. Der erste internationale Gerichtshof nach den Nürnberger Prozessen, der sich so mit einer monströsen Analogie zur Verfolgung faschistischer Täter auflud, ist ein Nebenorgan des Rates. Seine juridischen Codes von Humanität und Wahrheit werden selbstverständlich nicht auf die Kriegsführung der Nato angewandt.

Als es 1999 erstmals offiziell darum ging, ob wegen des Bombardements eines Flüchtlingstrecks und der Zerstörung des Belgrader Rundfunkgebäudes gegen die Nato ermittelt werde, wies Nato-Sprecher Jamie Shea diskret darauf hin, dass die Nato-Staaten Den Haag finanzierten. Auch die Frage, ob der Einsatz von Uranmunition gegen die Genfer Konvention verstoße, wird voraussichtlich ins juristische Nichts führen. Die einzige geringe Chance liegt darin, dass die Körper internationaler Kriseninterventionskräfte geschädigt worden sind.

Während in Belgrad weiter gestritten wird, ob man Milosevic ausliefert, kündigte letzte Woche das dröhnende Geräusch rotierender Hubschrauberblätter die Landung von Biljana Plavsic in Den Haag an. The show must go on.

Biljana Plavsic, Professorin für Biologie an der Universität Sarajevo, von 1992 bis 1996 Stellvertreterin des Präsidenten Radovan Karadzic in der Republika Srpska und von 1996 bis 1998 Präsidentin, stellte sich. Bravo. Madelaine Albright ist voll des Lobes.

Eins ist klar: Biljana Plavsic ist eine Art Kronzeugin. Auch wenn sie sich in allen Anklagepunkten wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Vertreibung für unschuldig erklärte, wird sie aussagen und eine reduzierte Strafe kassieren.

Zwischen 1996 und 1998 arbeitete Plavsic eng mit dem UN-Repräsentanten für Bosnien und mit der Sfor zusammen. UN- und Nato-Technokraten spekulierten darauf, Plavsic als Waffe gegen Karadzic einzusetzen. Plavsic ergriff ihre Chance. Sie lancierte eine scharfe Antikorruptionskampagne gegen Karadzic und flog dafür aus der mit ihm zusammen gegründeten Serbischen Demokratischen Partei. Als Karadzic 1996 zurücktrat, wurde sie Präsidentin. Allerdings nur für zwei Jahre. Dann gewann Nikola Poplasen die Wahl, der der bosnischen Sektion der Radikalen Partei von Vojislav Seselj angehört.

Plavsics Biografie ist voller Gesten und Sprüchen fürs politische Poesiealbum des faschistoiden Nationalismus. Sie erregte sich über Karadzics jüdische Freundin, über 50 Jahre »kommunistischer Sklaverei« und muslimisch-serbische Mischehen. In unzähligen Varianten reformulierte sie das Thema von den bosnischen Muslimen als genetisch degenerierten Serben, deren Erbmaterial seit ihrer Islamisierung verfalle.

Als im April 1992 paramilitärische Verbände unter der Führung Arkan Raznatovics bosnische Muslime in Bijelina mit Messern töteten, kamen aus Plavsics Mund die Worte »wunderbar«, »Held«, »Freiheitskämpfer«. Sie traf Raznatovic und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Wer ein subjektives Protokoll über die Ereignisse des Bosnienkriegs lesen will, sollte Muhidin Sarics Buch »Keraterm« lesen. Mit seinem Wunsch, die Mischung aus Gewalt, Hass, Sezession und Nationalismus der neunziger Jahre möge nicht vergessen werden, haben Plavsics Schritt und das Drama von Den Haag nichts zu tun.