Alternative Lebensformen

THC-Touristen

Wer kifft, kennt den Blick. Nervös flackern die Pupillen, fragend spitzen sich die Lippen, und unverständliche Zischlaute lassen erahnen, was das Gegenüber will. »Haste was?« raunen die Konsumenten, »brauchste was?« die Händler, wenn Shit im Straßenverkauf den Besitzer wechselt.

Doch auf dem Drogenmarkt am Helmholtzplatz stehen die vertrauten Verbraucherverhältnisse seit einigen Monaten Kopf. Das Quartiersmanagement hat den zentralen Ort des LSD-Viertels - benannt nach den Parallelstraßen Lychener, Schliemann und Duncker - in eine Dauerbaustelle verwandelt. Für Obdachlose und Dealer ist hier kein Platz mehr. Der einstige Nordkiez des Prenzlauer Bergs soll, so der Wunsch der Berliner Bezirksreformer, schöner werden (Jungle World, Nr. 37/00).

Mit unmittelbaren Folgen für die bedürftigen Kids. Seit den die Sanierung flankierenden Polizei-Razzien im Herbst herrscht hier Verkaufsstopp an allen Ecken und Enden: am Standort Stargarder Ecke Schliemannstraße ebenso wie an der Schliemann- Ecke Raumerstraße. Immer öfter trifft der rastlose Blick der gierigen Raucher auf die suchenden Augen eines kiffenden Kollegen, in der Erwartung, beim Gegenüber möge es sich doch um einen der freundlichen Verkäufer handeln.

Aber für die meisten Menschen endet der Gang von Kreuzung zu Kreuzung ergebnislos. Drogenfrei, doch unglücklich treten sie den Rückzug an. Hopfen statt Hanf. Es sei denn, der Zufall und ein ortsvertrauter Drogengebraucher helfen dem desorientierten THC-Touristen auf die Sprünge.

Denn so einfach lassen sich die Dealer aus dem LSD-Viertel nicht vertreiben. Global denken, lokal handeln, ist auch im zweitältesten Gewerbe der Welt die Devise. Wie bei den großen Unternehmen will der Standort gut gewählt sein. Und der liegt jetzt im neuen Bezirk Pankow ein paar Hundert Meter weiter nördlich. »Über die Brücke, an den ersten vier Kreuzungen vorbei, dann an der zweiten Ampel links. Und von dort immer geradeaus«, lautet der bewusstseinserweiternde Ratschlag der heimlichen Hascher.

Der hilfreiche Tipp führt den fast glücklichen Genussmenschen in einen düsteren Park. Vorbei an Büschen, Bänken und Bäumen geht es bis in die hinterste Ecke links, wie es der ortskundige Kiffer empfohlen hat. Wieder flackert der Blick, ohne Orientierung schaut sich der kaufbereite Konsument um - weit und breit kein Verkäufer zu sehen.

Doch da geht ihm ein Licht auf - besser gesagt: etwas weiter auf der Parkbank eines an. Drei oder vier dick vermummte Gestalten drängen sich hier aneinander, einer von ihnen mit leuchtendem Feuerzeug in der Hand. Ein letztes Mal flackert das Licht auf, dann kommt die erlösende Frage: »Standard oder Pollum?« Und die befreiende Antwort: »Pollum!« Der Rest ist Routine. Zwanzig Mark wechseln den Besitzer, und ab geht's mit dem heiß ersehnten Shit - in die Tüte.