Machtkampf in Côte d'Ivoire

Coup mit Ansage

In einem Klima xenophober Mobilmachung formieren sich in Côte d'Ivoire Militärs und Milizen für den Machtkampf.

Man war offensichtlich gewarnt: Als sich in der Nacht zum 8. Januar nahe der Residenz des Präsidenten von Côte d'Ivoire Putschisten und regierungstreue Soldaten Feuergefechte lieferten, hielt sich Staatschef Laurent Gbagbo bereits seit zwei Tagen in seinem Herkunftsort im Südwesten des Landes auf. Entsprechend schnell wehrten loyale Truppen die Attacken auf strategische Punkte in der Hauptstadt Abidjan ab. Einigen der nach Presseinformationen etwa 1 000 Angreifer gelang es zwar zunächst, das staatliche Rundfunkgebäude unter ihre Kontrolle zu bringen. Bereits am Morgen des nächsten Tages jedoch erklärte Innenminister Emile Boga Doudou den Putschversuch für gescheitert.

Umgehend beschuldigte seine Behörde Nachbarländer sowie die nordivorische Opposition um die Partei Rassemblement des Républicains (RDR) der Verwicklung in den Coup. Gbagbo machte ausdrücklich den RDR-Vorsitzenden Alassane Ouattara, der sich derzeit in Frankreich aufhält, für den Umsturzversuch verantwortlich. Die regierungsnahe Zeitung Notre Voie veröffentlichte auf ihrer Titelseite einen Steckbrief, in dem auf die Ergreifung von sechs Verdächtigen - alle aus dem Norden des Landes - eine Belohnung von umgerechnet 14 000 US-Dollar ausgeschrieben ist.

Den Schuldzuweisungen folgte während der nächsten Tage die Jagd auf vermeintliche Ausländer und Oppositionelle, die bereits den Verlauf der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Oktober und Dezember geprägt hatte. Unterstützer der Regierungspartei Front Populaire Ivoirien (FPI), deren Vorsitzender Gbagbo ist, griffen Ladenbesitzer aus Nachbarländern an. In einigen überwiegend von Immigranten bewohnten Stadtteilen Abidjans errichtete der Mob Straßensperren. Wie eine nigerianische Tageszeitung berichtete, flohen wegen der rassistischen Ausschreitungen Tausende Nigerianer aus dem Land.

Die Wahlfarce im Oktober vergangenen Jahres, in deren Verlauf die seit Dezember 1999 amtierende Militärjunta von General Robert Guei abgelöst wurde, hatte Gbagbo in das höchste Staatsamt katapultiert. Als Guei die Wahl annullieren wollte, stellte sich nach Massenprotesten der größte Teil der Armee hinter Gbagbo. Dessen Unterstützer lieferten sich in den folgenden Tagen heftige Straßenschlachten mit der Opposition, die Neuwahlen forderte, da ihre Kandidaten ausgeschlossen waren. Bis zu 200 Menschen - überwiegend Anhänger der RDR - wurden getötet.

In einem kürzlich veröffentlichten Bericht erhebt Human Rights Watch (HRW) im Zusammenhang mit den damaligen Ausschreitungen schwere Vorwürfe gegen Teile der Sicherheitskräfte. »Wir haben unwiderlegbare Beweise dafür, dass Regierungskräfte unbewaffnete Zivilisten brutal angegriffen haben«, so ein Sprecher der Afrika-Abteilung von HRW. Paramilitärische Einheiten und die Polizei hätten, teilweise gemeinsam mit FPI-Anhängern, willkürliche Massenverhaftungen und Erschießungen vorgenommen. In den Gefängnissen wurden, so berichteten Überlebende, die Inhaftierten schwer gefoltert.

Nach den Gewalttaten versuchte sich die neue Regierung zwar in Versöhnungsgesten, doch dabei blieb es. Mit dem Ausschluss Ouattaras auch von den Parlamentswahlen im Dezember setzte der neue Präsident die extrem nationalistische Linie der Ivorité, die schon seine Vorgänger Guei und Bédié verfolgt hatten, fort (Jungle World, 43 und 45/00). Sie richtet sich vor allem gegen die zu Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs ins Land geholten Arbeitsimmigranten aus ärmeren Nachbarländern. Doch auch Bewohner des strukturell benachteiligten Nordens werden im Süden des Landes verachtet, da sie angeblich nicht der ivorischen Nation angehören würden.

Der Norden reagierte auf die zunehmende Diskriminierung mit einem Wahlboykott. In Ouattaras Herkunftsregion Kong fanden überhaupt keine Wahlen statt, denn alle Regierungsbeamten waren im Dezember aus dem Gebiet vertrieben worden. Im Parlament mit seinen 225 Sitzen besteht nun ein Patt zwischen der FPI (96 Abgeordnete) und der ehemaligen Staatspartei Parti démocratique de Côte d'Ivoire (PDCI, 94 Abgeordnete); die restlichen Mandate gingen an kleine Parteien und Unabhängige.

Die Rückkehr zur Zivilregierung könnte sich wegen der verstärkten Bildung lokaler Milizen als kurzes Intermezzo erweisen. General Guei, von Gbagbo quasi amnestiert, schart in seinem Herkunftsort im Westen des Landes loyale Truppen um sich. Er soll nach Informationen der Zeitschrift Africa Confidential Unterstützung von liberianischen Söldnern erhalten. Ibrahim Coulibaly, ein ehemaliger Verbündeter des Generals, wird beschuldigt, mit Hilfe aus Burkina Faso im Norden des Landes Bewaffnete zu organisieren.

Die grenzüberschreitenden Allianzen sind allerdings kein neues Phänomen. So nahm vor elf Jahren der brutale Feldzug Charles Taylors in Liberia seinen Anfang im Westen von Côte d'Ivoire. Die Rohstoffe aus Liberia, dessen Präsident Taylor wurde, fanden unter anderem in der grenznahen ivorischen Stadt Danane ihre Käufer.

Auch in der RDR bevorzugen offenbar einige Fraktionen die militärische Option. Während ein Teil der Führung Ouattaras finanzielle Möglichkeiten schätzt, halten andere Aktivisten den Kurs des Vorsitzenden für zu legalistisch. Bereits in den Straßenkämpfen des vergangenen Jahres verteidigten Jäger aus dem Norden, so genannte Dozos, das Anwesen Ouattaras und dienten als Leibwächter. »Die Dozos könnten sich wie die Kamajors in Sierra Leone schnell in einer gefürchteten Miliz formieren«, meint Africa Confidential.

Gbagbo hingegen ist bei der Verwirklichung seiner staatsmännischen Ambitionen von Mathias Doué abhängig. Die ehemalige Nummer vier der Junta von Robert Guei fungiert inzwischen als Armeegeneral und hat die Aufgabe, das gespaltene Militär zusammenzuhalten. Sollte die xenophobe Mobilmachung einen offenen Bürgerkrieg provozieren, könnte die Armee unter seiner Führung wieder die Staatsgeschäfte übernehmen.